Rofo 2017; 189(10): 957-966
DOI: 10.1055/s-0043-117047
Review
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Strategien in der Interventionellen Radiologie: Gründung eines Interdisziplinäres Zentrum für Gefäßanomalien – Chancen und Herausforderungen für effektives und effizientes Patientenmanagement

Article in several languages: English | deutsch
Maliha Sadick
1   Interdisciplinary Center of Vascular Anomalies, Institute of Clinical Radiology and Nuclear Medicine, University Medical Center Mannheim, Germany
,
Franz Josef Dally
1   Interdisciplinary Center of Vascular Anomalies, Institute of Clinical Radiology and Nuclear Medicine, University Medical Center Mannheim, Germany
,
Stefan O. Schönberg
1   Interdisciplinary Center of Vascular Anomalies, Institute of Clinical Radiology and Nuclear Medicine, University Medical Center Mannheim, Germany
,
Christian Stroszczynski
2   Department of Radiology, University Hospital Regensburg, Department of Radiology, Regensburg, Germany
,
Walter A. Wohlgemuth
3   Interdisciplinary Center for Vascular Anomalies, University Hospital Halle, University Clinic and Polyclinic of Radiology, Halle (Saale), Germany
› Author Affiliations
Further Information

Correspondence

Prof. Maliha Sadick
Interdisciplinary Center for Vascular Anomalies, Institute of Clinical Radiology and Nuclear Medicine, University Medical Center Mannheim
Theodor Kutzer Ufer 1–3
68167 Mannheim
Germany   
Phone: ++ 49/6 21/3 83 22 76   
Fax: ++ 49/6 21/3 83 19 10   

Publication History

06 January 2017

08 June 2017

Publication Date:
23 August 2017 (online)

 

Zusammenfassung

Hintergrund Als Querschnittsfach widmet sich die Radiologie der Diagnostik und Therapie von zahlreichen Erkrankungen und nimmt Anteil an der Entwicklung multimodaler Behandlungskonzepte.

Methode Interdisziplinäre Ausrichtung sowie ein breites Spektrum an bildgestützten Diagnoseverfahren und spezielle endovaskuläre radiologische Behandlungstechniken sind wertvolle Bausteine, die die Radiologie fachlich dazu befähigen, ein Interdisziplinäres Zentrum für Gefäßanomalien zu etablieren.

Ergebnisse Die Kombination aus radiologischer Diagnostik und minimalinvasiver Therapie sind wesentliche Grundbausteine in der Behandlung dieser Patienten mit einer seltenen komplexen vaskulären Erkrankung, die alle Körperregionen betreffen kann und somit meist nicht von einer Fachdisziplin alleine behandelt werden kann. Im Folgenden werden Chancen und Herausforderungen für ein effektives und effizientes Patientenmanagement, die mit der Gründung eines Interdisziplinären Zentrums für Gefäßanomalien verknüpft sind, diskutiert.

Schlussfolgerung Radiologie als Querschnittsfach mit diagnostischen und minimalinvasiven therapeutischen Möglichkeiten bildet eine optimale Schnittstelle für die Betreuung von Patienten mit Gefäßanomalien. Die klinische Rolle des Radiologen ist hierbei von besonderer Bedeutung, wenn sie bereit ist, sich auch der klinischen Herausforderung zu stellen.

Kernaussagen

  • Angeborene Gefäßanomalien, die Gefäßmalformationen und seltene Gefäßtumore umfassen, zählen zu den schwierig zu behandelnden Gefäßerkrankungen.

  • Gemessen an der Anzahl von Patienten mit therapiewürdigen Gefäßanomalien, besteht in Deutschland gegenwärtig eine Unterversorgung spezialisierter Zentren für eine umfassende gefäßmedizinische Versorgung.

  • Die Radiologie verfügt über ein umfangreiches diagnostisches und minimalinvasives therapeutisches Spektrum für die Gründung eines Interdisziplinären Zentrums für Gefäßanomalien und eine flächendeckende Versorgung betroffener Patienten.

Zitierweise

  • Sadick M, Dally FJ, Schönberg SO et al. Strategies in Interventional Radiology: Formation of an Interdisciplinary Center of Vascular Anomalies – Chances and Challenges for Effective and Efficient Patient Management. Fortschr Röntgenstr 2017; 189: 957 – 966


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Einleitung

Am 28. Februar 2017 jährte sich der internationale „Tag der Seltenen Erkrankungen“ bereits zum 10. Mal [1]. Von den ca. 30 000 weltweit bekannten Krankheiten gehören 5000 zu den seltenen Erkrankungen. Eine Erkrankung ist definitionsgemäß selten, wenn weniger als 1/2000 Menschen betroffen sind [2]. Hierzu gehören auch angeborene Gefäßanomalien, zu denen Gefäßmalformationen und seltene Gefäßtumoren zählen. Die zugrundeliegenden Fehlbildungen in der Angiogenese und Vaskulogenese sind sehr variabel, können in jeder Körperregion auftreten und führen, je nach Ausprägung, zu einer schweren Beeinträchtigung. Gefäßanomalien zählen zu den schwierigsten Gefäßerkrankungen [3] [4]. Gerade diese Vielgestaltigkeit der seltenen Erkrankung führte in der Vergangenheit oftmals zu unpräzisen oder inkorrekten Bezeichnungen (beispielsweise „Hämangiom“ oder „Angiom“) oder gar zu spezifischen Klassifikationen innerhalb einer Fachdisziplin, die das Gesamtverständnis der Erkrankung eher behinderten und zu kasuistischen, dezentralen Behandlungen führten.

