Klin Padiatr 2017; 229(04): 203-204
DOI: 10.1055/s-0043-110788
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Natriuretisches Propeptid als früher Marker für das Risiko einer bronchopulmonalen Dysplasie bei sehr unreifen Frühgeborenen?

Natriuretic Propeptide as an Early Marker for Bronchopulmonary Dysplasia in Very Preterm Neonates?
Ludwig Gortner
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Ludwig Gortner
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Medizinische Universität Wien
1090 Wien, Währinger Gürtel 18-20
Österreich

Publication History

Publication Date:
17 July 2017 (online)

 

In der vorliegenden Auflage der Klinischen Pädiatrie legt die spanische neonatologische Gruppe aus Zaragossa Daten von insgesamt 117 sehr unreifen Frühgeborenen vor, welche ein erhöhtes Risiko für die Variablen Tod oder Überleben mit bronchopulmonaler Dysplasie (BPD) belegen, wenn ein erhöhter Wert des n-terminalen natriuretischen Propeptids vom Gehirntyp (NT-proBNP) gemessen wurde [8]. Die Odds ratio lag bei dem seitens der spanischen Gruppe gewählten Grenzwert bei rund 4. Diese sorgfältige retrospektive Untersuchung war methodisch mit der Bestimmung des venösen NT-proBNP entnommen zwischen der 48.− 72. Lebensstunde parallel zu einer klinischen Untersuchung ergänzt durch eine Echokardiografie konzipiert.


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Erste Untersuchungen zur diagnostischen Rolle der Gruppe natriuretischer Propeptide in der neonatalen Periode finden sich bereits in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, wo unter anderem bei Neugeborenen mit angeborenen Herzfehlern und Patienten mit anderweitig ursächlicher Zyanose eine Beziehung der Konzentration des atrialen natriuretischen Peptids und dem Ausmaß der Zyanose beschrieben wurden [6]. Die atriale Komponente des natriuretischen Peptids wurde in ihrer pathophysiologischen Rolle als Reaktion der Kardiomyozyten im Bereich des Atriums auf eine erhöhte Volumenbelastung interpretiert [5].

Zunächst fokussierte die Diskussion um die pathophysiologische Rolle der genannten Substanzgruppe auf die Frage, inwieweit diese eine kardiale oder pulmonale Pathologie bei jungen Säuglingen reflektieren [7]. Weiterhin wurde bei Neugeborenen mit primär transienter Tachypnoe die Konzentration von natriuretischen Propeptiden als Marker für schwerwiegende Verläufe bestätigt [1], ohne dass bislang eine nachvollziehbare Differenzierung in kardiale oder pulmonale Ursachen für die Erhöhung möglich war [9].

Die Forschung an der genannten Substanzgruppe fokussiert in der laufenden Dekade in der Neonatologie weiter auf den B (brain) Typ des natriuretischen Propeptids NT-proBNP. Es sind mehrere Studienprojekte um einen prädiktiven Wert des Markers für das Risiko der BPD und assoziierter Störungen publiziert worden [4] [10], darüber hinaus finden sich in der Literatur unter anderem auch die Frage der Wertigkeit der genannten Variable für die Prognose von Patienten mit angeborener Zwerchfellhernie untersucht [11].

So konnte die dänische Gruppe um Sellmer [10] belegen, dass die Messung des genannten Peptids – hier an knapp 200 Kindern eines Gestationsalters von < 32 Wochen entnommen an Lebenstag 3 - einen prädiktiven Wert für das Merkmal BPD oder Tod beinhaltet. Die Gruppe war weiterhin in der Lage zu differenzieren, dass ein klinisch hämodynamisch relevanter Ductus bzw. echokardiografische Variablen assoziiert mit einem Ductus wie z. B. der links-atriale zum Aorten-Durchmesser hierbei als Zusatzvariablen keine Veränderung der genannten Ergebnisse erbrachten. Ähnliche Daten wurden von einer US-amerikanischen Gruppe [4] publiziert. Hingegen war die europäische Gruppe zum Studium von Neugeborenen mit angeborenen Zwerchfellhernien nicht in der Lage, an insgesamt 128 Neugeborenen mit angeborener Zwerchfellhernie einen prognostischen Wert für das NT-proBNP zur Notwendigkeit unter anderem einer Therapie mittels extrakorporaler Membranoxygenierung zu belegen [11]. Somit lässt sich auf dem

Hintergrund der beispielhaft aufgeführten Arbeiten derzeit eine Risikoprädiktion für das Merkmal Tod oder BPD bei sehr unreifen Frühgeborene belegen, welche eine Erhöhung der genannten Laborvariable früh postnatal innerhalb der ersten 48 bis 72 Lebensstunden aufweisen. Da diese Variable gut standardisiert zu bestimmen ist und das Volumen der Blutentnahme zum Zeitpunkt des 2.− 3. Lebenstages als unproblematisch angesehen werden kann, sollten weitere prospektive Studien durchgeführt werden, welche die zuvor geschilderten Zusammenhänge im Rahmen großer Patientenzahlen zum Gegenstand haben. Dies sollte selbstredend – obgleich in oben erwähnter Studie nicht belegt – das Vorliegen sowie die hämodynamische Relevanz eines persistierenden Ductus arteriosus- neben anderen klinischen Komplikationen zum Gegenstand haben [4].

