Pädiatrie up2date 2018; 13(03): 275-291
DOI: 10.1055/s-0043-115863
Neuropädiatrie/Psychiatrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Essstörungen

Stephan Bender
,
Carola Bartels-Dickescheid
,
Axel Meinhardt
Further Information

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Stephan Bender
Universitätsklinik Köln
Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und -psychotherapie
Robert-Koch-Straße 10
50931 Köln

Publication History

Publication Date:
04 September 2018 (online)

 

Essstörungen gliedern sich in vier große Bereiche: Anorexia nervosa, Bulimia nervosa, Binge-Eating-Störung und Adipositas. Der vorliegende Beitrag beschränkt sich auf die ersten drei der genannten und fokussiert dabei aus didaktischen Gründen überwiegend auf die Anorexia nervosa. Die Empfehlungen in diesem Beitrag orientieren sich an der S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Essstörungen“ der Deutschen Fachgesellschaften [1].


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Anorexia nervosa

Epidemiologie

Für Frauen liegt die Punktprävalenz für das Risikoalter zwischen 15 und 35 Jahren bei ca. 0,4%. Die Anorexie weist dabei die höchste Mortalitätsrate aller psychischen Erkrankungen auf. Die Standardized Mortality Ratio (SMR) berücksichtigt die Sterblichkeitsrate der Altersgruppe für den jeweiligen Zeitraum, wobei Werte > 1 eine Übersterblichkeit ausdrücken. Für anorektische PatientInnen werden Werte zwischen 10,5 und 3,3 angegeben, das heißt, es ist bei PatientInnen mit einer Anorexie mit einer drei- bis zehnfach höheren Sterbewahrscheinlichkeit zu rechnen. Haupttodesursache sind somatische Komplikationen im Rahmen der Unterernährung und Elektrolytentgleisungen, ein Drittel entfällt auf Suizide.

Merke

Die Anorexia nervosa stellt eine schwere und bedrohliche psychische Erkrankung dar.

Dies muss Patienten und Familienangehörigen im Rahmen der Psychoedukation eindrücklich vermittelt werden, da im Rahmen der Therapie allen Beteiligten eine hohe Motivation abverlangt wird.

In Ländern mit Nahrungsmangel finden sich anorektische Erkrankungen weit weniger häufig. So wurde z. B. in einer Untersuchung auf der karibischen Insel Curaçao [2] kein einziger Fall bei der schwarzen Bevölkerung, welche die Majorität der Bewohner der Insel ausmacht, festgestellt.

Merke

Umweltfaktoren spielen neben genetischen Faktoren eine wichtige Rolle.

Besondere Risikogruppen sind Models, TänzerInnen und LeistungssportlerInnen, wobei die Anorexia nervosa bei Mädchen und Frauen deutlich häufiger als bei Jungen und Männern auftritt (Geschlechterverhältnis ca. 10 : 1).


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Pathogenese

Der Gewichtsverlust ist selbst herbeigeführt durch:

  • Vermeidung hochkalorischer Speisen und/oder

  • selbstinduziertes Erbrechen,

  • Abführen/Laxanzienmissbrauch,

  • übertriebene körperliche Aktivität,

  • Gebrauch von Appetitzüglern oder Diuretika.

Es besteht eine Körperschemastörung, das heißt, es besteht eine Wahrnehmungs- und Interpretationsstörung auf visuellen und somatosensorischen Kanälen, sich als deutlich dicker zu empfinden, als dies objektiv der Fall ist.

Merke

Häufig nehmen deutlich untergewichtige PatientInnen sich immer noch als zu dick wahr, und es liegt die überwertige Idee vor, zu dick zu sein, die sich durch rationale Argumente nicht korrigieren lässt. Zudem bestehen ausgeprägte Ängste vor einer Gewichtszunahme.

Die endokrine Störung (Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse) findet Ausdruck in einer sekundären Amenorrhö bei postpubertärer Anorexie. Bei Anorexie vor Eintritt der Pubertät ist die Abfolge der pubertären Entwicklungsschritte verzögert, der Körper stellt sich mit einem Wachstumsstopp und einer primären Amenorrhö auf das reduzierte Nährstoffangebot ein.

Die Anorexie wird weiter unterteilt in zwei Subtypen:

  • den Purging-Typus, der mit aktiven Maßnahmen zur Gewichtsabnahme einhergeht, wie Erbrechen, Abführmittel- oder Diuretikaabusus, bzw. in selteneren Fällen der bewussten inkorrekten Anwendung von Insulin bei bestehendem Diabetes mellitus, sowie

  • den restriktiven Typus ohne aktive Maßnahme zur Gewichtsreduktion, stattdessen wird der Nahrungsmittelkonsum insbesondere in Bezug auf hochkalorische Speisen stark eingeschränkt.


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Diagnostik

Merke

Das wichtigste diagnostische Kriterium der Anorexia nervosa ist, dass das Körpergewicht mindestens 15% unter dem zu erwartenden Gewicht liegt, ohne dass hierfür somatische Ursachen eine ausreichende Erklärung darstellen.

Bei Kindern und Jugendlichen wurde vorgeschlagen, eine Gewichtsreduktion unter der 10. Altersperzentile als Untergewicht zu werten [3]. DSM 5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, American Psychiatric [4], US-amerikanischer Standard) verzichtet auf eine explizite Definition des Untergewichts. Kritisch muss der Vorschlag gewertet werden, nach ICD 11 (International Classification of Diseases, WHO, Europäischer Standard) bei Kindern und Jugendlichen nur eine Gewichtsabnahme unter die 5. Altersperzentile als Untergewicht zu werten.

Bei Erwachsenen gilt aktuell als Grenze für das Gewichtskriterium ein BMI (Body Mass Index = Körpergewicht zum Quadrat/Körpergröße) unter 17,5 (ICD-10) [5]. Dazu ist es essenziell, bei allen Patienten Körpergröße und Körpergewicht eindeutig festzustellen. Zum Wiegen sollten die Patienten in Unterbekleidung und ohne Schuhe mit einer geeichten Waage gewogen und ebenso gemessen werden.

Merke

Bei Kindern und Jugendlichen erfolgt die Auswertung der Messwerte anhand altersbezogener Perzentilenkurven. Neben dem aktuellen Gewicht ist die Veränderung des Gewichts, z. B. die Schnelligkeit einer Gewichtsabnahme, von entscheidender Bedeutung.

Früherkennung

Im pädiatrischen Setting sollte bei folgenden Risikofaktoren an das Vorliegen einer Essstörung gedacht werden.

  • junge Frauen mit niedrigem Körpergewicht, insbesondere in Risikogruppen,

  • PatientInnen, die mit Gewichtssorgen kommen, aber nicht übergewichtig sind,

  • Mädchen und Frauen mit Zyklusstörungen oder Amenorrhö

  • PatientInnen, die in der körperlichen Untersuchung mangelernährt erscheinen, ohne dass eine körperliche Ursache für die Mangelernährung festgestellt werden kann,

  • PatientInnen mit gastrointestinalen Symptomen,

  • PatientInnen mit wiederholtem Erbrechen ohne erkennbare Ursache,

  • Kinder mit Wachstumsverzögerung oder „Perzentilenknick“ bei der Gewichtsentwicklung.

Zum Screening eignet sich die Frage: „Machst Du Dir Sorgen wegen Deines Gewichts oder Deiner Ernährung?“ bzw. an die Eltern gerichtet: „Machen Sie sich Sorgen wegen des Gewichts oder der Ernährung Ihres Kindes?“ Hierbei ist wichtig, die Patienten einer möglichst frühzeitigen Behandlung zuzuführen und die Essstörung zu identifizieren, es dauert ansonsten sehr lange, bevor die Eltern oder nahestehende Personen mit dem Anliegen der Abklärung einer Essstörung an den Kinderarzt oder Kinder- und Jugendpsychiater herantreten.

Merke

Für eine Früherkennung sind entsprechende Aufklärung von Eltern und insbesondere professionellen Betreuungspersonen sowie eine berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit sehr wichtig.


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Psychopathologische und körperliche Merkmale

Körpergewicht und Selbstwertgefühl Leider ist eine Selbstbewertung als zu dick auch bei gesunden jungen Frauen in der westlichen Kultur sehr häufig. Der Übergang zum pathologischen Ausmaß ergibt sich erst durch die Häufigkeit und die Intensität, die derartige Gedanken annehmen. Die PatientInnen verlieren die kritische Distanz zur Bewertung des eigenen Körpers, sodass das Selbstwertgefühl der Betroffenen erheblich vermindert und die Lebensqualität deutlich eingeschränkt wird.

Restriktives Essverhalten und Einschränkung der Kalorienzufuhr Das eigen- und fremdanamnestische Erfragen der Essgewohnheiten oder die direkte Verhaltensbeobachtung bei stationär aufgenommenen Patienten stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik dar.

