Dtsch Med Wochenschr 2017; 142(22): 1637
DOI: 10.1055/s-0043-114489
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mit Präzision zur Remission: Das Ziel rückt näher!

Precision Oncology: Approaching the Target
Wolfgang Hiddemann
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Publication Date:
27 October 2017 (online)

Liebe Leserinnen und Leser

im Bereich der Onkologie haben sich in den letzten Jahren substanzielle Verbesserungen durch die molekulare Charakterisierung zahlreicher Tumorerkrankungen ergeben, die unter dem Schlagwort der „personalisierten“- oder „Präzisions“-onkologie fungieren. Mit diesem Begriff ist gemeint, dass es in zunehmendem Maße gelingt, individuelle molekulare Profile von verschiedenen Tumorerkrankungen zu erstellen, um auf diese Weise Zielstrukturen zu identifizieren, gegen die spezifische, antineoplastische Substanzen gezielt eingesetzt werden können. Damit zeichnet sich die Perspektive ab, auf der Grundlage definierter molekularer Risikoprofile im Einzelfall gezielter und damit auch effektiver und nebenwirkungsärmer behandeln zu können.

Auf diesem Gebiet sind vor allem beim kolorektalen Karzinom, dem Lungenkarzinom und dem Mammakarzinom in den letzten Jahren substanzielle Fortschritte erreicht worden. Dementsprechend werden diese Tumorerkrankungen im vorliegenden Heft der DMW ausführlicher dargestellt. Bei allen drei Tumorentitäten gehört die molekulare Diagnostik heute bereits zum Standard und dient der konkreten Auswahl unterschiedlicher und auf das individuelle Risikoprofil ausgerichteter Therapiestrategien.

Unabhängig von diesen tumorspezifischen Entwicklungen kommt die Präzisionsonkologie zunehmend auch in anderen Situationen zur Anwendung, so z. B.

  • bei Patienten mit ungewöhnlichen klinischen Verläufen oder

  • bei Patienten mit refraktären Tumorerkrankungen.

Für diese Subgruppen von Patienten wurden an vielen universitären Einrichtungen sogenannte molekulare Tumorboards etabliert, in denen auf individueller Basis darüber entschieden wird, ob eine molekulare Diagnostik im Einzelfall sinnvoll ist. Diese Präzisionsonkologie trägt dazu bei, für ausgewählte Patienten nach genetischen Veränderungen zu suchen, die einer gezielten Therapie zugeführt werden können. Die dabei zum Einsatz kommenden Medikamente haben sich oft bereits bei anderen Tumorerkrankungen als wirksam erwiesen oder befinden sich aktuell in klinischer Prüfung.

Die personalisierte- oder Präzisionsonkologie stellt damit eine außerordentlich vielversprechende Perspektive dar, die für viele Tumorerkrankungen eine spezifischere, effektivere und nebenwirkungsärmere Behandlung ermöglicht. Das Dossier in diesem Heft gibt einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen und die sich daraus ergebenden Perspektiven.

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Prof. Dr. med. Wolfgang Hiddemann