Für Deutschland existieren keine genauen Daten zu der Anzahl an Patienten mit Gefäßanomalien; Schätzungen zufolge haben alleine 300 000 Menschen eine venöse Malformation [1]. Betroffen sind vor allem sehr junge Menschen, die sich je nach Erkrankungsausmaß und Begleitsymptomen, einer komplexen Diagnostik und Therapie unterziehen müssen [5] [6] [7] [8] [9]. Das diagnostische Prozedere und die Vielfalt an minimalinvasiven Behandlungstechniken stellen eine große fachliche und technische Herausforderung dar. Jüngste Fortschritte im Verständnis der Erkrankung führten in den letzten Jahren zu einem ständig zunehmenden Interesse an dieser Erkrankung. Gleichzeitig wächst der Anspruch an Gefäßanomalie-Zentren mit interdisziplinärer Vernetzung, die eine optimierte bedarfsgerechte Patientenversorgung anbieten können [4] [10] [11].

Gemessen an der Anzahl von Patienten mit therapiewürdigen Gefäßanomalien, besteht in Deutschland gegenwärtig eine Unterversorgung mit spezialisierten Zentren [1]. Eine umfassende gefäßmedizinische Versorgung dieser meist jungen Patienten ist aus klinischen Gründen wichtig. Die Bündelung von Fachkompetenzen ist Voraussetzung für eine effektive und effiziente Patientenversorgung gerade von seltenen Erkrankungen.

Die Radiologie verfügt für diese Fragestellungen über ein breites relevantes diagnostisches Spektrum; zugleich kann die interventionelle Radiologie eine Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten für diese sehr komplexen gefäßmedizinischen Erkrankungen anbieten, die in der großen Mehrzahl minimalinvasiv zu therapieren sind [12] [13] [14] [15] [16] [17].

Ziel dieser Übersichtsarbeit ist es, die Rolle der Radiologie, die als Querschnittsfach über bildgestützte Diagnoseverfahren und spezielle endovaskuläre Therapien verfügt, für die effektive und effiziente Behandlung von Patienten mit einer seltenen komplexen vaskulären Erkrankung in einem Interdisziplinären Zentrum für Gefäßanomalien darzustellen.


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Klassifikation der Erkrankung

Die im Jahre 1992 veröffentlichte, von einem internationalen Expertenteam verfasste, ISSVA Klassifikation der Gefäßanomalien wurde 2014 grundlegend aktualisiert. Intention ist die Erstellung einer einheitlichen Nomenklatur für alle im Behandlungsprozess beteiligten medizinischen Fachdisziplinen, so dass Diagnose und Behandlung frühzeitig symptomorientiert gestaltet werden können. Die zunehmende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den zugrunde liegenden genetischen Mutationen bei der Entstehung von Gefäßanomalien wird in Zukunft auch eine ursachenorientierte Behandlung zulassen [6]. Dies wird bereits in ersten Ansätzen in der fetomaternalen Medizin vorgenommen [5].

Angeborene Gefäßanomalien sind selten. Gefäßanomalien, die mit Schmerzen, funktioneller und kosmetischer Einschränkung einhergehen, sollten therapiert werden, um Betroffenen eine gute Lebensqualität zu ermöglichen und sekundäre Komplikationen abzuwenden. Nach ISSVA werden Gefäßanomalien in Gefäßtumore und Gefäßmalformationen unterteilt. Für eine umfassende tabellarische Auflistung sei auf die Literatur verwiesen [6]. Sie basieren auf einer komplexen mesenchymalen Entwicklungsstörung einer oder einer Kombination mehrerer Gefäßarten. Abhängig von der dominierenden Gefäßkomponente werden Gefäßanomalien in einfache arterielle, venöse, kapilläre und lymphatische oder kombinierte, also u. a. in arteriovenöse, kapillärvenöse und venolymphatische Läsionen unterteilt. Neben der vaskulären Zusammensetzung ist auch die Flusscharakteristik der Gefäßanomalie, also „fast-flow“ oder „slow-flow“, ausschlaggebend für die Therapie [6] [7] [15]. Es gibt allerdings keine allgemein anerkannte Definition für die Unterscheidung zwischen langsam und schnell fließenden Malformationen. Die fehlende Signalauslöschung im T2-Bild wird von Einigen als Indiz für eine „Slow-flow“-Läsion herangezogen [18] [19]. Im Interdisziplinären Zentrum für Gefäßanomalien am Universitätsklinikum Mannheim liegt der Anteil der Säuglinge und jungen Erwachsenen bis 18 Jahren bei 55 % im Verhältnis zu 45 % Erwachsenen in den Altersgruppen von 20 – 70 Jahren.

Die neue, fachübergreifende Klassifikation dieser Seltenen Erkrankung meist junger Patienten lässt uns das potenzielle Spektrum notwendiger interdisziplinärer Behandlungskonzepte erahnen. Das Krankheitsbild kann mannigfaltige Symptome hervorrufen. Eine optimale Versorgung erfordert interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen einzelnen Fachdisziplinen.


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Erkrankungsvielfalt und Behandlungsspektrum

Das klinische Erscheinungsbild von Gefäßanomalien ist sehr vielfältig und ebenso die Symptome der betroffenen Patienten. Neben druckschmerzhafter Schwellung, Hautdyskoloration und Exulzeration können u. a. schwerwiegende Manifestationen an inneren Organen und Gelenken vorliegen, somit kann jedes Körperteil betroffen sein. Entsprechend der Erkrankungsvielfalt variiert auch das Behandlungsspektrum von konservativen Maßnahmen wie Kompressionstherapie, Analgetika und Antikoagulantien bis hin zu minimalinvasiven und offenen chirurgischen Maßnahmen wie u. a. Sklero- und Embolotherapie und plastischen Lappendeckungen.