Praxis

Typisches Essverhalten bei Anorexia nervosa

  • Vermeidung von hochkalorischen, fetthaltigen oder kohlenhydrathaltigen Nahrungsmitteln

  • Auslassen von bestimmten Mahlzeitbestandteilen oder ganzen Mahlzeiten

  • Erwerb von Kalorienwissen und Kalorienzählen nach den Mahlzeiten

  • Abwiegen von Nahrungsmitteln

  • exzessiver Konsum von Flüssigkeiten vor den Mahlzeiten, um die Nahrungsaufnahme zu begrenzen oder gar eine Flüssigkeitseinschränkung, insbesondere bei jüngeren Patienten

  • Veränderungen des Mahlzeitenrhythmus oder der Mahlzeitenstruktur, z. B. die Beschränkung auf eine einzige Mahlzeit pro Tag oder die Reduktion auf Kleinstmahlzeiten

  • Vermeidung von Essen in der Gemeinschaft

Gewichtsreduzierendes Verhalten Es gibt eine Reihe von zielorientierten Verhaltensweisen, um Nahrung möglichst rasch wieder aus dem Körper zu entfernen. Dazu dienen vor allem Erbrechen oder Laxanzien. Erbrechen kann dabei automatisiert, entweder durch mechanische Reizung des Rachenraums oder bei entsprechender Übung auch spontan induziert werden. Laxanzien werden regelmäßig eingenommen. Zu den gewichtsreduzierenden Maßnahmen zählen auch exzessiver Sport und Bewegung sowie Saunabesuche.


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Standardisierte diagnostische Instrumente

Um die vorgenannten Verhaltensweisen von normalem Verhalten in der Adoleszenz, in der Diäten durchaus ein häufiges Verhaltensmuster darstellen, abzugrenzen, sollte die Diagnose nach den Kriterien des ICD 10 bzw. DSM 5 standardisiert erstellt werden.

Im Kindesalter (8 – 14 Jahre) steht die Eating Disorder Examination für Kinder (ChEDE) als strukturierter Interviewleitfaden zur Verfügung, der auch durch einen Fragebogen für Kinder (ChEDE-Q) ergänzt werden kann [6]. Das Interview basiert auf der Eating Disorder Examination (EDE) von Fairburn und Cooper, einem strukturierten Experteninterview zur Klassifikation und Erfassung der spezifischen Psychopathologie von Essstörungen bei Erwachsenen und Jugendlichen. Das Interview sowie der Fragebogen erfassen in kindgerechter Sprache vier Subskalen zum gezügelten Essverhalten, zu Sorgen über Essen, Gewicht und Figur. Als weiteres Fragebogenverfahren kann das Eating Disorder Inventary (EDI-2) eingesetzt werden, das aus dem Erwachsenenbereich stammt [7].

Das SIAP-EX (Strukturiertes Inventar für anorektische und bulimische Essstörungen für Expertenbeurteilung) erfasst für Erwachsene und Jugendliche innerhalb von 30 – 60 Minuten als Expertendiagnostik den jetzigen Zustand und frühere Zeiträume anhand folgender Subskalen: Körperschema und Schlankheitsideal, allgemeine Psychopathologie, Sexualität und soziale Interaktion, bulimische Symptome, gegensteuernde Maßnahmen, Fastensubstanzmissbrauch, atypische Essanfälle [8]. Das Instrument ist gut brauchbar für Diagnosestellung, Therapieplanung und Verlaufserhebung. Es wird in Forschung und Praxis eingesetzt. Basierend auf diesem Instrument gibt es die Fragebogenversion des Inventars zur Selbsteinschätzung (SIAB-S) [9].


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Medizinische Diagnostik

Die medizinische Diagnostik dient zum einen der Gefahrenabwehr, um Komplikationen durch das Untergewicht frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden, zum anderen differenzialdiagnostischen Abwägungen, um andere körperliche Ursachen für die Kachexie auszuschließen. Neben Körpergröße und Körpergewicht (BMI nach Altersperzentile) sollten immer Blutdruck und Puls bestimmt werden. Zudem sind zur Abschätzung der vitalen Gefährdung durch das Untergewicht und Folgen des Erbrechens folgende Parameter zu erfassen:

  • Körpertemperatur

  • Inspektion der Körperperipherie zur Bestimmung von Durchblutung (Akrozyanose) und Vorliegen von Ödemen

  • Herzgeräusche oder Erguss

  • Puls- und Blutdruckverhalten bei Lageänderung im Sinne des Orthostase-Tests

  • Elektrolyte (Natrium, Kalium, Chlorid, Phosphat, Magnesium)

  • Blutbild, Blutsenkung, Harnstoff, Kreatinin, Leberfunktionstest, Blutglukose, TSH, Urinstatus

  • Elektrokardiogramm

Bei einem BMI < 15 bei Erwachsenen bzw. bei einem BMI unter der 3. Perzentile sollte eine stationäre Krankenhausbehandlung erfolgen. Bei BMI < 12 besteht eine erhöhte Mortalitätsrate durch ein entsprechendes Risiko kardialer Komplikationen.

Praxis

Gefährdungsindikationen

Wichtige Gefährdungsindikationen sind

  • eine Bradykardie mit einer Herzfrequenz von unter 40/min,

  • eine Tachykardie mit einer Herzfrequenz > 110/min,

  • ein Blutdruck von < 90/60 mmHg,

  • ein Abfall des Blutdrucks um mehr als 20 mmHg oder ein Anstieg der Herzfrequenz um 20 Schläge/min im Orthostase-Test.

Bei deren Vorliegen muss die Notwendigkeit einer stationären Behandlung überprüft werden. Es empfiehlt sich die Durchführung eines Echokardiogramms zur Dokumentation und Verlaufsbeurteilung eines eventuell vorliegenden Perikardergusses.

Bei Patienten mit Verdacht auf Erbrechen ist die Inspektion der Mundhöhle und der Speicheldrüsen von Bedeutung. In der Mundhöhle finden sich häufiger Zahnschäden mit charakteristischen Mustern von Erosionen und Veränderungen in der Mundschleimhaut. Die Ohrspeicheldrüsen und Zungengrundspeicheldrüsen sind vergrößert. Darüber hinaus ist die Konzentration der Speichelamylase im Serum bei Patienten mit Essstörungen bei Erbrechen erhöht. Ausgeprägte Zahnschäden durch Säure bei Erbrechen können eine schwerwiegende lebenslange gesundheitliche Belastung darstellen. Aus diesem Grund sind regelmäßige zahnärztliche Kontrollen und eine gezielte Beratung zur Zahnpflege unerlässlich.

Es gibt eine Reihe von Hautveränderungen, die mit starkem Untergewicht einhergehen. Dazu gehören trockene Haut, Haarverlust, Akne, Hautpigmentierungsstörungen, neurodermitische Hautveränderungen, generalisierter Juckreiz, Hautinfektionen sowie eine typische Lanugobehaarung. In seltenen Fällen werden diese Hautveränderungen als Allergien gedeutet und daraus weitere diätetische Maßnahmen abgeleitet, die die Essstörungen verschlimmern.

Die Knochendichte ist bei Anorexia nervosa schon frühzeitig erheblich vermindert.

Im Blutbild weisen etwa 34% der Patienten mit einer Anorexia nervosa eine Leukopenie auf. Deutliche Veränderungen des Blutbilds im Sinne von Thrombozytopenie oder Leukopenie bis hin zu Hämatokritveränderungen sind ein Gefahrenindikator, der eine Indikation für eine stationäre Behandlung darstellen kann.

Elektrolyte sind grundsätzlich und insbesondere bei Verdacht auf intensives Erbrechen engmaschig zu untersuchen, um einen Kaliummangel von < 3 mmol/l als Gefahrenindikator in Verbindung mit EKG-Veränderungen zu erkennen. Insbesondere bei Dehydratation kann das Kalium im Serum jedoch immer noch im Referenzbereich sein, obwohl das intrazelluläre Kalium bereits erheblich vermindert ist. Im Rahmen der Wiederernährung und zur Vermeidung eines Refeeding-Syndroms sollte auf eine Hypophosphatämie, Hypokaliämie und Hypomagnesiämie geachtet werden.

Praxis

Refeeding-Syndrom

Ein Refeeding-Syndrom äußert sich in Ödemen, neurologischer und kardiologischer Symptomatik bis hin zum akuten Herzversagen. Es tritt auf, wenn es im Rahmen der Wiederernährung zu Insulinausschüttung und Glukose-, Kalium-, Phosphat- und Magnesiumaufnahme in die Zellen kommt, sodass extrazellulär ein Kalium-, Phosphat- und Magnesiummangel entsteht. Dies ist insbesondere bei parenteraler Wiederernährung wichtig, da eine Hypophosphatämie dann häufiger auftritt. Allerdings besteht eine Gefahr auch nach zu hohem oralen Kohlehydratkonsum nach längerem Fasten, weshalb auch die Kalorienzahl für die orale Wiederernährung bei starkem Untergewicht langsam gesteigert werden muss.

