Drug Res (Stuttg) 2017; 67(S 01): S18
DOI: 10.1055/s-0043-116533
Symposium der Paul-Martini-Stiftung
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Epigenetische Prozesse bei Suchtentwicklung

Helge Frieling
Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Hannover
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Helge Frieling
Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Straße 1
30625 Hannover

Publication History

Publication Date:
25 October 2017 (online)

 

    Suchterkrankungen sind multifaktoriell verursachte Störungsbilder, bei denen neben psychologischen und sozialen Einflüssen auch wesentliche neurobiologische Mechanismen ursächlich sind. Den sogenannten epigenetischen Mechanismen, wie der Beeinflussung der Chromatinstruktur und der Methylierung der DNA, kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da durch sie auf molekularer Ebene Umwelteinflüsse integriert und gespeichert werden können und dadurch eine direkte Beeinflussung der Regulation genetischer Netzwerke stattfinden kann. Für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Abhängigkeitserkrankungen sind dabei verschiedene neuronale Regelkreise von großem Interesse, vor allem das Belohnungssystem, das eng mit der zerebralen Energieregulation und der Stressachse verbunden ist. In den letzten 15 Jahren konnten wir zeigen, dass epigenetische Mechanismen an der Regulation dieser neuronalen Systeme beteiligt sind und dass sowohl stoffgebundene als auch stoff-unabhängige Abhängigkeitserkrankungen mit Störungen dieser epigenetischen Regulation einhergehen.

    So konnte beispielsweise für verschiedene Suchterkrankungen (Tabakabhängigkeit, Alkoholabhängigkeit, pathologisches Spielen) gezeigt werden, dass sich die Methylierungsmuster in der Promotorregion des Dopamin-2-Rezeptor-Gens signifikant von gesunden Kontrollen unterscheiden. Weitere Untersuchungen belegen die Bedeutung von Genen der Appetitregulation wie POMC und Leptin, aber auch Gene aus dem Alkoholstoffwechsel wie die Acetaldehyddehydrogenase-2 können (fehl-)reguliert werden. Dabei zeigt sich eine komplexe Interaktion zwischen genetischen Faktoren einerseits und Umweltbedingungen andererseits, die sich in der Veränderung der epigenetischen Regulation zahlreicher Gene niederschlagen kann.

    Diese und andere Ergebnisse deuten darauf hin, dass epigenetische Mechanismen eine Rolle in der Entstehung und in der Aufrechterhaltung süchtiger Verhaltensweisen zukommt. Diese Forschungsergebnisse könnten helfen, sowohl für die Prävention wie auch für die Therapie spezifische Biomarker zu entwickeln und so eine individualisierte Behandlung von Suchterkrankungen möglich zu machen.


    #

    Prof. Dr. med. Helge Frieling

    Zoom Image

    Interessenkonflikte

    Keine

    Korrespondenzadresse

    Prof. Dr. med. Helge Frieling
    Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie
    Medizinische Hochschule Hannover
    Carl-Neuberg-Straße 1
    30625 Hannover

    Zoom Image