Gemäß der ISSVA entfallen ca. 70 – 80 % auf venöse, ca. 5 – 15 % auf lymphatische und ca. 2 – 10 % auf arteriovenöse Malformationen [5] [6]. Dieses Verteilungsmuster spiegelt sich in der Tat auch in der Behandlungsfrequenz der Gefäßanomalien wieder. Am häufigsten kommt die Behandlung einer symptomatischen slow-flow venösen Malformation vor, die an allen Körperregionen manifest werden kann. Leitsymptom ist meist ein lang anhaltender Schmerz mit Funktionseinschränkung durch rezidivierende Thrombophlebitiden, der durch Analgetika und Antikoagulantien alleine nicht beherrscht werden kann.

Die klinische Diagnose wird mithilfe der radiologischen Bildgebung, meist Ultraschall in Kombination mit MRT, gesichert. Die perkutane Sklerotherapie mit Polidocanol ist die am häufigsten zum Einsatz kommende Behandlung [20]. Kombiniert mit Sonografie und Fluoroskopie wird die venöse Malformation (VM) perkutan punktiert und phlebografiert. Nach Ausschluss einer Kontrastmitteldrainage aus der VM in Leitvenen wird aufgeschäumtes Polidocanol (Äthoxysklerol®, Fa. Kreussler, Wiesbaden/Deutschland) unter Durchleuchtungskontrolle in das dysplastische Venenkonvolut eingebracht bis eine Verdrängung des Kontrastmittels aus der VM zu dokumentieren ist. In Abhängigkeit von der Größe der VM können eine oder mehrere perkutane Nadelpositionierungen notwendig werden. Die Ausbildung der therapeutisch erwünschten Fibrose setzt nach 6 – 10 Wochen ein. Zudem besteht eine Dosislimitation des Sklerosates pro Behandlungssitzung. Somit können ausgedehnte venöse Malformationen multiple Behandlungssitzungen erfordern. Klinische Diagnose, Therapie und Verlauf einer VM nach perkutaner Sklerotherapie werden exemplarisch anhand einer Patientenkasuistik gezeigt ([Abb. 1a – f]).

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Abb. 1 Symptomatische venöse Malformation (VM) am Grundglied von Digitus IV der rechten Hand bei einem 8-jährigen Patienten. Schwellung und Schmerzen beeinträchtigen den Jungen beim Schreiben a. Sonografisch imponiert eine subkutane echoarme VM b. Perkutane Punktion der VM und Kontrastierung c. Sklerotherapie unter fluoroskopischer Kontrolle mit aufgeschäumtem Polidocanol bis zur Verdrängung des Kontrastmittels aus der VM d. Sonografische Verifikation der Polidocanolverteilung in der VM, die jetzt echoreich zur Darstellung kommt e. Outcome 8 Wochen nach Sklerotherapie: deutliche Regredienz der Schwellung an Digitus IV; der Patient hat keinerlei funktionelle Einschränkung mehr. Eine kleine VM mit Schwellung am Mittelglied von Digitus V wurde bei fehlender klinischer Symptomatik nicht sklerosiert f.

Obwohl Polidocanol für die Sklerotherapie venöser Malformationen keine zugelassene Substanz ist, hat es sich national und international für diese Indikation zu einem medizinischen Standard etabliert [8] [21]. Ursprünglich wurde Polidocanol für die Behandlung der Varikose zugelassen. Vor allem ausgedehnte venöse und oberflächlich epifaszial lokalisierte Malformationen lassen sich damit effizient und umfassend therapieren.

Ein für die Sklerotherapie von venösen Malformationen zugelassenes, CE-zertifiziertes Medizinprodukt, ist ScleroGel® (ab medica Deutschland GmbH & Co. KG) [22] [23]. Es handelt sich um eine gelifizierte Lösung aus Ethanol 96 % mit Ethylzellulose, die aufgrund hoher Viskosität eine längere Kontaktzeit mit dem Venenendothel zulässt und damit einen intensiveren Sklerosierungseffekt erzeugt. ScleroGel weist ein gutes Sicherheitsprofil auf. Aufgrund seiner gelierten Eigenschaft zeigt es nahezu keine Verschleppungstendenz. Im Gegensatz zu Polidocanol sind mit ScleroGel meist weniger Behandlungssitzungen erforderlich, um einen intensiven Sklerosierungseffekt zu erzielen. Gerade bei der Therapie pädiatrischer venöser Malformationen reduziert sich dadurch Behandlungsfrequenz und ggf. notwendige Allgemeinanästhesie für den Patienten. Diese Aspekte rechtfertigen den Einsatz von ScleroGel trotz der hohen Kosten [22]. Bei strenger Anwendung innerhalb der Beschreibung des Beipackzettels darf allerdings nur ein Volumen von 2 ml (entspricht einer Ampulle ScleroGel) pro Behandlung gegeben werden, was dann wiederum einige der oben erwähnten Vorteile aufhebt. Die Anwendung höherer Dosen kann aber mittlerweile als gesicherter Standard gelten, weshalb in erfahrenen Händen nach entsprechender Aufklärung auch mehr als eine Ampulle ScleroGel bei einer Sitzung eingesetzt werden kann.

Die Sklerotherapie von lymphatischen Malformationen (LM) wird meist mit Picibanil (OK-432), einem lyophilisierten Gemisch von niedrig-virulenten Streptokokkus-A Stämmen, vorgenommen [24]. Die Injektion von OK-432 erfolgt nach Verdünnung von 0,1 mg Picibanil in 10 ml 0,9 % Kochsalz. Pro Behandlung sollten nicht mehr als 20 ml entsprechend 0,2 mg appliziert werden. Picibanil kann nach Injektion eine Leukozytose auslösen. Gelegentlich erzeugt es Fieber, welches meist am vierten postinterventionellen Tag spontan wieder abklingt. Insbesondere makrozystische LM sprechen auf die minimalinvasive Behandlung an. Lymphatische Malformationen werden ebenfalls unter sonografischer und fluoroskopischer Kontrolle perkutan punktiert und die Kommunikation der einzelnen Makrozysten dargestellt. Nach Abpunktion der Lymphe wird das abgelassene Volumen durch ein Gemisch von Picibanil in Kochsalzlösung ersetzt. Bei größeren LM empfiehlt sich die Behandlung mit einem Pigtailkatheter, dessen Seitlöcher sowohl die Darstellung der LM als auch die Instillation des Sklerosates erleichtern.