Bei einer Blutglukosekonzentration von < als 60 mg/dl muss eine stationäre Behandlung erwogen werden. Beim Auftreten von Infektionskrankheiten oder Intoxikationen können lebensbedrohliche Hypoglykämien auftreten. Aufgrund der verminderten Muskelmasse befindet sich Kreatinin meist im niedrigen Referenzbereich. Eine chronische Hypokaliämie bei häufigem Erbrechen und Laxanzienmissbrauch kann in seltenen Fällen bis hin zum Nierenversagen durch eine hypokaliämische Nephropathie führen. Zum Ausschluss einer nicht mit einer Essstörung in Beziehung stehenden Schilddrüsenerkrankung wird die routinemäßige Bestimmung von TSH empfohlen, um eine Kachexie bei Hyperthyreose auszuschließen.


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Differenzialdiagnostik

Generell sind bei untergewichtigen Patienten die folgenden Erkrankungen auszuschließen:

  • Tumorerkrankung

  • endokrine Erkrankung (Diabetes, Hyperthyreose, Nebennierenrindeninsuffizienz)

  • gastrointestinale Erkrankung (Sprue, zystische Fibrose, Ösophagusstenose, chronische Okklusion der A. mesenterica superior, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa)

  • infektiöse Erkrankungen: Tuberkulose, Parasitosen, systemische Pilzerkrankungen, HIV

  • psychiatrische Erkrankungen mit Appetitminderung (Depression, Angst- und Zwangsstörungen, somatoforme Störungen, Schizophrenie)

  • Drogen- und Substanzmissbrauch

Auch wenn sich nur selten ein Bild ergibt, dass einer Essstörung ähnelt, sollten bei Patienten mit häufigem Erbrechen differenzialdiagnostisch eine Tumorerkrankung des Gehirns (insbesondere hypothalamische Tumoren), endokrinologische Erkrankungen sowie gastrointestinale Erkrankungen wie Magen- und Duodenalulzera, chronische Pankreatitis und Sklerodermie ausgeschlossen werden.


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Fallbeispiel Victoria – Diagnostik

Patientin Victoria (Name geändert) war bei Erstmanifestation einer restriktiven Anorexia nervosa 16;1 Jahre alt. Sie wurde bei ihrem ersten vollstationären Aufenthalt 4 Monate lang behandelt. Die stationäre Wiederaufnahme erfolgte 6 Monate nach Entlassung und dauerte 6 Monate. Initial wurde die Patientin aus einer internistischen Klinik verlegt, zum zweiten Behandlungsabschnitt kam sie freiwillig aus dem familiären Kontext bei erneuter Gewichtsabnahme.

Bei beiden Klinikaufenthalten zeigte die Patientin zu Beginn einen deutlich reduzierten Allgemeinzustand mit einer intermittierenden Sinusbradykardie. Zudem ließ sich ein kleinerer Perikarderguss in der Echokardiografie nachweisen. Laborchemisch fiel ein niedriges FT3 auf. Sie zeigte eine sekundäre Amenorrhö. In der körperlichen Untersuchung ergab sich ein altersentsprechender entwicklungsneurologischer Befund. In der allgemein-pädiatrischen Untersuchung ließen sich eine Akrozyanose, Cutis marmorata sowie Lanugobehaarung feststellen.

Victoria berichtet, dass sie 6 Monate vor Aufnahme begonnen habe abzunehmen, um eine Bikinifigur für den Sommer zu bekommen. Dabei habe sie Wert darauf gelegt, sich gesünder zu ernähren. Ihr Gewicht habe zu diesem Zeitpunkt 56 kg bei 1,73 m Körpergröße (BMI 17,3 kg/m²; 17. Altersperzentile) betragen, womit sie sich zu dick gefühlt habe. Zeitgleich habe sie begonnen, sich körperlich mehr zu bewegen. So habe sie Sit-ups gemacht, sei vermehrt Fahrrad gefahren und habe in der Tanz-AG in der Schule mitgewirkt. Sie habe zunehmend weniger gegessen, sodass sie bis zum Aufnahmezeitpunkt über einen Zeitraum von 6 Monaten insgesamt 18 kg an Gewicht verloren habe. Die Kalorienzahl pro Tag habe sie reduziert auf 500 kcal pro Tag. Dabei habe sie hochkalorische Lebensmittel vermieden. Seit 2 Monaten habe sie zudem eine chronische Obstipation entwickelt. Diese würde zurzeit mit einem Abführmittel behandelt werden.

Zum Aufnahmezeitpunkt in der kinder- und jugendpsychiatrischen Klinik wiegt Victoria 39,7 kg (BMI 13,2 kg/m², < 1. Altersperzentile). Sie gibt an, dass sich ihre Gedanken täglich um die Kalorienzufuhr sowie um ihr Gewicht drehen würden. Sie habe immer noch das Gefühl, dass sie zu dick sei. Sie habe deutliche Ängste, wieder an Gewicht zuzunehmen.

Bei der zweiten Aufnahme berichtet Victoria, dass sie sich nach Entlassung in psychotherapeutische Behandlung begeben habe, welche sie aber auf eigenen Wunsch beendet habe. Im Rahmen eines Urlaubs mit ihrem leiblichen Vater habe es vermehrt Konfliktsituationen gegeben und sie habe sich wieder zunehmend mit dem Thema Essen beschäftigt. Im Urlaub mit der Mutter und dem Bruder sei es ebenfalls zu Konflikten gekommen. Sie habe wieder begonnen, restriktiver zu essen mit ca. 1200 kcal pro Tag. Die Konflikte im familiären Rahmen hätten sich im Verlauf immer weiter zugespitzt, und in einer sich aufschaukelnden Spirale habe sich ihr Essverhalten weiter verschlechtert bis auf 250 kcal pro Tag. Zum Zeitpunkt der zweiten Aufnahme wiegt Victoria 43,1 kg (BMI 14,3 kg/m², < 1. Altersperzentile).

Als belastende Faktoren beschrieb Victoria bei beiden stationären Aufenthalten ein konfliktreiches Verhältnis zu ihren Eltern, insbesondere zu ihrem Vater. Die Eltern hätten sich 3 Jahre zuvor getrennt. Die Mutter habe damals recht zügig eine neue Beziehung begonnen, welche Victoria nicht akzeptieren wollte. Der Vater habe sich im Rahmen der Trennung zweimalig wegen eines Burn-outs psychiatrisch behandeln lassen müssen. Insgesamt schildert Victoria, dass sie bei ihren Eltern früh gelernt habe, Verantwortung zu übernehmen. So habe sie häufig im häuslichen Rahmen Aufgaben der Mutter übernommen sowie als Streitschlichter zwischen den Eltern agiert. Manchmal habe sie das Gefühl gehabt, dass sie mit dieser Rolle überfordert gewesen sei. Victoria besucht die gymnasiale Oberstufe mit exzellenten Leistungen. In der Intelligenzdiagnostik (Wechseler-Intelligenztest für Erwachsene, WIE) erzielte die Patientin einen Gesamt-IQ-Wert im oberen Durchschnittsbereich. Als jüngeres Kind habe sie öfter an Trennungsängsten gelitten.


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Therapie

Phasen der Therapie

Die Therapie der Anorexia nervosa gliedert sich in mehrere gestufte Phasen, die in dieser Reihenfolge durchgeführt werden sollten:

  1. Aufbau von Therapiemotivation, soweit möglich

  2. Gewichtsrestitution und Normalisierung des Essverhaltens

  3. Rückfallprophylaxe: Bearbeitung von Risiko- und ggf. „auslösenden“ Faktoren und/oder Konflikten, Aufbau alternativer Interessen, Persönlichkeitsentwicklung

Da eine Bearbeitung von „Ursachen“ für die Essstörung eine gewisse Neuroplastizität voraussetzt, kann diese effektiv meist erst nach zumindest teilweiser Normalisierung des Untergewichts erfolgen, wenn wieder ausreichend Nährstoffe für Anpassungsprozesse im Gehirn zur Verfügung stehen.

Merke

Unabhängig von auslösenden Faktoren entwickelt die Mager„sucht“ spätestens im Krankheitsverlauf eine Eigendynamik.

Deshalb müssen die PatientInnen – wie bei anderen Suchtformen auch – zunächst wieder erlernen, ein höheres Gewicht und mehr Nahrungsaufnahme zu tolerieren, bevor ein gesundes Essverhalten über das Entwickeln eigener Interessen, Wahrnehmung und Regulation von Emotionen, Genusstraining sowie sozialer Interaktion und Persönlichkeitsentwicklung abseits von Leistungsansprüchen stabilisiert werden kann. Insoweit ist die Psychotherapie bei stark untergewichtigen Patientinnen zu Beginn der Therapie geprägt von Beziehungsaufbau, Psychoedukation, Motivationsbildung und supportiver Therapie zur Compliance zum Stufenplan. Sukzessive erfolgt bei höherem Gewicht und je nach Aufnahmebereitschaft der Patientin mit ihr zusammen die Erarbeitung ihrer persönlichen Faktoren, die die Erkrankung auslösten, aufrechterhalten und auch in Zukunft Risikofaktoren darstellen. Es erfolgt der Aufbau alternativer Verhaltensweisen abseits der Beschäftigung mit Essen und Gewicht. Dies ist entscheidend dafür, dass ein erreichtes höheres Gewicht dauerhaft gehalten werden kann (Rückfallprophylaxe).


