Aktuelle Dermatologie 2017; 43(10): 396
DOI: 10.1055/s-0043-114287
Derma-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bei bullösem Pemphigoid an Multiple Sklerose denken

Kibsgaard L. et al.
Increased frequency of multiple sclerosis among patients with bullous pemphigoid: a population-based cohort study on comorbidities anchored around the diagnosis of bullous pemphigoid.

Br J Dermatol 2017;
176: 1486-1491
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Publication Date:
04 October 2017 (online)

 

    Ein bullöses Pemphigoid (BP) tritt überwiegend bei Senioren auf, die altersbedingt eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für weitere Krankheiten aufweisen. Kibsgaard et al. durchforsteten das dänische Patientenregister von 1977 bis 2015 und identifizierten Patienten mit einem BP. Sie stellten bei Erstdiagnosen eine hohe Komorbidität fest und fanden eine gesteigerte 5-Jahres-Inzidenz für Multiple Sklerose und Diabetes mellitus.


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    Die Autoimmundermatose BP ist durch starken Juckreiz und pralle Blasen gekennzeichnet. Sie tritt überwiegend jenseits des Arbeitslebens auf und betritt Frauen häufiger. Bereits frühere Untersuchungen hatten einen Zusammenhang mit neurologischen und internistischen Erkrankungen nahegelegt. Die pathophysiologische Grundlage des BP sind Antikörper gegen die Antigene BPAg1 und BPAg2 der epidermalen Keratinozyten. Als Link zwischen BP und neurologischen Erkrankungen werden Kreuzreaktionen mit BPAg1-Isotopen im Nervengewebe diskutiert. Kibsgaard et al. verglichen die neurologische und kardiovaskuläre Komorbidität von 3281 Patienten mit einem BP und 32 213 Kontrollen ohne BP (matched). Das Durchschnittsalter betrug 76,5 und 76,9 Jahre. Frauen erkrankten mit einer Ratio von 5:4 erwartungsgemäß öfter an einem BP. Die Autoren stellten zum Zeitpunkt der Erstdiagnose eine gesteigerte neurologische Komorbidität fest für

    • Multiple Sklerose (OR 9,7; 95 %-KI 6,0 – 15,6),

    • M. Parkinson (OR 4,2; 95 %-KI 3,1 – 5,8),

    • Alzheimer-Demenz (OR 2,6; 95 %-KI 1,8 – 3,5),

    • Schlaganfall (OR 2,7; 95 %-KI 2,4 – 2,9).

    Patienten mit einem BP wiesen auch häufiger internistische Erkrankungen auf. Die Wahrscheinlichkeiten für einen Typ-1- und Typ-2-Diabetes waren um den Faktor 3,1 und 2,3 gesteigert. Arterielle Hypertonien, ischämische Herzkrankheiten und tendenziell auch Tumorkrankheiten kamen öfter vor (Faktor 2, Faktor 1,7 und Faktor 1,3). Die Autoren schlossen nun alle Begleiterkrankungen aus und bestimmten deren Auftreten im weiteren Verlauf. Der Vergleich zwischen den Kohorten und den Paaren Patient/Kontrolle bestätigte nach 5 Jahren höhere Inzidenzen für

    • Multiple Sklerose (HR 5,1; 95 %-KI 2,3 – 11,3),

    • Typ-1-Diabetes (HR 1,2; 95 %-KI 1,0 – 1,6) und

    • Typ-2-Diabetes (HR 1,1; 95 %-KI 1,0 – 1,3).

    Patienten mit einem BP hatten eine geringere Überlebenswahrscheinlichkeit. Im Vergleich zur Kontrollpopulation war das Mortalitätsrisiko im 1. Jahr 3,6-fach gesteigert. Im Beobachtungszeitraum von 5 Jahren starben Patienten mit BP mehr als doppelt so oft (HR 2,04; 95 %-KI 1,96 – 2,13).

    Fazit

    Die Studie bestätigte die hohe Komorbidität und eine persistierende Risikosteigerung für eine Multiple Sklerose bzw. für Diabetes sowie die erhöhte Mortalität bei Patienten mit einem BP. Die Ergebnisse untermauern die Hypothese gemeinsamer pathophysiologischer Prozesse mit einer uneinheitlichen zeitlichen Reihenfolge, so die Autoren. Sie empfehlen bei der Erstdiagnose eines BP dringend den Ausschluss neurologischer und internistischer Krankheiten und im Verlauf Screening-Wiederholungen. Der immunologische Zusammenhang zwischen BP, Multipler Sklerose und Diabetes mellitus ist unklar.

    Dr. med. Susanne Krome, Melle

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    Das bullöse Pemphigoid zeigt bei Senioren eine erhöhte Komorbidität und Risikosteigerung für neurologische Erkrankungen. © freshidea/Fotolia.com

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