Arteriovenöse Malformationen (AVM) machen einen kleineren Anteil der Gefäßanomalien aus, stellen jedoch aufgrund ihrer vaskulären Komplexität hohe Ansprüche an das minimalinvasive Behandlungsspektrum. In der Regel unterstützt die prätherapeutische transarterielle oder auch transvenöse Katheterangiografie die anatomische Differenzierung zwischen zuführenden Arterien und Drainagevenen. Diese fast-flow-Gefäßanomalien erfordern meistens mehrere Embolisationsbehandlungen bis der Nidus der AVM verschlossen und der AV-Shunt unterbunden werden kann. [Abb. 2] zeigt die transarterielle Embolisation einer fast-flow-AVM am Finger mit dem Flüssigembolisat Ethylenvinyl-Alkohol-Kopolymer (Onyx®, Covidien/Medtronic, Deutschland) ([Abb. 2a – d]). Neben der transarteriellen Embolisation mit flüssigen Embolisaten wird neuerdings auch zunehmend die perkutane Direktembolisation und die retrograde transvenöse Katheterembolisation von arteriovenösen Malformationen angewendet [14] [25]. Gerade komplexe fast-flow-AVM lassen sich oftmals nicht über den arteriellen Zugang alleine embolisieren. Zudem besteht aufgrund der arteriovenösen Shunts ein großes Risiko der Embolisatverschleppung. Um den Nidus der AVM sicher zu erreichen, etabliert sich zunehmend der transvenöse retrograde Zugang zur Gefäßanomalie [25]. Der Nidusverschluss über den venösen Zugang kann mit Onyx als gut sichtbares Embolisat mit sicherer und kontrollierbarer Injektion erreicht werden. Das hohe Sicherheitsprofil dieser Substanz rechtfertigt den Einsatz von Onyx in der Standardtherapie von arteriovenösen Malformationen. Die postinterventionelle Resektion der verschlossenen AVM ist, wenn anatomisch möglich, eine wichtige Komponente im Behandlungsspektrum. Denn insbesondere bei ausgedehnten Nidusembolisationen in Gelenknähe kann der Ausguss der AVM durch Onyx, eine funktionelle Bewegungseinschränkung für den Patienten darstellen. Ein Tätowierungseffekt mit Diskoloration der Haut nach Onyxembolisation oberflächlich lokalisierter AVM, kann ebenfalls Indikation für eine Nidusresektion sein.

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Abb. 2 Arteriovenöse Malformation (AVM) an Digitus III der rechten Hand bei einer 26-jährigen Patientin. Makrodaktylie, Schwellung, Überwärmung und erhebliche Pulsation beeinträchtigen die Patientin a. Angiografisch imponiert eine fast flow AVM des Arcus palmaris b. Superselektive Positionierung des Mikrokatheters im Nidus der AVM und Embolisation mit Onyx c. In der angiografischen Kontrolle imponiert eine Devaskularisation des Nidus der AVM von Digitus III d.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Standardtherapie der verschiedenen Formen der Gefäßmalformationen eine Domäne der interventionellen Verfahren ist.


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Notwendigkeit zur Zentrenbildung

Bei einer geschätzten Prävalenz von 300 000 venösen Malformationen, die die häufigste Erkrankung aus diesem Formenkreis darstellt, hat Deutschland gegenwärtig noch zu wenig gut vernetzte Zentren mit spezialisiertem Versorgungsangebot, was entsprechend lange Wartezeiten bedingt.

In Anbetracht der Tatsache, dass es sich meist um sehr junge Patienten mit einer chronischen, oft schweren und unbehandelt progredienten Erkrankung handelt, ist es umso wichtiger, dass Krankheitssymptome rasch und zusammenhängend analysiert und klassifiziert werden um adäquat behandelt zu werden. Ein interdisziplinärer Zusammenschluss verschiedener Fachdisziplinen ermöglicht individuell angepasstes Patientenmanagement mit den dazu notwendigen personellen und technischen Voraussetzungen. Gesamtziel einer Zentrumsbildung ist die Bereitstellung fachkompetenter Diagnostik- und Behandlungsstandards in einem interdisziplinären Setting, eine Optimierung und Koordination des klinischen Workflows und die Etablierung fachübergreifender wissenschaftlicher Aktivität. Die Seltenheit der Erkrankung kann zu einer eher kasuistischen Behandlung eines betroffenen Patienten in einer einzelnen Fachdisziplin führen, da sie an einer großen Klinik eher Einzelfälle darstellen. Entsprechend ist der Aufbau von Erfahrung sehr schwierig. Bei weniger erfolgreicher Therapie wird der Patient sicherlich auch überregional weitere Hilfe suchen und somit im Verlauf kaum beurteilbar sein. Da alle Organsysteme und Extremitäten betroffen sein können, verteilen sich die wenigen Patienten auch auf verschiedene Fachkliniken, was die Erfahrung in einer einzelnen, nicht fachübergreifenden Disziplin nochmals vermindert.

Zusammenfassend ist gerade bei diesen seltenen, vielgestaltigen und jedes Organ betreffenden Erkrankungen junger Menschen eine interdisziplinäre Zentrumsbildung, die entsprechende Erfahrungen aufbauen kann, medizinisch wie organisatorisch notwendig.