Bei einer möglichen Etablierung eines Grenzwertes des NT-proBNP für die genannten Risikofaktoren Tod oder BPD früh in der 1. Lebenswoche sind unter anderem Szenarien denkbar, welche eine frühe und gezielte Therapie der drohenden BPD beinhalten. Darüber hinaus erscheinen Fragestellungen in speziellen Risikokollektiven sehr unreifer Frühgeborene z. B. nach lang dauernden vorzeitigen Blasensprung vor Beginn der Überlebensfähigkeit, welche mit einer hohen Mortalität einhergeht, als prognostische Wertung ebenfalls vorstellbar und erscheint eine attraktive Fragestellung zu sein [2] [12].

Die im vorliegenden Heft der Klinischen Pädiatrie gedruckte Arbeit der spanischen Gruppe stellt einen weiteren Mosaikstein auf der Suche nach adäquaten frühen Biomarkern der BPD dar und ist daher ein bedeutsamer Beitrag zur Frage der früheren Risikoidentifikation des Risikos von Tod oder BPD bei sehr unreifen Frühgeborenen. Bei einer möglichen Etablierung der Laborvariable als zuverlässiger Prädiktor einer BPD wäre dies Teil einer Grundlage für eine mögliche Indikation neuer Therapieformen, welche früh zu applizieren sind, ohne dass zum Applikationszeitpunkt eine BPD auf dem Hintergrund des klassischen Zeitpunkts der Diagnose zu stellen ist [3].


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  • Literatur

  • 1 Aydemir O, Aydemir C, Sarikabadayi YU. et al. The role of plasma N-terminal pro-B-type natriuretic peptide in predicting the severity of transient tachypnea of the newborn. Early Hum Dev 2012; 88: 315-319
  • 2 Gortner L. Preterm Premature Rupture of Membranes: A Constant Challenge in Perinatal Medicine?. Klin Padiatr 2016; 228: 53-54
  • 3 Jobe AH, Bancalari E. Bronchopulmonary dysplasia. Am J Respir Crit Care Med 2001; 163: 1723-1729
  • 4 Kalra VK, Aggarwal S, Arora P. et al. B-type natriuretic peptide levels in preterm neonates with bronchopulmonary dysplasia: a marker of severity?. Pediatr Pulmonol 2014; 49: 1106-1111
  • 5 Lang RE, Tholken H, Ganten D. et al. Atrial natriuretic factor – a circulating hormone stimulated by volume loading. Nature 1985; 314: 264-266
  • 6 Lang RE, Unger T, Ganten D. et al. Alpha atrial natriuretic peptide concentrations in plasma of children with congenital heart and pulmonary diseases. Br Med J (Clin Res Ed) 1985; 291: 1241
  • 7 Lechner E, Weissensteiner M, Wagner O. et al. Aminoterminal pro-B-type natriuretic peptide: heart or lung disease in the neonate?. Pediatr Crit Care Med 2013; 14: 396-402
  • 8 Montaner A, Pinillos R, Galve Z. et al. Brain natriuretic propeptide as an early marker of bronchopulmonary dysplasia or death in the preterm newborn. Klin Padiatr 2017; 229
  • 9 Sahingozlu T, Karadas U, Eliacik K. et al. Brain natriuretic peptide: the reason of respiratory distress is heart disease or lung disease?. Am J Emerg Med 2015; 33: 697-700
  • 10 Sellmer A, Hjortdal VE, Bjerre JV. et al. N-Terminal Pro-B Type natriuretic peptide as a marker of bronchopulmonary dysplasia or death in very preterm neonates: a cohort study. PLoS One 2015; 10: e0140079
  • 11 Snoek KG, Kraemer US, Ten Kate CA. et al. High-sensitivity troponin T and N-terminal pro-brain natriuretic peptide in prediction of outcome in congenital diaphragmatic hernia: results from a multicenter, randomized controlled trial. J Pediatr 2016; 173: 245-249 e244
  • 12 van der Marel I, de Jonge R, Duvekot J. et al. Maternal and neonatal outcomes of preterm premature rupture of membranes before viability. Klin Padiatr 2016; 228: 69-76

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Ludwig Gortner
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Medizinische Universität Wien
1090 Wien, Währinger Gürtel 18-20
Österreich

  • Literatur

  • 1 Aydemir O, Aydemir C, Sarikabadayi YU. et al. The role of plasma N-terminal pro-B-type natriuretic peptide in predicting the severity of transient tachypnea of the newborn. Early Hum Dev 2012; 88: 315-319
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  • 12 van der Marel I, de Jonge R, Duvekot J. et al. Maternal and neonatal outcomes of preterm premature rupture of membranes before viability. Klin Padiatr 2016; 228: 69-76