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Wirkfaktoren und Durchführung der Psychotherapie

Obwohl ausreichende empirische Evidenz fehlt, besteht Einigkeit aller Experten darüber, dass eine psychotherapeutische Behandlung der Anorexia nervosa unabdingbar ist.

Einzelne Ziele sind:

  • Wiederherstellen und Halten eines für Alter und Größe angemessenen Körpergewichts

  • Normalisierung des Essverhaltens

  • Behandlung körperlicher Folgen von Essverhalten und Untergewicht

  • Beeinflussung der dem Störungsbild zugrunde iegenden Schwierigkeiten auf emotionaler kognitiver und interpersoneller Ebene

  • Förderung der sozialen Integration, die oft mit einem Nachholen verpasster Entwicklungsschritte verbunden ist

Die meisten Behandlungsansätze berücksichtigen heute die folgenden Bereiche: Verhaltensprobleme im Hinblick auf fehlende Mahlzeitenstrukturen, Essrituale, selektive Nahrungsauswahl sowie kognitive Fehlannahmen der Patienten und psychodynamische Aspekte wie Selbstwert- und Körpererleben, Entwicklung der Geschlechtsidentität, Umgang mit Affekten, Regulation von Nähe und Distanz in Beziehung, Perfektionismus sowie die Familiendynamik. In der Regel ist ein multimodales Vorgehen angemessen, das zusätzlich auch psychoedukative Anteile und Ernährungsberatung beinhaltet. In vielen Fällen werden psychische Schwierigkeiten erst nach Besserung der körperlichen Situation zugänglicher. Es liegen erste Wirksamkeitshinweise sowohl für die kognitiv-behaviorale Therapie als auch für psychodynamische Therapieansätze und die Familientherapie vor. Auch eine multisystemische Behandlung ist möglich. Spezifische Therapiemethoden sind einem unspezifischen Vorgehen vorzuziehen. Eine Diätberatung alleine ist nicht ausreichend.


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Therapiemotivation und Verhaltenstherapie

Insbesondere schwer betroffene Kinder und Jugendliche mit einer Anorexia nervosa weisen zum Zeitpunkt der Behandlung nur eine geringe Eigenmotivation auf. Hier kommt die Bedeutung der Mager„sucht“ besonders zum Tragen. Die Anorexie kann identitätsstiftenden Charakter besitzen, und die PatientInnen sind nicht selten stolz auf ihre körperliche Erscheinung und ihr Gewicht. Hinzu kommen Schamgefühle zur Erkrankung und Gefühle geringer Selbstwirksamkeit sowie Selbstwertprobleme. Deshalb kommt der Therapiemotivation und der Gestaltung der therapeutischen Beziehung eine besondere Bedeutung zu.

Gerade bei Kindern und Jugendlichen ist die Einbeziehung der Eltern bzw. Sorgeberechtigten in den therapeutischen Prozess essenziell. Dabei ist es wichtig, dass der Therapeut als unparteiisch wahrgenommen wird. Der Therapeut sollte weder als Verbündeter der Eltern gegen das Kind noch als Verbündeter des Kindes gegen die Eltern auftreten und wahrgenommen werden. Zu Beginn der Behandlung werden Kinder- und Jugendliche nicht selten von den Sorgeberechtigten geschickt. Hier ist extrem wichtig, dass die Kinder bzw. Jugendlichen die Erfahrung machen, dass der Therapeut ihr gestörtes Essverhalten nachvollziehen kann und nicht verurteilt.

In der Verhaltenstherapie wird in der diagnostischen Phase großer Wert darauf gelegt, die PatientInnen über das weitere Vorgehen diagnostischer Erhebungen, Therapiestrategien und den Ablauf zu informieren. Über diese Psychoedukation wird versucht, eine tragfähige therapeutische Beziehung herzustellen. Zu diesem Ziel setzt der Therapeut im Erstgespräch Strategien ein, die der Entpathologisierung von Gedanken, Gefühlen oder Verhaltensweisen dienen, über die die Patienten in der Regel nur unter starken Scham- und Schuldgefühlen berichten.

Bei der Erarbeitung des Modells der Störung muss interaktiv und nicht direktiv vorgegangen werden. Die Patienten werden angeleitet, das Erklärungsmodell anhand von Beispielen, die die eigene Person betreffen, durchzuspielen. Sie sollen Zweifel und Fragen frei äußern und eigene emotionale Erfahrungen und Bedürfnisse berichten. Mögliche Einwände werden antizipiert und in das Erklärungsmodell integriert. Die Patienten sollen nach der Methode des geleiteten Entdeckens offene Fragen selbst beantworten. Dies gilt auch für die Ableitung des Veränderungsmodells, d. h. für den Therapievorschlag. Hierzu finden übliche Methoden der kognitiven Therapie Anwendung, z. B. Fragen, was spricht für bzw. gegen eine Gewichtszunahme.

Merke

Wichtig ist, dass sich die PatientIn nach Möglichkeit in ihren Bedürfnissen und ihrer Emotionalität verstanden und gesehen fühlt, und den Arzt/dieÄrtzin nicht als verlängerten Arm der Eltern zur Durchsetzung von Nahrungsaufnahme erlebt.

Zum Abschluss fasst der Therapeut die besprochenen lang- und kurzfristigen Vor- und Nachteile für oder gegen die Therapie noch einmal zusammen. Er greift Bedenken der PatientIn auf und zeigt Verständnis für emotionale Konsequenzen und Entscheidungen. Auf Basis der Spiegelung körperlicher und sozialer Einschränkungen durch die Erkrankung versucht der Therapeut soweit möglich eine Eigenmotivation der Patienten herzustellen. Dabei ist im Kindes- und Jugendalter die besondere Fürsorgepflicht der Eltern zu beachten, da eine Eigenmotivation der Patienten nicht immer zu erreichen ist. In dieser Hinsicht sind sehr klare Vereinbarungen und Grenzen, z. B. auch im Rahmen von ambulant schriftlich gefassten Therapievereinbarungen, notwendig, insbesondere bei fehlender Eigenmotivation und Krankheitseinsicht, z. B. bei starker Körperschemastörung, als Einstieg in die Therapie. Der Arzt bewegt sich im Spagat zwischen Verständnis für emotionale Konflikte und Probleme der Patienten bei gleichzeitig sehr klaren Vereinbarungen und auch Grenzsetzungen in Bezug auf das Essverhalten und die Gewichtsentwicklung.


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Psychodynamische/tiefenpsychologisch fundierte Therapie

Im Rahmen der psychodynamischen Therapie wird auf die wichtigen Übertragungsprozesse zwischen Therapeut und Patient fokussiert. Die therapeutische Haltung wird ein dynamisches Wechselspiel aus psychoedukativen und genuin psychotherapeutischen Behandlungsstrategien. Neben einer empathischen Solidarisierung mit den Patienten kann auch das Sprechen eines Machtworts im Sinne einer strukturierenden Maßnahme erforderlich sein. Der Therapeut kann die Hilfs-Ich-Funktion bei wichtigen Entscheidungsprozessen im Hier und Jetzt übernehmen.

Demgegenüber steht das Durcharbeiten repetitiver neurotischer, insbesondere interpersoneller Verhaltensmuster. Für die Lebensphase charakteristisch sind zumeist ein Autonomie-Abhängigkeits-Konflikt und die damit einhergehende ambivalente Beziehung zu Vater oder insbesondere Mutter. Diese Problematik findet sich in der Regel rasch in der therapeutischen Beziehung wieder und kann konstruktiv genutzt werden.

Durch das problematische Selbstwerterleben erscheint die ressourcenorientierte Psychotherapie ein wichtiger notwendiger Aspekt, sodass Fähigkeiten und bisher erbrachte Leistungen besonders hervorgehoben werden müssen. Hierzu bietet eine wohlwollende, die Ressourcen der Patientin fördernde Übertragungsbeziehung die Möglichkeit, positive Korrekturen im Selbstwerterleben zu machen.

Ein wichtiges weiteres Therapieelement psychodynamischer Behandlungsmethoden ist das Durcharbeiten der Symptombildung als Ausdruck der Wiederholung des Konfliktgeschehens in der therapeutischen Beziehung.


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Fallbeispiel Paula – Autonomiekonflikte bei Essstörungen

Paula (Name geändert) solidarisiert sich regelhaft mit ihrem Vater gegen ihre Mutter, die völlig verzweifelt um eine stationäre Aufnahme ersucht, da sie ständig in Konflikte mit ihrer Tochter in Bezug auf das Essen gerät. Die Mutter versucht, Paula zu kontrollieren, um Erbrechen zu vermeiden, sie ist schwer enttäuscht von ihrer Tochter, die sie belügt und Essen verschwinden lässt. Zuletzt kam es zu Handgreiflichkeiten, als die Mutter versuchte, Paula zum Essen zu zwingen. Der Familienalltag wird durch Paula kontrolliert und bestimmt, die durch ihr Nichtessen gegenüber den Eltern am längeren Hebel sitzt.