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Ziele eines Interdisziplinären Zentrums

Die Gründung eines Interdisziplinären Zentrums für Gefäßanomalien vertritt folgende Ziele:

  • Optimale Patientenbehandlung bestehend aus Diagnostik, Therapie und Patientenbetreuung durch interdisziplinären Austausch und Sammlung von größerer klinischer Erfahrung in allen Fachbereichen für Gefäßanomalien.

  • Einsatz individueller patientenspezifischer Ganzkörperdiagnostik in Anlehnung an Manifestation und Ausdehnung des Krankheitsbildes.

  • Fachübergreifende Indikationsstellung zur Behandlung unter Berücksichtigung des minimalinvasiven Methodenspektrums (Chancen- und Risikoabwägung).

  • Anwendung dedizierter spezifischer interventionell radiologischer Eingriffe.

  • Schaffung diagnostischer und therapeutischer Qualitätsstandards.

  • Hohe Patientenzufriedenheit mit konsekutiver regionaler und überregionaler Standortwahrnehmung.

  • Steigerung des ambulanten und stationären Patientenaufkommens und Schaffung von Ergebnisverbesserung

  • Interdisziplinäre Ausschöpfung vorhandener gerätetechnischer und wissenschaftlicher Ressourcen.

  • Etablierung interdisziplinärer Forschungskooperationen (u. a. Antragsstellungen im Rahmen der Drittmittelakquisition); Projektförderungen durch Industrie und Medizintechnik; Standortsicherung.

  • Zusammenarbeit mit Stiftungen, Selbsthilfegruppen (u. a. dem Bundesverband für Gefäßanomalien [2]).

Besonders die Radiologie vermag die oben genannten Ziele einer Zentrumsgründung in umfassender Weise zu erfüllen.


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Rolle der Radiologie in einem Interdisziplinären Zentrum

Gerade bei diesem komplexen Krankheitsbild besteht der Hauptbehandlungsmodus aus spezifischer Diagnostik und interventioneller Therapie, da offen chirurgische Verfahren zwar eine Rolle spielen können, jedoch nur in einer Minderheit der Patienten durchgeführt werden. Damit sind gerade die Kernkompetenzen einer interdisziplinär ausgerichteten Radiologie hier gefragt. Diesen Kernkompetenzen (dedizierte, organübergreifende Diagnostik und minimalinvasive Therapie für die Mehrzahl der Patienten) steht jedoch ein strukturelles Defizit der Radiologie in der direkten Patientenversorgung gegenüber. Somit liegt die Herausforderung für die Radiologie in einer aktiven Teilnahme am klinischen Patientenmanagement, um zum Beispiel Informationsverluste zwischen der notwendigen Diagnostik und Therapie und der direkten Patientenbetreuung zu vermindern. Diese direkte klinische Betreuung bietet der Radiologie eine Chance, ihr Spektrum zum Wohle der klinischen Patientenversorgung aus einer Hand einzubringen. Da nur die Radiologie die gesamte Diagnostik und minimalinvasive Behandlungsmethoden durchführt, ist sie ideal für die Führung eines Interdisziplinären Zentrums für Gefäßanomalien geeignet. Darüber hinaus ist die Radiologie, wie keine andere Fachdisziplin, interdisziplinäres Arbeiten gewohnt, welches einen wesentlichen Bestandteil eines solchen Zentrums ausmachen muss.

Erfahrung und Kompetenz in der diagnostischen Radiologie sind wertvoller Bestandteil einer effektiven und effizienten Patientenversorgung. Hochauflösender Ultraschall inklusive der Kontrastmitteltechniken, Computertomografie der neuesten Generation, die Mehrkanal-Magnetresonanztomografie und die Katheterangiografie erfüllen die notwendigen gerätetechnischen Voraussetzungen für die Diagnostik dieser multifaktoriellen Erkrankungen.

Expertise in endovaskulären Behandlungstechniken, einschließlich der Sklero- und Embolotherapie, bildet einen wichtigen Baustein in der Therapie, berücksichtigt man, dass fast 90 % aller Behandlungen dieser Patienten minimalinvasiv interventionell durchgeführt werden können [15] [17] [25]. Das therapeutische Spektrum ist vielfältig, es umfasst die Sklerosierungsbehandlung mit Alkohol, Polidocanol und Picibanil (OK-432), die endovaskuläre und perkutane Lasertherapie, die Radiofrequenzablation, die transarterielle, transvenöse und perkutane Embolisation oder sogar eine Kombination dieser Verfahren [21] [26] [27]. In ca. 10 % wird auch in dieser Kombination eine offene Operation angewandt, die einen integralen Bestandteil des anzubietenden Behandlungsspektrums darstellt.

