Z Gastroenterol 2017; 55(08): 739-740
DOI: 10.1055/s-0043-116747
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prof. Dr. med. Markus M. Lerch

Kongresspräsident der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten 2017:
Arzt, Wissenschaftler und Homo politicus
Frank Lammert
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Publication Date:
10 August 2017 (online)

Es ist mir eine besondere Freude und eine Ehre, Herrn Prof. Dr. med. Markus M. Lerch als diesjährigen Kongresspräsidenten der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) vorzustellen. Ich bin sicher, dass er –zusammen mit Dr. A. Lütke und Prof. Dr. A. Stier – eine perfekte Jahrestagung in Dresden ausrichten wird, die die Leistungsfähigkeit und die Attraktivität der Viszeralmedizin in Klinik und Praxis umfassend widerspiegelt.

Markus Lerch wurde ebenso wie ich – aber acht Jahre früher – im Rheinland geboren. In Andernach besuchte er eine der ältesten Schulen in Deutschland, das 1573 begründete Kurfürst-Salentin-Gymnasium. Möglicherweise weckte der Genius loci das besondere Interesse von Markus Lerch an der Geschichte, dass ihn einerseits bewegte, nach dem Abitur 1976 zunächst Kunstgeschichte und Philosophie zu studieren und andererseits – zusammen mit unserem Kollegen Dr. H. Jenss und unabhängigen Historikern – die hundertjährige Geschichte unserer Fachgesellschaft, insbesondere auch während der Zeit des Nationalsozialismus, aufzuarbeiten und zu veröffentlichen [1] [2]. Er hatte dabei nicht nur das Ziel, an die Höhen und die Tiefen einer Fachgesellschaft zu erinnern, sondern auch den großen Enthusiasmus zu vermitteln, mit dem sich er und unsere Vorgänger für den Fortschritt des Wissens über die Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten und das Wohl der Patienten eingesetzt haben.

Markus Lerch studierte von 1977 – 1983 Medizin an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, unterbrochen von einem prägenden Auslandsjahr in Glasgow. 1984 promovierte er bei Prof. Dr. W. Gerok in der Arbeitsgruppe von Dr. P. Hoppe-Seyler über die „Exokrine Pankreasfunktion der akut urämischen Ratte“ [3] [4]. Nach seiner Approbation erlernte Markus Lerch als Assistent im Pathologischen Institut in Freiburg die Grundlagen der Histozytochemie und Elektronenmikroskopie [5], die er später bei der Aufklärung der Pathomechanismen der Pankreatitis nutzen konnte [6]. 1984 wechselte er mit Prof. Dr. S. Matern an die Medizinische Klinik III am Universitätsklinikum der RWTH Aachen. Hier kreuzten sich unsere Berufswege zum ersten Mal: Das von ihm aufgebaute gastroenterologische Funktionslabor in der Poliklinik war noch mit zahlreichen seiner Ordner gefüllt, als ich dort als Doktorand bei Siegfried Matern anfing – Markus Lerch war aber bereits, unterstützt durch ein Forschungsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), in die USA weitergezogen. Seit dieser Zeit war Markus Lerch vielfach vor mir an denselben Institutionen tätig und mit denselben Aufgaben betraut – gleichsam empirische Evidenz für den „Hase-Igel-Algorithmus“: „Ich bin schon da!“.

Markus Lerch wurde 1989 – so wie ich sieben Jahre später – Research Fellow an der Harvard Medical School in Boston und untersuchte bei Prof. Dr. M.L. Steer im Department of Surgery des Beth Israel Hospital die pathophysiologischen Mechanismen der biliären Pankreatitis in tierexperimentellen Modellen. In seinen wegweisenden Untersuchungen konnte er zeigen, dass die Obstruktion der Pankreassekretion und nicht duodenaler oder biliärer Reflux in den Pankreasgang ursächlich sind. Er wechselte dann an die Klinik für Innere Medizin I der Universität Ulm und habilitierte sich bei Prof. Dr. G. Adler 1994 zur „Pathophysiologie und Zellbiologie der akuten experimentellen Pankreatitis“. Die ab 1992 veröffentlichten Originalarbeiten, publiziert in Gastroenterology, Journal of Clinical Investigation und Lancet, machten Markus Lerch international bekannt und sichtbar [6] [7] [8] [9] [10] [11].