In der Therapie kommt es rasch dazu, dass Paula den Essensplan zunächst als persönlichen Machtkampf mit dem fallführenden Therapeuten und dem Pflege- und Erziehungsdienst ansieht. Sie ist zum Klinikaufenthalt nicht freiwillig bereit und wird von den Eltern familiengerichtlich auf der geschützten Station untergebracht. Zunächst verweigert Paula jegliche Nahrungsaufnahme. Sie versucht, ihren Vater dazu zu bewegen, sie aus der schrecklichen Klinik zu holen. Die behandelnde Therapeutin merkt, wie sie durch gewichtsmanipulierendes Verhalten und „Verweigerung“ der Patientin zunächst wütend wird, nimmt die Emotion wahr und reflektiert diese. Sie ist zwar sehr konsequent in ihrem Verhalten, um den Stufenplan zur Gewichtszunahme umzusetzen, zeigt sich aber im professionellen Kontakt weiter empathisch, freundlich und unterstützend, da sie die „Verweigerung“ der Erkrankung und nicht einer absichtlichen Entscheidung der Patientin zuschreibt. Sie benennt das Autonomiestreben der Patientin und lässt keinen persönlichen Machtkampf um die Gewichtszunahme entstehen. Sie supervidiert das Pflege- und Erziehungsteam dementsprechend.

Eine wichtige therapeutische Herausforderung besteht darin, den Autonomiekonflikt der Patientin zu erkennen und zu vermeiden, selbst in der unreflektierten Gegenübertragungsreaktion (d. h. den Gefühlen, die die Patientin durch ihr Verhalten beim Arzt auslöst) in einen Machtkampf zu geraten. Stattdessen ist hilfreich, in Bezug auf den gestuften Essensplan auf evidenzbasierte Standards zu verweisen („das müssen wir so machen“) und Schritt für Schritt ein Verständnis bei der Patientin für eigenständiges, selbstbestimmtes Handeln abseits des Essens zu entwickeln. Dazu werden Macht- und Autonomiekonflikte im Rahmen der Therapie entsprechend benannt und beleuchtet. Selbstwirksamkeit und Nichtessen werden entkoppelt. Eine angemessene Abgrenzung von den Eltern und Konfliktlösestrategien (anstelle von „Ich kontrolliere euch durch mein Nichtessen“) werden erarbeitet.

Die Übertragungsfokussierung wird begrenzt durch den Behandlungsvertrag, in dem klare Grenzen und Strukturen gebende Handlungselemente in Bezug auf ein zu definierendes Zielgewicht festzuhalten sind. Jeder Vertragsverstoß ist im Zusammenhang mit dem aktuellen psychodynamischen Konflikt zu thematisieren.


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Rolle der Angehörigen

Der Einbezug der Familie in die Therapie ist eine unabdingbare Voraussetzung. Zunächst werden wichtige Informationen, in der Regel im Beisein der Betroffenen gegeben in Hinblick auf:

  • Ursachen von Essstörungen,

  • aufrechterhaltende Bedingungen,

  • Prognose und zu erwartenden Verlauf,

  • körperliche Risiken und mögliche Folgeschäden,

  • adäquate Behandlungsmöglichkeiten,

  • individuelle Behandlungsplanung,

  • Methoden der Psychotherapie,

  • Risiken und Nebenwirkungen der Behandlung,

  • Empfehlung für den Umgang mit der Patientin.

Materialien werden hierzu u. a. durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter www.bzga-essstoerungen.de bereitgestellt.


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Ambulante Therapie

Die ambulante Behandlung der Anorexia nervosa sollte primär psychotherapeutisch erfolgen. Ergänzend sollte der niedergelassene Pädiater ein körperliches Monitoring durchführen. Das Hinzuziehen einer mit Anorexia nervosa erfahrenen Ernährungsberaterin kann sinnvoll sein. Vor Beginn der ambulanten Therapie sollten die Rahmenbedingungen mit der Patientin und den Sorgeberechtigten klar besprochen werden, insbesondere im Hinblick auf den Umgang mit Wiegeterminen, dem Vorgehen bei Gewichtsabnahme, Kontakten zum Hausarzt und der Einbeziehung der Familie. Die Wirksamkeit der ambulanten Psychotherapie sollte kontinuierlich anhand des Gewichtsmonitorings überprüft werden. Der niedergelassene Kinderarzt, der Psychotherapeut, Sozialarbeiter, Ernährungsberater und Familientherapeut sollten sich regelmäßig untereinander absprechen. Bei einer Verschlechterung oder stagnierenden Entwicklung sollte eine Kombination von Behandlungsmethoden im ambulanten Rahmen oder aber ein tagesklinischer oder stationärer Behandlungsabschnitt erwogen werden. Bis zum Erreichen des Sportgewichts (s. u.) sollten Eingrenzungen des Sportunterrichts und des Schulbesuchs erwogen werden. Nach Abschluss der stationären und wöchentlichen ambulanten Psychotherapie sollten in regelmäßigen Abständen für mindestens ein Jahr Folgetermine angeboten werden, die die Rezidivprophylaxe und die Aufrechterhaltung des Therapieergebnisses zum Ziel haben.


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Stationäre Therapie

Praxis

Kriterien für eine stationäre Behandlung

  • rapider oder anhaltender Gewichtsverlust (> 20% über 6 Monate)

  • gravierendes Untergewicht (unterhalb der 3. Altersperzentile)

  • fehlender Erfolg einer ambulanten Behandlung

  • soziale oder familiäre Einflussfaktoren, die den Therapieprozess stark behindern (z. B. soziale Isolation, problematische familiäre Situation, unzureichende soziale Unterstützung)

  • ausgeprägte psychische Komorbidität

  • körperliche Gefährdung oder Komplikationen

  • geringe Krankheitseinsicht

  • Überforderung im ambulanten Setting, da dies zu wenig strukturierte Vorgaben bieten kann (Mahlzeitenstruktur, Essensmengen, Rückmeldung zum Essverhalten, Motivationsbildung)

Die stationäre Behandlung sollte an Einrichtungen erfolgen, die ein spezialisiertes, multimodales Behandlungsprogramm anbieten können. Bei körperlich bedrohlichen Zuständen und fehlendem Einverständnis zur stationären Aufnahme ist der Einstieg in die Behandlung im Rahmen von Zwangsmaßnahmen mit geschlossener stationärer Unterbringung nach § 1631b BGB erforderlich. Hierzu stellen die Sorgeberechtigten einen entsprechenden Antrag beim Familiengericht. Das Familiengericht genehmigt die stationäre Behandlung, auch die Zwangsernährung, gegen den Willen der PatientIn.

Die Zwangsernährung kann durch verstärkte Aufsicht erfolgen, sowie bei völliger Verweigerung der Nahrungsaufnahme auch mit einer Magensonde. Auch in diesem Fall ist darauf zu achten, Zwangsmaßnahmen ausführlich zu begründen und sobald wie möglich die Zwangsernährung durch eine eigenständige Nahrungsaufnahme durch die Patienten wieder zu ersetzen. Jede Form von Zwangsmaßnahmen muss dem Ausmaß der körperlichen Bedrohung in angemessenem Umfang gegenüber stehen. Während der Therapie berücksichtigt der Therapeut in seiner Gesprächsführung die ambivalente Änderungsmotivation der PatientIn, die zwar gerne die körperlichen Schwierigkeiten mit dem Untergewicht loswerden, aber nicht vom Körperschema her zunehmen möchte.

Je nach den Fortschritten der Patientin auf einem Stufenplan ([Abb. 1]) wird eine Zunahme von Freiheiten und Vergünstigungen im Stationsalltag von der Erfüllung von Gewichtszielen abhängig gemacht. Der Therapeut sollte vermeiden, in die Rolle einer sanktionierenden Erziehungsperson zu rutschen, um mit erhobenem Zeigfinger darüber zu wachen, dass die PatientIn der Nahrungsaufnahme folgt. Nach Möglichkeit gibt der Therapeut die Verantwortung für die Veränderung an die Patienten zurück und vermeidet auf diese Weise die Ausbildung von Widerstand. Das heißt, je stärker der Therapeut versuchen würde, die Patientin davon zu überzeugen, dass sie doch zunehmen solle, umso stärker würde die Patientin argumentativ im Sinne eines Bumerang-Effekts ihre eigene Position verteidigen.

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Abb. 1 Stufenplan bei stationärer Behandlung.
Praxis

Beispiel für einen Stufenplan bei stationärer Behandlung

Aufnahmegewicht 38,9 kg bei 1,61 m (BMI 15). Beginn mit 1400 kcal/Tag, später schrittweise Erhöhung der Kalorienzahl bis auf 2400 kcal/Tag.