Die Präambel der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimalinvasive Therapie (DeGIR) verankert den Stellenwert der Interventionellen Radiologie für Diagnostik und Therapie unter Einsatz minimalinvasiver Verfahren [28]. In Hinblick auf Therapieerfolg und Komplikationsrate sind minimalinvasive bildgestützte Behandlungsverfahren in diesem Feld den offenen chirurgischen Verfahren mindestens ebenbürtig und meistens sogar überlegen. Die Akademie für Fort- und Weiterbildung der Deutschen Röntgengesellschaft unterstützt die Aktivitäten der DeGIR. Nach Absolvierung eines Ausbildungsprogrammes kann Kernkompetenz in „Diagnostischer Radiologie“, die bereits grundlegende Kompetenz in interventionellen Verfahren beinhaltet, zu „Interventioneller Radiologie“ erweitert werden. Ein zweistufiges Zertifizierungsprogramm der DeGIR ermöglicht die Weiterbildung von Radiologen in interventionellen Methoden. Dabei wird eine Basiszertifizierung Interventionelle Radiologie durch eine Spezialzertifizierung ergänzt; diese Zertifizierungen kann man für verschiedene Module beantragen, die jeweils einem klar definierten Spezialgebiet der Interventionellen Radiologie entsprechen. Die Qualifikation bekommt man nur bei Beleg einer entsprechenden Expertise; diese Expertise erfordert eine ausreichende klinisch praktische Erfahrung durch Nachweis einer Mindestanzahl von selbstständig durchgeführten interventionellen Eingriffen. Außerdem muss eine streng reglementierte Fachprüfung abgelegt werden, die aus Multiple-choice-Fragen und einer mündlichen Fachprüfung mit Lösung von Fallbeispielen besteht. Darüber hinaus ist dann noch der Nachweis von regelmäßigen Fortbildungen zum Thema der Interventionellen Radiologie notwendig [28] [29] [30]. Auch besteht für Zentren mit langjähriger Expertise in interventioneller Diagnostik und Therapie die Möglichkeit, im Rahmen eines DeGIR Zertifizierungsverfahrens, den Status eines DeGIR Ausbildungszentrums zu erlangen [30]. Somit wird ein qualitätsgesicherter Standard, sowohl für Diagnostik als auch Therapie gewährleistet und aufrechterhalten, was einem Interdisziplinären Zentrum für Gefäßanomalien sehr entgegenkommt.

Unabhängig von den von Fachgesellschaften geforderten Ausbildungsstandards, unterstützt eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit mit allen Fachdisziplinen, die Patienten mit Gefäßanomalien mit- und weiterbehandeln, das Behandlungskonzept. Intensiver Austausch mit den kooperierenden Fächern Pädiatrie, Kinderchirurgie, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und Kopf-Hals Chirurgie, Dermatologie, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Gefäßchirurgie sowie Hämostaseologie ist essenzieller Bestandteil der Patientenversorgung. Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass notwendige Fachkompetenz für eine Zentrumsbildung durch die Möglichkeit von Hospitationen und klinischen Trainingseinheiten an ausgewiesenen Zentren, national und international, erweitert werden kann. Das nationale Hospitationsnetzwerk der DeGIR mit Integration europäischer Qualifizierungsinitiativen in Interventioneller Radiologie bietet hierfür einen ebenso bedeutenden Ausbildungspfeiler, insbesondere wenn die Diagnostik und Therapie von Seltenen Erkrankungen im Mittelpunkt steht [30].


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Konkrete organisatorische Anforderungen an die Organisationsstruktur

Ein radiologisches Interventionszentrum, ausgestattet mit multimodaler Bildgebung, einer räumlichen Einheit für Anamneseerhebung, klinischer Untersuchung und Ultraschall sowie einem Besprechungsraum mit integrierten Hardware und Software-Installationen, der auch für interdisziplinäre Fallkonferenzen genutzt werden kann, bilden eine mögliche optimale Plattform für ambulante Patientenvorstellung und Koordination von stationärer Aufnahme und interventioneller Behandlung ([Abb. 3]).

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Abb. 3 Bausteine einer medizinisch optimalen und effizienten interdisziplinären Patientenbehandlung.

Patienten mit Gefäßanomalien sind in der Mehrheit junge Menschen, die keine oder kaum Komorbiditäten aufweisen. Somit unterscheiden sie sich wesentlich von Patienten mit anderen Gefäßprozessen und breitem kardiovaskulären Risikoprofil, wie z. B. die pAVK, die u. a. mit koronarer Herzkrankheit, arterieller Hypertonie, Diabetes mellitus und deren Folgeerkrankungen wie diabetischer Nephropathie vergesellschaftet ist. Im Falle einer minimalinvasiven Therapie ist davon auszugehen, dass diese Patienten eine Krankenhausverweildauer von 3 – 4 Tagen nicht überschreiten werden und in der Regel auch keine intensivmedizinische Versorgung in Anspruch genommen werden muss. Die Sklerotherapie von Gefäßanomalien ist ein elektiv planbarer Eingriff und erlaubt eine langfristige Planung der stationären Aufnahme und somit eine Optimierung der Bettenbelegungskapazität einer Klinik weit im Voraus.

Ein Anteil von Patienten, insbesondere Säuglinge und Kleinkinder, erfordert anästhesiologisches Monitoring während der Behandlung und im Falle einer notwendigen Vollnarkose während des Eingriffs auch eine postinterventionelle Überwachung.