Die dann eingeschobene zweijährige Tätigkeit am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried in der von Prof. Dr. A. Ullrich geleiteten Arbeitsgruppe Molekularbiologie ermöglichte es Markus Lerch im weiteren Verlauf nicht nur, Rezeptor-Tyrosinkinasen und Protein-Tyrosinphosphatasen als ihre Gegenspieler in Pankreaszellen zu untersuchen. Zusätzlich konnte er neben dem Facharzt für Innere Medizin und der Schwerpunktbezeichnung Gastroenterologie 1996 auch den Facharzt für Biochemie erwerben. Anschließend trat Markus Lerch eine Stelle als Oberarzt an der damals von Prof. Dr. M. Zeitz geleiteten Klinik für Innere Medizin II am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg an. Der Forschungsschwerpunkt der Klinik eröffnete Markus Lerch die Chance, nach den biochemischen Grundlagen der Pankreatitis jetzt auch immunologische Mechanismen dieser Erkrankung eingehend zu beleuchten. Bei meiner Berufung an die Universität des Saarlandes 10 Jahre später war Markus Lerch noch in guter Erinnerung – und der Bücherbestand der Klinik maßgeblich durch die von ihm mittlerweile herausgegebenen Werke geprägt. Beispielhaft sei das 1996 erschienene interdisziplinäre Handbuch zur „Gastroenterologischen Notfalltherapie“ erwähnt, das bereits damals die integrale Rolle dieses Bereichs für unser Fachgebiet betonte [12]. Es verdeutlicht exemplarisch, dass Markus Lerch früh zentrale Entwicklungen in der Gastroenterologie nicht nur erkennt, sondern mitgestaltet und prägt.

1997 folgte Markus Lerch dem Ruf auf eine C3-Professur für Gastroenterologie in der Medizinischen Klinik B (Direktor: Prof. Dr. W. Domschke) an die Westfälische Wilhelms-Universität Münster, wo er eine sehr erfolgreiche Arbeitsgruppe aufbaute, zu der seit dieser Zeit auch Prof. Dr. Julia Mayerle zählte, die seit Kurzem den Lehrstuhl für Gastroenterologie an der LMU München innehat. In dieser Zeit entstehen wichtige grundlagenwissenschaftliche und klinische Arbeiten zu den genetischen Grundlagen der Pankreatitis, sodass die Arbeiten von Markus Lerch heute das gesamte Spektrum der Pankreatitis von der Biochemie über die Immunologie bis hin zur Molekulargenetik in exemplarischer Weise umfassend abdecken [13] [14] [15] [16] [17]. So hat nicht zuletzt Markus Lerch entscheidend dazu beigetragen, dass die deutsche Gastroenterologie, gemessen am seit 1996 erfassten h-Index, international hinter den USA und Großbritannien auf Platz 3 steht und bei einzelnen Erkrankungen wie der Pankreatitis bei der Anzahl der Publikationen und den Zitierungen auf Platz 2 hinter den USA liegt [18].

Markus Lerch wurde 2003 auf den Lehrstuhl für Gastroenterologie, Endokrinologie und Ernährungsmedizin an die Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald berufen und ist dort Direktor der Klinik für Innere Medizin A. Als erster Ordinarius für Gastroenterologie an dieser Universität konzentrierte sich Markus Lerch auf den Aufbau einer leistungsfähigen Endoskopie und gastroenterologischen Intensivmedizin sowie schwerpunktmäßig insbesondere auf die Behandlung aller Patienten mit Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse und gastrointestinalen Tumorerkrankungen. Als Kapitän formte er eine Mannschaft engagierter ärztlicher und naturwissenschaftlicher Mitarbeiter, die nicht nur im Berufsalltag, sondern auch außerhalb gemeinsam „auf große Fahrt“ geht.