  • Phase I:

    • Stufe 1: 39 kg – alle Mahlzeiten gerichtetes Essen, 60 min Ruhezeit nach allen Mahlzeiten, 15 min Ausgang/Tag mit Erwachsenen

    • Stufe 2: 39,5 kg – zusätzlich Beschulung auf Station eingeführt

    • Stufe 3: 40 kg – eine Aktion nach Wunsch der PatientIn

  • Phase II:

    • Stufe 4: 40,5 kg – 15 min Ausgang mit Jugendlichen, 30 min Ausgang mit Erwachsenen

    • Stufe 5: 41 kg – 2 h Beschulung in der Klinikschule, 1 Zwischenmahlzeit freies Essen

    • Stufe 6: 41,5 kg – Ruhezeit auf 45 min nach Zwischenmahlzeiten reduziert, 60 min Ausgang mit Erwachsenen, zweimal 15 min Ausgang mit Jugendlichen

    • Stufe 7: 42 kg – Aktion nach Wunsch der PatientIn, 2 Zwischenmahlzeiten freies Essen, Ruhezeit nach Zwischenmahlzeiten auf 30 min reduziert

  • Phase III:

    • Stufe 8: 42,5 kg – 3 h Beschulung in der Klinikschule, Erwachsenenausgang zeitlich unbegrenzt, 15 min Alleinausgang

    • Stufe 9: 43 kg (Sportgewicht) – Sport kann wieder durchgeführt werden, Frühstück freies Essen, 30 min Ruhezeit nach allen Mahlzeiten, 30 min Ausgang mit Jugendlichen

    • Stufe 10: 43,5 kg – Aktion nach Wunsch der PatientIn, alle Zwischenmahlzeiten freies Essen, zweimal 30 min Ausgang mit Jugendlichen

  • Phase IV:

    • Stufe 11: 44 kg – 4 h Beschulung in der Klinik- oder Heimatschule, 30 min Alleinausgang

    • Stufe 12: 44,5 kg – Abendessen freies Essen, 30 min Ruhezeit nur noch nach den Hauptmahlzeiten

    • Stufe 13: 45 kg – Aktion nach Wunsch der PatientIn, 60 min Ausgang mit Jugendlichen

  • Phase V:

    • Stufe 14: 45,5 kg – Klinik- oder Heimatschule bis zum Mittagessen, zweimal 30 min Alleinausgang

    • Stufe 15: 46 kg – keine Ruhezeiten mehr, Mittagessen freies Essen

    • Stufe 16: 46,5 kg – Aktion nach Wunsch der PatientIn, 2 Wochen Gewicht bei freiem Essen halten, Ausgang mit Jugendlichen unbegrenzt, danach Entlassung (Zielgewicht 25. Altersperzentile – niedrigere Zielgewichte führen zur erhöhtem Rückfallrisiko)

Kontakte zu den Eltern/Bezugspersonen sollten nach Möglichkeit unabhängig vom Stufenplan geplant werden, da der Einbezug der Familie in die Therapie einen wichtigen Wirkfaktor darstellt. Aktivitäten, Reduktion von Ruhezeiten, mehr Ausgang und Freiheiten beim Essen stellen dagegen häufig sehr geeignete Verstärker (Belohnungen) dar, die jedoch individuell nach Wirksamkeit für die PatientInnen angepasst werden. Der obenstehende Stufenplan dient lediglich als Beispiel zur Illustration, andere Gestaltungen sind möglich. Das Aufteilen der Gewichtszunahme in überschaubare Zwischenziele reduziert Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung („Das schaffe ich nie“) gerade zu Beginn der Behandlung.

Cave

Vorsicht ist bei komorbider depressiver Symptomatik geboten, da dann der belohnende Effekt von Aktivitäten und Ausgang überprüft werden muss.

Welche Gewichtszunahme ist zu erwarten? Im ambulanten Rahmen nahmen Patienten mit Anorexia nervosa bei einem Ausgangs-BMI von 15,6 durchschnittlich pro Woche um 260 g bei 1,65 m Körpergröße zu. Bei stationärer Behandlung waren dies 530 g pro Woche bei einem Anfangs-BMI von 14,6 (S3-Leitlinie Essstörungen).

Therapeutische Aufgaben wie die Exposition gegenüber der eigenen Figur oder ein veränderter Essensstil werden sukzessive eingeführt. Diese therapeutischen Aufgaben werden als Verhaltensexperiment eingeführt, indem die Patienten angehalten werden, selbst herauszufinden, wie sie mit ihrem Verhalten ihre Gefühle verändern können. Wichtig ist, dass der Therapeut das Konzept der Selbstverantwortung für den Therapieerfolg als Haltung verinnerlicht und authentisch vermitteln kann. Die Übergabe der Verantwortung an die Patientin erfolgt schrittweise und dosiert, im Extremfall von einer Zwangseinweisung mit Ernährung mit Magensonde über den Stufenplan bis hin zum völlig freien Essen. Aufgrund der Häufigkeit von Autonomiekonflikten bei Essstörungen ist auch in der Arzt-Patienten-Beziehung ein umsichtiger Umgang mit Macht und Verantwortung notwendig.


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Krankheits- und Behandlungsverlauf

Der Verlauf der Erkrankung erstreckt sich in der Regel über mehrere Jahre und ist sehr variabel. Die mittlere Dauer bis zu einer Remission betrug in einer Studie [10] durchschnittlich sechs Jahre. In einer Übersichtsarbeit [11] finden sich Heilungsraten von knapp 50%. 30% der Patienten besserten sich, wiesen aber noch eine Restsymptomatik auf, dagegen kam es bei 20% zu einem chronischen Verlauf.

Je länger die Katamnese-Zeiträume waren, desto mehr remittierte Patientinnen fanden sich. Nach zehn Jahren waren dies 73%. Desto höher lag allerdings auch die Sterberate. Die Sterberate ist in der Regel auf medizinische Komplikationen und Suizide zurückzuführen. Die Prognose von jungen PatientInnen hat sich in den letzten zwei Dekaden deutlich verbessert und scheint in den meisten Fällen günstiger zu sein als bei erwachsenen. In jüngeren 10-Jahres-Katamnesen [12] fanden sich bei Nachuntersuchungen im Jugendalter erstmals stationär behandelter Patienten keine Todesfälle mehr.

Merke

Da der Heilungsprozess in der Regel einen Zeitraum von vielen Monaten, wenn nicht Jahren umfasst, macht er einen Gesamtbehandlungsplan erforderlich, bei dem das stationäre, teilstationäre bzw. tagesklinische und ambulante Setting ineinander verzahnt agieren.

Die Patientinnen sollen grundsätzlich frühzeitig behandelt werden, um die akute Symptomatik zu behandeln und eine Chronifizierung zu vermeiden. Trotz intensiver therapeutischer Bemühungen weist die Mehrzahl der PatientInnen nach einer stationären Behandlung zumindest noch Restsymptome der Erkrankung auf, was eine gute Nachsorge und Rückfallprophylaxe erforderlich macht. Eine entsprechende Vernetzung der Therapeuten ist zur Sicherstellung der therapeutischen Kontinuität erforderlich. Die Behandlung soll störungsorientiert sein und körperliche Aspekte der Erkrankung berücksichtigen.

Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen sollte die Vermittlung in eine spezialisierte therapeutische Wohngruppe nach § 35a SGB VIII (Eingliederungshilfe bei seelischen Behinderungen) erwogen werden, wenn die Unterstützung in der häuslichen Situation nicht ausreichend oder gesundheitsfördernd ist. Eine Wohngruppe sollte auch in Betracht gezogen werden, wenn eine chronifizierte Essstörung vorliegt, die zur sozialen Isolation führt oder bei der Probleme in der Bewältigung der Entwicklungsaufgaben bestehen.


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Fallbeispiel Victoria – Therapie

Die Behandlung erfolgte in einem multimodalen Behandlungskonzept mit einem verhaltenstherapeutischen Stufenplan zur Gewichtsrestitution, der Teilnahme an Ergo- sowie Körpertherapie im Einzel- und Gruppensetting, zweimal pro Woche einzelpsychotherapeutischen Terminen, Ernährungsberatung, Kochgruppe, „Mensa-Gruppe“ zur Einübung des Essens auswärts sowie alle 14 Tage familientherapeutischen Sitzungen mit der Patientin und ihren Eltern sowie einer 14-tägigen Elterngruppe.

Zu Beginn der Behandlung wurde mit der Patientin ein Zielgewicht vereinbart. Anhand dieses Zielgewichts wurde ein verhaltenstherapeutisch orientierter Stufenplan entwickelt mit Gewichtszunahmen von 0,5 kg/Woche. Bei vor der Aufnahme deutlich restriktivem Essverhalten von maximal 500 kcal/Tag wurde die Ernährung zunächst mit 700 kcal/Tag wieder begonnen und im Verlauf bis zu 2400 kcal/Tag in 200-kcal-Schritten erhöht. Dies erfolgte unter regelmäßigen laborchemischen Kontrollen. Es zeigten sich vereinzelnd Auffälligkeiten in den Transaminasen sowie im Phosphat, dies jedoch nur zu Beginn der Behandlung.

