neuroreha 2017; 09(03): 103
DOI: 10.1055/s-0043-116983
Aktuelles aus der Forschung
Gelesen und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sehr frühe und intensivierte Mobilisation nach Schlaganfall verbessert nicht unbedingt die motorische Funktion

Jan Mehrholz
1   SRH Hochschule für Gesundheit Gera, University of Applied Health Sciences, Neue Straße 28–30; 07548 Gera, URL: www.srh-gesundheitshochschule.de
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
14 September 2017 (online)

Zusammenfassung der Studie

Ziele

Ziel der Studie war es, die Effekte einer sehr frühzeitigen und intensivierten Mobilisation auf die Erholung der motorischen Funktion von Patienten in der Akutphase nach Schlaganfall zu evaluieren.


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Methodik

Design Multizentrische randomisierte und kontrollierte Studie.

Ein- und Ausschlusskriterien Eingeschlossen wurden Patienten in den ersten 25–72 Stunden nach dem ersten Schlaganfall und einem NIHSS-Motorik-Wert von mindestens zwei Punkten für die obere oder untere Extremität.

Ausgeschlossen wurden Patienten ohne Krankenversicherung, Patienten mit einem Wert auf der NIHS-Skala Bewusstsein von mindestens zwei Punkten, komplette Erholung innerhalb der ersten 24 Stunden, Schlaganfälle im Hirnstamm oder im Kleinhirn, vorhergehende neurologische Erkrankung, insbesondere Schlaganfall oder Demenz, oder ein chirurgisch behandelter Schlaganfall sowie eingeschränkte Selbstständigkeit bereits vor dem Schlaganfall.

Interventionen Die Patienten, welche die Ein- und Ausschlusskriterien erfüllten, wurden mittels computergenerierter Zufallssequenz mit verborgener Zuordnung in eine von zwei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe erhielt täglich Physiotherapie, um Komplikationen vorzubeugen, passive Mobilisation, Sitzen so frühzeitig wie möglich, Gehtrainings, falls durchführbar, und Atemtherapie mit insgesamt 15–20 Minuten pro Tag. Die zweite Gruppe erhielt zusätzlich zur Gruppe eins frühzeitige Mobilisierung/Vertikalisierung, aktive, intensive und wiederholende motorische Übung für insgesamt 60 Minuten pro Tag.

Messungen Gemessen wurde zu Beginn der Therapie und nach 90 Tagen. Primäre abhängige Variable war die Verbesserung der motorischen Leistung im Fugl-Meyer-Assessment. Sekundäre abhängige Variablen waren die Zeit bis zum Erreichen der Gehfähigkeit (in Tagen, bis zehn Meter frei und ohne Unterstützung gegangen werden konnten), Balance, Selbstständigkeit, Lebensqualität und Nebenwirkungen.


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Ergebnisse

Insgesamt wurden 104 Patienten eingeschlossen und 51 Patienten in die Kontrollgruppe und 52 Patienten in die Experimentalgruppe (Gruppe zwei) verteilt. Alle Patienten verbesserten sich unabhängig von ihrer Gruppe im Fugl-Meyer-Assessment. Es fanden sich jedoch keine systematischen statistischen Gruppenunterschiede. In den ersten 90 Tagen der Studie verbesserten sich im Median die Kontrollgruppe um 27,5 Punkte (12–40) und die Experimentalgruppe um 22,0 Punkte (12–56) (p = 0,69). Vergleichbare Ergebnisse fanden sich für die sekundären Variablen.


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Schlussfolgerung

Die Autoren schlussfolgern, dass in der sehr frühen Phase nach Schlaganfall ein intensiviertes physiotherapeutisches Übungsprogramm nicht unbedingt die motorische Kontrolle verbessern hilft. Die Autoren schränken gleichzeitig ein, dass diese Schlussfolgerung vor allen Dingen für sehr schwer betroffene Patienten nach Schlaganfall gilt.


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  • Yelnik AP, Quintaine V, Andriantsifanetra C. et al. AMOBES Group. AMOBES (Active Mobility Very Early After Stroke): A randomized controlled trial. Stroke 2017; 48 (02) 400-405