Kennzeichnend für Markus Lerch ist seine besondere Fähigkeit, neben der ärztlichen Arbeit die wissenschaftlichen und die gesundheitspolitischen, aber auch die wirtschaftlichen Interessen unseres Fachgebiets nicht nur in Greifswald, sondern national und international effektiv zu vertreten. Hierbei half ihm, dass er von 2002 – 2007 Sekretär des European Pancreatic Club war (der ihn mit dem Lifetime Achievement Award auszeichnete) und seit 2005 wichtige Aufgaben in unserer europäischen Fachgesellschaft, der United European Gastroenterology Federation, übernommen hat, darunter das Amt des „Councillors“ von 2010 – 2013. Während dieser Zeit hat er – aufbauend auf seinen Erfahrungen als Mitherausgeber der Zeitschrift Gut – die Weichen zum Aufbau des UEG Journals als einer eigenständigen und qualitativ hochwertigen neuen Zeitschrift gestellt, die bereits nach kurzer Zeit einen Impact-Faktor von 3,7 erreichen konnte. Seit 2008 war Markus Lerch Fachkollegiat der DFG, und seit 2015 ist er Mitglied des Wissenschaftsrats, in den er seine Expertise bei der Weiterentwicklung der Medizinischen Fakultäten und der Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung einbringt.

Die DGVS hat von der besonderen Expertise von Markus Lerch und diesen Netzwerken profitiert, da er nach sieben Jahren als Vorstandsmitglied von 2011 – 2016 als Präsident unserer Fachgesellschaft agierte und sich in hier in ganz besonderer Weise verdient gemacht hat. In dieser Zeit gestaltete Markus Lerch den strukturellen Umbau unserer Fachgesellschaft, der zu einer zunehmenden Professionalisierung der Verbandsarbeit führte. Gleichzeitig integrierte er die verschiedenen Gruppen innerhalb der DGVS (universitäre Gastroenterologen, leitende Krankenhausärzte und Niedergelassene) und begeisterte sie für die gemeinsame Sache. Wir als Kolleginnen und Kollegen schätzen dabei seine richtungweisenden Aussagen und Einschätzungen. Die Professionalisierung der Fachgesellschaft und die Integration aller Kräfte nutzte Markus Lerch zusammen mit Prof. Dr. W. Schepp zur Neupositionierung der Gastroenterologie im DRG-System, sodass die gastroenterologischen und endoskopischen Leistungen jetzt besser abgebildet sind und die Erlöse der gastroenterologischen Fachabteilungen signifikant erhöht werden konnten [19]. Beim Antritt meiner DGVS-Präsidentschaft Anfang 2017 übergab mir Markus Lerch die Leitung einer sehr gut und kompetitiv aufgestellten Fachgesellschaft – er war schon da!

Markus Lerch ist nicht nur Arzt und Wissenschaftler, sondern ein Homo politicus: Er ist ein zentraler, strategisch denkender Akteur unserer Gesellschaft, wobei für ihn die Kommunikation die entscheidende Rolle spielt, mit welcher Regeln festgelegt und umgesetzt werden können. Bei allem Engagement auf den verschiedensten beruflichen Ebenen – Klinikleitung, Krankenversorgung, Wissenschaft, Lehre, Fachgesellschaft und Kongresse – vergisst Markus Lerch nicht die Basis, auf der er steht. Schon Aristoteles, auf den die Auffassung des Menschen als eines zoon politikon zurückgeht, hat darauf hingewiesen, dass der Mensch noch mehr auf die Gemeinschaft in der Familie als auf die Polis hin angelegt sei. Für Markus Lerch sind dies seine Frau Gudrun, die er als Doktorandin von Guido Adler in der Ulmer Klinik kennenlernte, und seine zwei Töchter und drei Söhne, die im Elternhaus in unmittelbarer Nähe des Universitätsklinikums aufgewachsen sind und Markus Lerch daher sowohl im Familien- als auch im Berufsalltag als richtigen „Häuptling“ erleben konnten.