Zu Beginn erfolgte eine engmaschige Betreuung durch den Pflege- und Erziehungsdienst mit vorgerichteten Speisen und festem Essensplan. Des Weiteren wurden nach den Mahlzeiten Ruhezeiten von 1 Stunde festgelegt. Es erfolgten 3 Hauptmahlzeiten und 3 Nebenmahlzeiten. Einmal pro Woche wurde die Patientin durch eine Ökotrophologin beraten. Mit zunehmender Gewichtsentwicklung wurden vermehrt Mahlzeiten frei gegessen, sodass die Patientin eigenständig ihre Teller vorbereitete. Zudem wurde mit steigendem Gewicht die Autonomie der Patientin zunehmend unterstützt und so die Eigenverantwortung dargestellt. Die Gewichtskontrollen wurden anfänglich täglich durchgeführt, im Verlauf nur noch einmal pro Woche. Zum Ende des stationären Aufenthalts waren alle Mahlzeiten für die Patientin frei zusammenstellbar. Sie besuchte die Heimatschule. Eine teilstationäre Phase erleichterte den Übergang ins häusliche Umfeld.

Im Verlauf der Gewichtsrehabilitation zeigten sich immer wieder Anspannungsmomente mit vermehrtem Bewegungsdrang nach den Mahlzeiten. Im Bereich des Körperbilds zeigte sie Unsicherheiten mit Ängsten vor einer nicht zu stoppenden Gewichtszunahme. Zudem berichtete die Patientin über das Gefühl, dass ihr Körper bereits völlig unförmig sei und sie sehr darunter leide. Es kam zur Gewichtsmanipulation mit „Auftrinken“. Immer wieder berichtete die Patientin von ihrer Angst und Ambivalenzen, die Erkrankung loszulassen Sie empfand deutliche Vorteile durch die Erkrankung, die ihr völlige Kontrolle über sich und Sicherheit gab.

Bei Entlassung nach dem ersten Behandlungsabschnitt gab Victoria an, dass sie keine Schwierigkeiten mehr habe mit ihrer Erkrankung und dass sie nun gut vorbereitet sei. Zum Zeitpunkt des zweiten Erkrankungsgipfels berichtet die Patientin, dass sie auch nach der ersten Behandlung weiterhin täglich an die Kalorien und das Gewicht gedacht habe. Dies habe sie zunächst aushalten können, sie sei jedoch eingebrochen, nachdem sie wieder vermehrt Konflikte im häuslichen Umfeld erlebt habe. Danach sei sie wieder in alte Verhaltensmuster zurückgefallen.

In Bezug auf ihr inneres Erleben berichtete Victoria von einer inneren Distanziertheit und Kühle zu ihren Emotionen. Im Verlauf der Gewichtssteigerung kam es vermehrt zu emotionalen Einbrüchen und es zeigten sich vermehrt depressive Anteile sowie wütende Affekte. Diese konnte sie nur schwer aushalten. In diesem Rahmen beschrieb sie ebenfalls ihre Ängste und Überforderungsbefühle, erwachsen und zur Frau zu werden. Zum einen wisse sie, dass sie bereits seit Längerem viele Aufgaben übernehmen würde und auch könne. Allerdings wünschte sie sich manchmal wieder, ein Kind zu sein und die Verantwortung abgeben zu können an die Eltern.

Hinsichtlich ihrer Eltern zeigte Victoria deutlich wütende und enttäuschte Affekte bezüglich der Trennung sowie des Wegganges des Vaters. Victoria hing sehr am Bild einer heilen Familie mit ihr als Kind, und schwankte zwischen einer großen Nähe und Anhänglichkeit sowie Konflikten mit ihrer Mutter. Victoria musste lernen, von den kindlichen Versorgungswünschen Abstand zu nehmen, ihre Konflikte mit den Eltern in reifer Weise anstelle über das Essverhalten auszutragen und ihre negativen Gefühle dabei auszuhalten. Sie konnte für sich annehmen, dass ihr restriktives Essverhalten unter anderem dazu diente, eigene Versorgungswünsche, negative Gefühle und die eigentlichen Konflikte mit ihren Eltern abzuwehren und zu kontrollieren. Daneben konnte sie erkennen, dass sie die Erkrankung im Sinne einer Sucht zunehmend im Griff hatte und einen schlechten Ersatz für ihr eigentliches Leben darstellte. Die Gewichtsphobie besserte sich allerdings erst, als Victoria ein entsprechendes Gewicht im Sinne einer Expositionstherapie (Konfrontation und Gewöhnung) über einen ausreichend langen Zeitraum halten konnte.

Zusammenfassend zeigte sich eine Scheinautonomie mit Übernahme von elterlichen Aufgaben, vor dem Hintergrund eines nicht ausreichend gelösten Autonomie-Versorgungs-Konflikts. Im Bereich des Selbstwerts erzeugte die beschriebene Essproblematik eine deutliche Selbstwertstabilisierung und ein Gefühl, die Kontrolle über ihren Körper und ihre Emotionen zu haben.

Katamnese: Nach der zweiten stationären Behandlung begab sich die Patientin in eine ambulante tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Sie erreichte das Abitur und erfuhr keine erneute Gewichtsentgleisung. Die Psychotherapie wurde für insgesamt 3 Jahre fortgesetzt. Nach dem zweiten stationären Behandlungsabschnitt zog die Patientin von zu Hause aus in eine eigene Wohnung mit unterstützenden ambulanten Jugendhilfemaßnahmen. Es kam vereinzelt zu Gewichtsschwankungen, jedoch ohne erneute stationäre Behandlungsbedürftigkeit. Nach abgeschlossenem Abitur folgte ein 6-monatiges Praktikum in einer sozialen Einrichtung. Danach begann die Patientin das Studium der Humanmedizin und zeigt zum aktuellen Zeitpunkt (22 Jahre) eine normale Gewichtsentwicklung. Aktuell sind keine psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungen mehr notwendig.

Fazit

Ziel der Behandlung sind eine Normalisierung des Körpergewichts und des Essverhaltens sowie die Bewältigung der psychischen Schwierigkeiten. Niedergelassenen pädiatrischen Kollegen kommt eine wichtige Rolle bei der Ersterkennung und der begleitenden körperlichen Betreuung der PatientInnen mit Anorexia nervosa zu. Sie sollen Betroffene dazu motivieren, eine psychotherapeutische Behandlung aufzunehmen und sie von medizinischer Seite, z. B. im Rahmen von regelmäßigen Gewichtskontrollen, unterstützen.


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Bulimia nervosa

Bei der Bulimia nervosa besteht eine andauernde Beschäftigung mit Essen bei einem häufig geringen Selbstwertgefühl, wobei Figur und Körpergewicht einen übermäßigen Einfluss auf die Selbstbewertung haben. Es kommt häufig mehrmals in der Woche zu Essattacken, bei denen die PatientIn in einem Impulsdurchbruch dem Heißhunger nach Nahrungsmitteln erliegt und erst nach dem Konsum allen vorhandenen oder einer sehr großen Menge Essens wieder aufhören kann. Aufgrund der Befürchtung einer Gewichtszunahme kommt es anschließend zu gegenregulierenden Maßnahmen, insbesondere zu selbstinduziertem Erbrechen. Auch Abführmittel, Diuretika und Appetitzügler können zum Einsatz kommen. Es zeigt sich ein unregelmäßiges Essverhalten, häufig mit Diäten oder Fasten. Allerdings werden Fasten und Diäten im Gegensatz zur Anorexia nervosa nicht durchgehalten, sondern wechseln sich mit Essattacken und erhöhter Nahrungsaufnahme ab. Die Stimmungslage ist häufig depressiv gefärbt. Die Komorbidität mit affektiven Störungen und Persönlichkeitsstörungen ist hoch.

Praxis

Anamnese bei Verdacht auf Bulimia nervosa

Zur Anamneseerhebung sollten entsprechend dem Konsensus von Experten die folgenden Bereiche besondere Berücksichtigung finden:

  • familiäre Vorgeschichte von Essstörungen

  • essensbezogene Verhaltensweisen in der Familie

  • biografische Vorgeschichte von emotionaler Vernachlässigung

  • körperliche oder sexuelle Gewalterfahrung

  • Selbstwertentwicklung

  • Probleme mit der Impulskontrolle

  • Diätverhalten

  • exzessive Beschäftigung mit dem eigenen Körper

Bei häufigem Erbrechen sollte die Kontrolle des Kaliumspiegels wie bei der Anorexia nervosa vom Purging-Typ angemessene Beachtung erfahren.

Die Behandlung der Bulimia nervosa sollte möglichst frühzeitig beginnen, um einer Chronifizierung vorzubeugen. Als Therapie der ersten Wahl wird die kognitive Verhaltenstherapie empfohlen, da diese die meisten Wirksamkeitsnachweise erbracht hat. Aber auch andere Verfahren wie die interpersonelle Therapie und psychodynamische Therapien sind wirksam. Es werden kognitive und behaviorale Methoden angewandt, um die Häufigkeit von Essattacken und kompensatorischen Maßnahmen zu reduzieren und schließlich ganz zu verhindern. Dabei spielt initial eine Stimuluskontrolle, das heißt, die Verfügbarkeit einer großen Menge von Lebensmitteln eine Rolle, später dann die Exposition, das heißt die Konfrontation mit Lebensmitteln, aber ohne Konsum.