Patientenakquisition, Behandlung und Nachsorge sind wichtige und zeitintensive Bestandteile der Organisationsstruktur eines Interdisziplinären Zentrums für Gefäßanomalien. Dies kann nur gewährleistet werden, wenn die ärztliche Tätigkeit durch eine administrative Vollzeitkraft unterstützt wird. Neben der Regelversorgung muss sich ein Interdisziplinäres Zentrum für Gefäßanomalien auch den Herausforderungen im Bereich der Außenwirkung stellen. Dazu gehören u. a. zügige Patiententerminierung, schneller Versand von ausführlichen Befundberichten und Abstimmung mit Selbsthilfegruppen, Stiftungen und wissenschaftlichen Gremien. Gute Vernetzung und interdisziplinäre Zusammenarbeit tragen entscheidend zu einer guten fachübergreifenden Patientenversorgung bei. Dazu zählt auch die Ausrichtung von Fallkonferenzen, Symposien und Kongressen, wissenschaftlich publikatorische Tätigkeit und die Generierung von Drittmitteln für Forschung und Lehre auf dem Gebiet der Gefäßanomalien. Molekularbiologische In-vitro- und In-vivo-Untersuchungen von Gefäßanomalien mit immunhistochemischen und histopathologischen Analysen sind zeitaufwendig und personal- und kostenintensiv, aber notwendig, um einer effektiven und effizienten Patientenversorgung gerecht zu werden. Alle Bausteine einer medizinisch optimalen und effizienten interdisziplinären Patientenbehandlung wurden in einer Grafik zusammengefasst ([Abb. 3]). Die personelle Zusammensetzung eines Interdisziplinären Zentrums für Gefäßanomalien erfordert eine Infrastruktur, die sowohl die Bezugspflege als auch das Case-Management beinhalten. Nur dadurch kann eine qualitativ hochwertige Versorgung der betroffenen Patienten gewährleistet werden. Somit sollte das medizinische Fachpersonal über Zusatzqualifikationen u. a. in Wundmanagement, Schmerztherapie und Psychologie verfügen. Ebenso sollten Fachkenntnisse im Aufnahme- und Belegungsprozess vorhanden sein. Aufgrund der bisherigen Unterversorgung von Patienten mit Gefäßanomalien ist davon auszugehen, dass nach Etablierung eines Zentrums die Patientenzahlen steigen. Normalerweise unterstützt die Klinikverwaltung in der Anfangsphase strukturell, um bei erkennbarem Erfolg zusätzliche personelle Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Die adäquate Abbildung der angesprochenen minimalinvasiven Therapien im Rahmen des DRG-Systems sollte eine Refinanzierung des personellen Mehraufwandes ermöglichen. Insgesamt ist eine ausreichende personelle Grundausstattung notwendig, um regional eine adäquate Patientenversorgung anbieten zu können.


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Radiologisches Patientenmanagement

Seltene Erkrankungen wie Gefäßanomalien sind häufig dadurch charakterisiert, dass Patienten entweder mit einer nicht zutreffenden, oder gar keiner Diagnose überwiesen werden. Vielfache Vorbehandlungen und lange Anamnesen sind zu berücksichtigen. Im Rahmen des Patientenmanagements kommt dem Interdisziplinären Zentrum eine wesentliche Rolle bei der frühzeitigen korrekten Diagnosestellung und Behandlung zu, was weitreichende Folgen für den gesamten Krankheitsverlauf, die Lebensqualität und sozioökonomische Faktoren hat. Die Komplexität von symptomatischen Gefäßanomalien erfordert meist eine multifaktorielle Behandlung – diese kann zeitaufwendig sein. Patienten profitieren dabei sehr von einem effektiven Zusammenschluss von kooperierenden Fachrichtungen. Das Netzwerk sollte in wöchentlichen bis monatlichen Fallkonferenzen den interdisziplinären Austausch kontinuierlich sicherstellen und besonders komplexe Fälle gemeinsam diskutieren, die nur von jeweils zugezogenen Fachvertretern mit Erfahrung gelöst werden können. Die Zeit zwischen ambulanter Vorstellung, Diagnosefindung und Therapie wird verkürzt, was einer effektiven und effizienten Betreuung des Patienten zugutekommt.

Eine zentrale Verwaltungsstelle für Terminkoordinierung, Diagnostik und ambulanter Nachsorge sollte ebenfalls eingerichtet werden. Eine Koordinationsstelle, die bereits im Vorfeld elektronisch eine Krankenakte mit relevanten Patienteninformationen, Vorbefunden und Bildgebung zusammenstellt, beschleunigt das Patientenmanagement wiederum. Im Anschluss an Patientenvorstellung und Beratung wird nicht nur dem Überweiser, sondern auch dem Patienten ein dezidierter Befundbericht mit Diagnose und Therapie übermittelt.

Zu einer optimalen Versorgung des Patienten trägt auch die direkte Betreuung durch den behandelnden interventionellen Radiologen bei. Dieser verfügt über ein breitgefächertes Spektrum diagnostischer Verfahren und kann, je nach Krankheitsausprägung und Befundkonstellation, dem Patienten fachkompetent ein individuelles minimalinvasives Therapiekonzept anbieten und dabei auch gleichzeitig die Nachsorge sicherstellen. Radiologische Diagnostik, minimalinvasive Therapie und Verlaufskontrolle sollten integraler Bestandteil einer eigens dafür etablierten speziellen Ambulanzeinheit werden, in der Patienteninformationen eingehen und straffe Terminkoordinierung im Sinne einer Primärversorgung gewährleistet werden kann.


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Stationäre Versorgung im Krankenhaus

Komplexe Gefäßanomalien erfordern spezialisierte Maßnahmen. Gerade komplexe arteriovenöse Malformationen, die durch Begleitsymptome wie Ulkusbildung und Superinfektion kompliziert werden können, profitieren von einer stationären Versorgung auf einer spezialisierten Station mit medizinischem Fachpersonal, das u. a. über Zusatzqualifikationen in Wundmanagement und Schmerztherapie verfügt.

Die Variante einer eigenen bettenführenden Station in der Radiologie hat den Vorteil hochspezialisierte Maßnahmen in hoher Qualität durch diejenigen anzubieten, die die Diagnostik und Therapie tatsächlich durchführen. Der interventionelle Radiologe ist dabei zu jedem Zeitpunkt der Behandlung in die Versorgung seines Patienten eingebunden. Ebenso kann die Ausschöpfung von Ressourcen verbessert werden, da Patienten elektiv nach Fallschwere und Notwendigkeit einer interventionellen Therapie planbar aufgenommen werden. Dies wirkt sich entsprechend auf den „Diagnosis Related Groups“ Erlös (DRG-Erlös) aus, der direkt der Radiologie als bettenführende Abteilung zugeordnet werden kann [31]. Eine leistungsgerechte Vergütung durch „Radiologie-eigene“ Betten kann wiederum in Erhaltung und Ausbau spezialisierter Infrastruktur für minimalinvasive Diagnostik und Therapie investiert werden. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass eine eigene Bettenstation in der Radiologie, gerade in der gegenwärtigen Zeit knapper personeller und ökonomischer Ressourcen, an Bedingungen geknüpft ist, die erfüllt sein müssen. Neben der Personalbindung auf einer Station gilt es, ein Qualitätsmanagement aufrecht zu erhalten, unter anderem für die Bereiche Hygiene, Transfusion und DRG-Kodierung.

