Neonatologie Scan 2017; 06(03): 191
DOI: 10.1055/s-0043-114649
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Erstversorgung
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Keine Herzaktivität nach 10 min: Weiter reanimieren oder nicht?

Sproat T. et al.
Outcome of babies with no detectable heart rate before 10 minutes of age, and the effect of gestation.

Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed 2017;
102: F262-F265
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Publication History

Publication Date:
05 September 2017 (online)

 

    Die Leitlinien des European Resuscitation Council (ERC) empfehlen, bei der Neugeborenenreanimation eine Beendigung zu erwägen, wenn nach 10 min keine Herzaktivität nachweisbar ist. Diese Empfehlung beruht auf 6 zwischen 1998 und 2015 veröffentlichten Arbeiten, die bei über diesen Zeitraum hinaus behandelten Neugeborenen kaum positive Ergebnisse fanden. Mediziner aus Newcastle haben andere Erfahrungen gemacht.


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    Thomas Sproat und seine Kollegen haben die Datenbank ihrer Klinik nach allen zwischen 2009 und 2013 reanimierten Neugeborenen durchsucht und Daten derjenigen Kinder extrahiert, die nach 10-minütiger Herzdruckmassage keine nachweisbare Herzaktivität aufwiesen und trotzdem weiter reanimiert worden waren. Bei diesen Kindern untersuchten sie Sterblichkeit und die neurokognitive Entwicklung im Alter von 2 Jahren, ermittelt mit den Bayley Scales of Infant and Toddler Development – Third Edition (Bayley III).

    Insgesamt 87 Neugeborene wurden in diesem Zeitraum mittels externer Herzdruckmassage reanimiert. Bei 22 von ihnen war 10 min nach Beginn der Reanimation keine Herzaktivität nachweisbar, das entspricht einer Rate von 1/1557 Lebendgeburten. Diese 22 Kinder gingen in die weitere Auswertung ein.

    Die Kinder wiesen ein Gestationsalter zwischen 23 und 41 Wochen auf, 7 von ihnen waren Frühgeburten oder extreme Frühgeburten (Gestationsalter < 32 Wochen), 4 moderate bis späte Frühgeborene (Gestationsalter 32 – 37 Wochen) und 11 Termingeborene. Das Geburtsgewicht lag zwischen 0,5 kg und 4,4 kg. 14 Kinder waren über einen Notkaiserschnitt geboren worden, 8 kamen über eine normale vaginale Geburt zur Welt.

    Eine erstmalige Herzaktivität war nach 10 bis 35 min nachweisbare (im Median nach 16 min), eine erstmalige Herzfrequenz > 100 /min nach 12 bis 45 min (im Median nach 17 min).

    • Insgesamt 14 der 22 Kinder starben (64 %; 5 davon später als Totgeburten klassifiziert),

      • darunter waren alle Frühgeborenen mit einem Gestationsalter < 32 Wochen (100 %),

      • die Hälfte der Frühgeborenen mit einem Gestationsalter zwischen 32 und 37 Wochen (2 von 4; 50 %), aber

      • nur 5 der 11 reifgeborenen Kinder (45 %).

    Als Todesursachen waren angeben: bei den Lebendgeburten hypoxisch-ischämische Enzephalopathie (n = 4), Frühgeburtlichkeit (n = 2), Escherichia-coli-Sepsis (n = 1), schwere intraventrikuläre Blutungen (n = 1); bei 1 Kind blieb die Todesursache ungeklärt. Bei den später als Totgeburten eingestuften Kindern waren es extreme Frühgeburtlichkeit (n = 1), Infektion mit Gruppe B-Streptokokken (n = 1), Plazentainfarkt (n = 1) multiple kongenitale Fehlbildungen (n = 1), und bei 1 Kind blieb die Todesursache ebenfalls unklar.

    7 der 8 überlebenden Kinder konnten im Alter von 2 Jahren nachuntersucht werden. Von ihnen wiesen 5 eine unauffällige neurokognitive Entwicklung laut Bayley III auf, bei 2 Kindern lagen ausgeprägte motorische Beeinträchtigungen vor.

    Fazit

    Nach diesen Daten wäre also ein grundsätzlicher Abbruch der Reanimation bei Neugeborenen nach 10 min ohne Herzaktivität nicht berechtigt, meinen die Autoren: Bei Kindern mit einem Gestationsalter > 32 Wochen ist ein Überleben mit normaler neurokognitiver Entwicklung durchaus möglich. Die Ergebnisse unterstützen aber die ERC-Empfehlungen bei sehr kleinen Frühgeborene vor der 32. Woche – bei ihnen scheint die Prognose tatsächlich infaust. Einschränkend gilt die geringe Zahl der Patienten.

    Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim


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