Die Therapie bewegt sich dabei im Rahmen bekannter Maßnahmen für Suchterkrankungen und Impulskontrollstörungen. Dazu wird an verzerrten Einstellungen zu Gewicht und Figur gearbeitet. Zur Rückfallprophylaxe wichtig ist, dass auch der Selbstwert der PatientInnen unabhängig vom körperlichen Erscheinungsbild in den Fokus kommt und eine alternative Persönlichkeitsentwicklung abseits der Beschäftigung mit Essen möglich wird. Sekundäre Probleme wie Konflikte durch Diebstähle, um sich Essen zu beschaffen, müssen gegebenenfalls beachtet werden. In der psychodynamischen Therapie liegt der Schwerpunkt auf der Bearbeitung von zentralen Konflikten und Bedürfnissen, dysfunktionalen interpersonellen Beziehungsmustern und dem Selbstwerterleben sowie der Affektregulation – hier wird im Therapieverlauf der Bezug von Affektregulation und Essverhalten dargestellt.

Die Psychotherapie ist wirksamer als die alleinige medikamentöse Therapie. Hierzu können Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und insbesondere Fluoxetin in höheren Dosierungen als zur antidepressiven Therapie unterstützend zur Reduktion von Ess-Brech-Attacken bei Kindern und Jugendlichen außerhalb der Zulassung eingesetzt werden. Bei Fluoxetin liegt die wirksame Dosis im Bereich um 60 mg und damit höher als zur Behandlung einer majordepressiven Episode. Um die Wirksamkeit eines Behandlungsversuchs zuverlässig beurteilen zu können, sollte dieser mindestens über vier Wochen durchgeführt werden.


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Binge-Eating-Störung (BES)

Bei der Binge-Eating-Störung kommt es wie bei der Bulimia nervosa zum Kontrollverlust und zur Aufnahme einer Menge an Nahrungsmitteln innerhalb kurzer Zeit, die größer ist als die Menge, die die meisten Menschen zu sich nehmen würden. Allerdings fehlen hier die gegenregulatorischen Maßnahmen zur Vermeidung der Gewichtszunahme. Die Ernährungsgewohnheiten sind häufig chaotisch mit einer Tendenz zum Überessen. Es besteht ein deutlicher Leidensdruck, und negative emotionale Reize können die Essattacken auslösen. Menschen mit Binge-Eating-Störung sind häufig adipös, jedoch hat sich gezeigt, dass die Adipositas nicht immer zurückgeht, auch wenn die psychische Störung mit Essattacken erfolgreich behandelt werden kann, da die Nahrungszufuhr auch zwischen den Essattacken zu groß ist.

Bei PatientInnen mit BES besteht der vordringliche Behandlungswunsch meist in einer Therapie der Adipositas, das heißt, einer Gewichtsreduktion. Weitere Behandlungsziele sollten daneben die Reduktion von Essattacken, die Selbstwert- und Affektregulationsproblematik sowie die Behandlung bestehender komorbider Störungen und eine Rückfallprophylaxe darstellen. Als Therapie der ersten Wahl wird die kognitive Verhaltenstherapie empfohlen, SSRI und SNRI sind daneben zur Reduktion von Essattacken effektiv, jedoch für Kinder und Jugendliche für diese Indikation nicht zugelassen.


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Kernaussagen
  • Bei durch somatische Ursachen nicht ausreichend erklärtem Untergewicht (bei Kindern und Jugendlichen definiert anhand der Perzentilenkurven) muss eine Anorexia nervosa abgeklärt werden. Es bestehen eine Körperschemastörung und eine Gewichtsphobie.

  • Die Anorexia nervosa stellt eine gefährliche, schwerwiegende und langwierige Erkrankung dar.

  • Die erste Phase der Therapie ist gekennzeichnet durch eine Gewichtsrestitution im Rahmen eines verhaltenstherapeutischen Stufenplans.

  • Ein dauerhaft normalisiertes Essverhalten und Gewicht können nur gewährleistet werden, wenn zur Rückfallprophylaxe weitere Maßnahmen erfolgen. Diese können im Rahmen einer psychodynamischen kognitiven Verhaltens- oder Familientherapie erfolgen.

  • Der Schwerpunkt der Behandlung liegt auf der Psychotherapie und der Vermeidung körperlicher Komplikationen durch die Unterernährung.

Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen

Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Prof. Dr. med. Stephan Bender, Köln.


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Autorinnen/Autoren

Stephan Bender

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Prof. Dr. med. Licenciado en psicología. Studium der Humanmedizin, Facharztweiterbildung Kinder- u. Jugendpsychiatrie sowie -psychotherapie an der Universität Heidelberg. Psychologiestudium an der nationalen spanischen Fernuniversität (UNED). Danach ltd. Oberarzt an der Universität Frankfurt am Main und W2-Professor für Klinische Neurophysiologie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie TU Dresden. Aktuell Lehrstuhlinhaber und Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- u. Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und -psychotherapie, Universitätsklinik Köln.

Carola Bartels-Dickescheid

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Dr. med., studierte Humanmedizin und parallel Pädagogik an der Philipps-Universität Marburg, wo sie über die 7-Jahreskatamnese ehemaliger Anorexiepatienten promovierte. Seit 1998 arbeitet sie an der Uniklinik Köln, wo sie ihre Facharztausbildung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie abschloss und als Oberärztin tätig ist. Sie baute an der Klinik ein differenziertes Versorgungssystem für essgestörte Patienten auf mit einer Spezialambulanz, einer kooperierenden spezialisierten Wohngruppe und spezialisierten Station.

Axel Meinhardt

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Dr. med., studierte Humanmedizin an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Facharztweiterbildung an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universität Köln. Seit 2017 Oberarzt, Leitung u. a. der auf Essstörungen spezialisierten Psychotherapiestation. Seit 2012 Weiterbildung zur Zusatzqualifikation Psychoanalyse am Institut für analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie e.V. (IPR-AKJP). Klinische Schwerpunkte: psychiatrische/psychotherapeutische Behandlung von psychosomatischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter sowie von Entwicklungsstörungen im Kleinkindalter.

Interessenkonflikt

S. Bender: Advisory Board Roche, Unterstützung für Symposien durch Medice, Shire, Actelion. C. Bartels-Dickescheid: keine Interessenkonflikte.

  • Literatur

  • 1 DGPM, DKPM, DÄVT, DGKJP, DGPPN, DGPs, DGVM. S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Essstörungen; 2011.
  • 2 Hoek HW, van Harten PN, Hermans KM. et al. The incidence of anorexia nervosa on Curacao. Am J Psychiatry 2005; 162: 748-752 doi:10.1176/appi.ajp.162.4.748
  • 3 Herpertz-Dahlmann B, Hagenah U, Vloet T. et al. [Adolescent eating disorders]. Prax Kinderpsychol Kinderpsychiatr 2005; 54: 248-267
  • 4 American Psychiatric Association. Diagnostic and statistical Manual of mental Disorders. 5th ed. American Psychiatric Association Publishing; 2013
  • 5 World Health Organization (WHO). International Classification of Diseases (ICD). 10th ed. Genf: WHO; 2016
  • 6 Hilbert A. Eating Disorder Examination-Questionaire für Kinder. 2. Aufl.. Tübingen: dgvt; 2016
  • 7 Salbach-Andrae H, Schneider N, Burger A. et al. [Psychometric properties of the Eating Disorder Inventory (EDI-2) in adolescents]. Z Kinder Jugendpsychiatr Psychother 2010; 38: 219-228 doi:10.1024/1422-4917/a000035
  • 8 Fichter MM, Herpertz S, Quadflieg N. et al. Structured Interview for Anorexic and Bulimic disorders for DSM-IV and ICD-10: updated (third) revision. Int J Eat Disord 1998; 24: 227-249
  • 9 Fichter MM, Quadflieg N. Comparing self- and expert rating: a self-report screening version (SIAB-S) of the structured interview for anorexic and bulimic syndromes for DSM-IV and ICD-10 (SIAB-EX). Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci 2000; 250: 175-185
  • 10 Herzog W, Schellberg D, Deter HC. First recovery in anorexia nervosa patients in the long-term course: a discrete-time survival analysis. J Consult Clin Psychol 1997; 65: 169-177
  • 11 Steinhausen HC. The outcome of anorexia nervosa in the 20th century. Am J Psychiatry 2002; 159: 1284-1293 doi:10.1176/appi.ajp.159.8.1284
  • 12 Herpertz-Dahlmann B, Muller B, Herpertz S. et al. Prospective 10-year follow-up in adolescent anorexia nervosa-course, outcome, psychiatric comorbidity, and psychosocial adaptation. J Child Psychol Psychiatry 2001; 42: 603-612

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Stephan Bender
Universitätsklinik Köln
Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und -psychotherapie
Robert-Koch-Straße 10
50931 Köln

  • Literatur

  • 1 DGPM, DKPM, DÄVT, DGKJP, DGPPN, DGPs, DGVM. S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Essstörungen; 2011.
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Abb. 1 Stufenplan bei stationärer Behandlung.