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Prof. Dr. med. Markus M. Lerch

Supplement

 
  • Literatur

  • 1 Jenss H, Lerch MM. für die DGVS. (Hrsg) Tagungen der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) – die Präsidenten von 1914–2014. Greifswald: Sardellus; 2014
  • 2 Jenss H, Gerken G, Lerch MM. für die DGVS. 100 Jahre DGVS – Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. München: August-Dreesbach-Verlag; 2013
  • 3 Lerch MM, Hoppe-Seyler P, Matern S. In vitro perfusion and incubation of rat pancreatic lobules in a kinetic system. Biomed Biochim Acta 1991; 50: 1115-1125
  • 4 Lerch MM, Hoppe-Seyler P, Gerok W. Origin and development of exocrine pancreatic insufficiency in experimental renal failure. GUT 1994; 35: 401-407
  • 5 Lerch MM, Hofstädter F, Winkeltau G. et al. Ultrastructural morphologic and mineral analytic studies of the pancreas of uremic rats. Verh Dtsch Ges Pathol 1987; 71: 96-101
  • 6 Lerch MM, Saluja AK, Rünzi M. et al. Luminal endocytosis and intracellular targeting by acinar cells during early biliary pancreatitis in the opossum. J Clin Invest 1995; 95: 2222-2231
  • 7 Lerch MM, Saluja AK, Dawra R. et al. Acute necrotizing pancreatitis in the opossum: earliest morphological changes involve acinar cells. Gastroenterology 1992; 103: 205-213
  • 8 Lerch MM, Saluja AK, Rünzi M. et al. Pancreatic duct obstruction triggers acute necrotizing pancreatitis in the opossum. Gastroenterology 1993; 104: 853-861
  • 9 Lerch MM, Saluja AK, Dawra R. et al. The effect of chloroquine administration on two experimental models of acute pancreatitis. Gastroenterology 1993; 104: 1768-1779
  • 10 Hernandez CA, Lerch MM. Sphincter stenosis and gallstone migration through the biliary tract. Lancet 1993; 341: 1371-1373
  • 11 Lerch MM, Lutz MP, Weidenbach H. et al. Dissociation and reassembly of adherens junctions during experimental acute pancreatitis. Gastroenterology 1997; 113: 1355-1366
  • 12 Lerch MM, Winkeltau GJ. (Hrsg) Gastroenterologische Notfalltherapie: Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 1996
  • 13 Wartmann T, Mayerle J, Kähne T. et al. Cathepsin L inactivates human trypsinogen, whereas cathepsin L-deletion reduces the severity of pancreatitis in mice. Gastroenterology 2010; 138: 726-737
  • 14 Sendler M, Dummer A, Weiss FU. et al. Tumour necrosis factor α secretion induces protease activation and acinar cell necrosis in acute experimental pancreatitis in mice. Gut 2013; 62: 430-439
  • 15 Schwaiger T, van den Brandt C, Fitzner B. et al. Autoimmune pancreatitis in MRL/Mp mice is a T cell-mediated disease responsive to cyclosporine A and rapamycin treatment. Gut 2014; 63: 494-505
  • 16 Weiss FU, Schurmann C, Teumer A. et al. ABO blood type B and fucosyltransferase 2 non-secretor status as genetic risk factors for chronic pancreatitis. Gut 2016; 65: 353-354
  • 17 Sendler M, Maertin S, John D. et al. Cathepsin B activity initiates apoptosis via digestive protease activation in pancreatic acinar cells and experimental pancreatitis. J Biol Chem 2016; 291: 14717-14731
  • 18 Lerch MM, Lammert F. (Hrsg) Weißbuch Gastroenterologische Erkrankungen 2017. Gegenwart und Zukunft der Versorgung von Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes, der Leber und der Bauchspeicheldrüse in Deutschland. Herne: Frisch Texte; 2017
  • 19 Rathmayer M, Scheffer H, Braun M. DRG-Arbeitsgruppe und das Zeiterfassungsprojekt der DGVS. et al. Verbesserung der Kostenkalkulation in der Gastroenterologie durch Einführung eines neuen Leistungskatalogs für alle endoskopischen Prozeduren. Z Gastroenterol 2015; 53: 183-198