Aktuelle Urol 2017; 48(04): 363-378
DOI: 10.1055/s-0043-109949
OP-Techniken
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Supravesikale Harnableitung mit kontinentem Stoma

S. C. Müller
,
S. Rogenhofer
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Publication Date:
27 July 2017 (online)

Einleitung

Seit Beginn der 80er-Jahre wurde das ileozökale Segment in der Mainz-Pouch-Technik (Mainz = mixed augmentation ileum and zecum) für supravesikale Harnableitungen mit kontinentem Stoma verwendet. Ursprünglich war der Ileum-Invaginations-Nippel der Standard-Kontinenzmechanismus, heute ist es, falls verwendbar, die submukös eingebettete Appendix. Der Mainz-Pouch I bietet bei nicht vorbestrahlen Patienten einen Niederdruckspeicher mit guter Kapazität, ohne allzu viel Ileum ausschalten zu müssen. Nachteil ist der Verlust der Ileozökalklappe in der Darmkontinuität.

Eine Reihe von Patienten hat jedoch eine komplexe und lange Krankheitsgeschichte (Z. n. Bestrahlung, Appendektomie, Darmresektionen). Hier muss individuell die operative Technik den anatomischen Gegebenheiten angepasst werden. Besonders zu berücksichtigen sind Länge und Lokalisation des zu verwendenden Darms, Zustand des oberen Harntrakts, Länge der Ureteren und Narbenverhältnisse der vorderen Bauchwand. Es wurde eine Vielzahl an katheterisierbaren kontinenten supravesikalen Harnanleitungen entwickelt, die hier nur teilweise beschrieben werden können.

  • Prinzipien der kontinenten supravesikalen Harnableitungen. Jede kontinente supravesikale Harnableitung braucht ein Reservoir, eine Harnleiterimplantation und einen Kontinenzmechanismus. Für die 3 Bausteine stehen diverse Varianten zur Verfügung:

    • Darm fur die Reservoirfunktion: Ileozökalsegment, Dunndarm, Dickdarm

    • Ureterimplantation: antirefluxiv, refluxiv, Implantation in nichtdetubularisierte Dunndarmsegmente (Refluxdampfung)

    • Kontinenzmechanismus: submukös eingebettete Appendix, seroserös eingebettetes Ileum (getapert), Ileuminvaginationsnippel, getaperte Dunn- und Dickdarmsegmente, submuköses Darmwand- und Seromuskularisrohr

Der Operateur muss mit allen Techniken vertraut sein, um notfalls auch intraoperativ das Vorgehen den individuellen Gegebenheiten anpassen zu konnen. Das Langzeitergebnis hangt einerseits von der operativen Technik ab, andererseits von einer langfristigen Nachbetreuung durch erfahrene Spezialisten und der Compliance des Patienten.

Merke

Die Inkorporation von bestrahltem Darm oder Harnleiter in die Harnableitung sollte vermieden werden.

Praxistipp

Bei Erwachsenen zeigte sich auch nach refluxiver Implantation der Ureteren aufgrund des geringen Drucks im Reservoir nur selten ein Reflux. Verbunden mit der deutlich höheren Strikturrate nach antirefluxiver Implantation kann damit auf die antirefluxive Implantationstechnik verzichtet werden. Bei Kindern dagegen ist eine antirefluxive Ureterimplantation sinnvoll.