JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2017; 06(04): 138-139
DOI: 10.1055/s-0043-112033
Kolumne
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ein Kommen und Gehen

Heidi Günther
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Publication Date:
07 August 2017 (online)

Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.

(Henry Ford (1863–1947), Gründer der „Ford Motor Company“)

Eine Station kann noch so klein sein, als Stationsleitung hat man immer seine Nöte, Ängste, Herausforderungen und Ärgernisse. Aber auch seine Freuden und Erfolgserlebnisse. Eben das alltägliche Hin und Her, die Höhen und Tiefen. Und: Dann hat man noch einen Dienstplan. Die Stationsleitung bin in diesem Fall ich, und ich denke – und ich kann da aus reichlich Erfahrungen schöpfen – dass es oft schwieriger ist, auf einer kleinen Station alles und alle unter einen Hut zu bringen. Einen Dienstplan zu schreiben, entwickelt sich in jedem Monat aufs Neue zu einem Drahtseilakt mit Stimmungsschwankungen meinerseits, an denen jeder Psychiater seine wahre Freude hätte. Kurz zur Erklärung: Unsere Station hat nur 14 Betten und elf Planstellen, die mit 14 Kollegen besetzt sind … oder eben auch nicht.

Wenn alle Planstellen besetzt, alle Kollegen gesund, nicht im Urlaub, im Mutterschutz oder Elternzeit sind, ist es einfach zu planen und ein gutes Arbeiten. Das ist selten genug der Fall und wirkt sich – das ist wahrscheinlich sogar aus der Ferne zu spüren – nur positiv für alle Beteiligten aus. Die Kollegen sind motiviert, fleißig und meist guter Laune. Das wiederum wirkt sich dann auch auf die Zusammenarbeit mit allen anderen ringsherum aus. Und augenscheinlich sind sogar die Patienten besser drauf. Die bereits erwähnten Unwägbarkeiten sind ja oft schon in der Planstellenberechnung berücksichtigt und meist mit 20 % Ausfallquote bedacht. Dieser Wert ergibt sich wahrscheinlich aus einer mühsam erhobenen Statistik und hat irgendjemandem zu einer erfolgreichen Bachelorarbeit verholfen. Nur leider hält sich das wahre Stationsleben nur selten an die Statistik oder irgendwelche festgesetzten Normen, und so passiert es schnell, dass mehr als 20 % der Mitarbeiter, die zu 100 % auf dem Dienstplan namentlich geführt werden, nicht für die Planung zur Verfügung stehen. Ehe ich weiß, wie mir geschieht, kann es sein, dass ich mit 30 % oder sogar 40 % weniger Kollegen planen muss. So geht es mir gerade jetzt. Von den elf Planstellen hat eine Kollegin Mutterschutz, ein Kollege Elternzeit, eine Kollegin hat eine langwierige Krankheit und eine andere Kollegin hat gerade, zu meinem größten Bedauern, gekündigt. Dazu sind wir mitten in der Urlaubszeit und eine Planstelle ist ohnehin frei. Soviel mal kurz zu meinem Stationsleitungsleben. Aber sonst ist alles super!

Was ich am Anfang als Grund für Personalmangel nicht erwähnt hatte, ist die Fluktuation. Ich weiß, es gibt Theorien von gesunder und ungesunder oder gewollter und ungewollter Fluktuation. Es kursieren Fluktuationsraten von 5 % bis 20 % in den Unternehmen des Landes im Internet und es gibt Angaben zu den verschiedensten Gründen für „die Austauschrate des Personals in Unternehmen“ (so unromantisch klingt es bei Wikipedia). Meist zieht der Arbeitgeber den Kürzeren und wird mit Ratschlägen bedacht, wie er der Fluktuation Einhalt gebieten kann und welche Kosten ihm dabei entstehen, wenn er sich nicht daran hält.

Dabei gibt es auch andere Gründe, die vom Arbeitgeber nicht beeinflusst werden können. Da können noch so viele Initiativen zu Mitarbeiterbindung, Vertrauen und Wertschätzung gestartet werden, und auch ich als Stationsleitung kann mich noch so sehr bemühen. Wenn ein Mitarbeiter sich privat oder beruflich verändern möchte und kann, dann ist es so. Und wenn es positive und gewünschte Veränderungen sind, dann sollten auch wir uns für den Mitarbeiter freuen.

So verabschieden wir uns Ende Juni von unserer Kollegin Katrin L. Vor vier Jahren hat Katrin bei uns ein Superexamen hingelegt und ich hatte kurz Sorge, dass sie das Stellenangebot für unsere Station nicht annehmen wird. Ich bin damals davon ausgegangen, dass wir nicht die Einzigen sind, die an Katrins zukünftiger Mitarbeit interessiert sind. Zumal Katrin zum Abschluss ihrer Ausbildung mit einem Preis der bayerischen Landesregierung als beste Auszubildende bedacht wurde. Da wir sie ja zur praktischen Prüfung begleitet haben, waren wir natürlich auch „stolz wie ­Bolle“, und umso schöner war es, dass sie sich tatsächlich für uns entschieden hat.

Katrin haben wir kennengelernt als eine eher unscheinbare, dabei sehr fleißige und wissbegierige junge Frau. Allein ihre persönliche Entwicklung in den letzten vier Jahren miterlebt zu haben, war mir eine Freude. Jetzt ist sie sehr viel offener und fröhlicher. Alle im Team mögen und schätzen sie sehr. Sie hat in den letzten Jahren zwei Weiterbildungen mit Glanz absolviert, was ja zugegebenermaßen den Arbeitgeber einiges Geld gekostet hat. Aber sie hat uns auch viel zurückgegeben. Doch nun ist es Zeit für sie, sich weiterzuentwickeln und somit auch einen großen Schritt zu wagen. In unserer Klinik, die eine Fachklinik für Orthopädie ist, sind die Entwicklungsmöglichkeiten einigermaßen begrenzt. Es ist nun auch nicht unbedingt jedermanns Sache, ein ganzes Berufsleben lang Füße oder Hüften zu verbinden.

Ich kann also den Kollegen einer Intensivstation, in einem Haus der Maximalversorgung hier in München, nur gratulieren. Sie haben seit dem 1. Juli eine tolle neue Mitarbeiterin, die ihre Arbeit dort hervorragend machen und für ihr zukünftiges Team ein Riesengewinn sein wird. Wir werden, und nicht nur auf dem Dienstplan, Katrin sehr vermissen und können ihr nur das Beste wünschen. Außerdem sollten wir uns freuen, dass wir ein Teil von ­Katrins beruflicher Biografie waren.

Mir bleibt nun aber wieder einmal der Dienstplan, in dem ich ohne die Kollegen, die im Mutterschutz, in Elternzeit, die krankgeschrieben oder im Urlaub sind, und ohne Katrin mal wieder zaubern darf. Und mir bleibt die Hoffnung auf neue Kollegen, die wieder eine Zeit ihres beruflichen Lebens bei uns und mit uns verbringen werden.

In diesem Sinne, Ihre

Heidi Günther