Somit kann die stationäre Betreuung von Patienten mit Gefäßanomalien auf einer gemeinsamen interdisziplinären Station eine sinnvolle Alternative zu eigenen rein radiologischen Betten sein. Faktoren wie fehlende Komorbidität bei jungen Patienten, elektive Behandlungsplanung und Möglichkeit der stationären Auslastung, verleihen Gefäßanomalien einen besonderen Stellenwert in der stationären Versorgung.


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Ökonomische Implikationen einer Zentrumsbildung

Im Gegensatz zu kardiopulmonalen und onkologischen Erkrankungen, die fast regelhaft einer sehr dringlichen Behandlung bedürfen, erfordert die Mehrzahl der Patienten mit Gefäßanomalien eher eine elektive und damit planbare Behandlung. Termine für Ambulanzvorstellung und stationäre Versorgung können mit ausreichend Vorlauf nach Eingang aller Vorinformationen vorbereitet werden. Somit können viele Patienten zum Zeitpunkt der ambulanten Erstvorstellung extern bereits durchgeführte Apparate- und Labordiagnostik sowie radiologische Bildgebung vorlegen, so dass klinikinterne Ressourcen für dezidierte, die Behandlungsplanung betreffenden Fragestellungen, zur Verfügung stehen. Diagnose, Therapie und postinterventioneller Verlauf (Analgesie, Kompressionstherapie, Bettruhe) sind standardisiert, so dass die ärztliche Dokumentation für den MDK (Medizinischer Dienst der Krankenkassen) vereinfacht und plausibel wird.

Im ICD-10 Diagnosekatalog befasst sich das Kapitel XVII „angeborene Fehlbildungen, Deformitäten und Chromosomenanomalien“ mit Gefäßanomalien [32]. Für die Diagnoseverschlüsselung von Patienten mit Gefäßanomalien kommen vor allem folgende Kodierungen in Betracht:

  • Sonstige angeborene Fistel des Kreislaufsystems (Q28.81)

  • Sonstige nicht näher bezeichnete angeborene Fehlbildungen des Kreislaufsystems (Q28.88)

  • Angeborene Fehlbildung des Kreislaufsystems, nicht näher bezeichnet (Q28.9)

  • Angeborene Fehlbildung des peripheren Gefäßsystems, nicht näher bezeichnet (Q27.9)

Einen Großteil der Behandlungen bei Gefäßanomalien machen die OPS Prozeduren 8 – 836.9 D (perkutan transluminale Gefäßintervention – selektive Embolisation mit Flüssigkeiten – Gefäßmalformation) in Kombination mit 8 – 83b.20 (Zusatzinformation Material Art der Flüssigkeiten zur selektiven Embolisation Ethylenvinylalkohol) und 8 – 836.9 D (perkutan transluminale Gefäßintervention – selektive Embolisation mit Flüssigkeiten –Gefäßmalformation) in Kombination mit 8 – 83b.22 (Zusatzinformation Material Art der Flüssigkeiten zur selektiven Embolisation Ethylenvinylalkohol Copolymer) aus (OPS Katalog 2016) [33].

In Kenntnis der Tatsache, dass venöse Malformationen mit über 70 % die häufigste Gefäßanomalie ausmachen und diese meist mit Äthoxysklerol-Sklerosierung behandelt werden, so ergibt sich bei einem aktuellen Fallgewicht von 1,84 eine Bewertung der Behandlung, die im DRG Katalog (Diagnosis Related Groups) mit der F59B abgebildet wird und in Relation zu den niedrigen Materialkosten gut bewertet wird [34]. In den Fällen, wo der medizinische Einsatz von teureren Embolisationsmaterialien indiziert ist, stellt sich die Relation ungünstig dar.

Die elektive Planbarkeit der Therapie einer Gefäßanomalie, fehlende Komorbiditäten der jungen Patienten und eine gute Bewertung der Behandlung venöser Malformationen sind Argumente dafür, dass eine effektive und effiziente Patientenversorgung in einem Interdisziplinären Zentrum für Gefäßanomalien realisiert werden kann.


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Schlussfolgerung

Der Versorgungsbedarf von Patienten mit Gefäßanomalien ist national und international weiterhin uneingeschränkt hoch. Aufgrund der Komplexität und Seltenheit der Erkrankung sollten Diagnostik und Therapie in einem Interdisziplinären Zentrum mit Fachkompetenz implementiert werden.

Die Radiologie als Querschnittsfach mit diagnostischen und minimalinvasiven therapeutischen Möglichkeiten bildet eine optimale Schnittstelle für die Führung eines Interdisziplinären Zentrums für Gefäßanomalien. Darüber hinaus ist die Radiologie, wie keine andere Fachdisziplin, interdisziplinäres Arbeiten gewohnt, welches einen wesentlichen Bestandteil eines solchen Zentrums ausmachen muss.


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No conflict of interest has been declared by the author(s).


Correspondence

Prof. Maliha Sadick
Interdisciplinary Center for Vascular Anomalies, Institute of Clinical Radiology and Nuclear Medicine, University Medical Center Mannheim
Theodor Kutzer Ufer 1–3
68167 Mannheim
Germany   
Phone: ++ 49/6 21/3 83 22 76   
Fax: ++ 49/6 21/3 83 19 10   


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Fig. 1 Symptomatic venous malformation (VM) located at the proximal phalanx of digit IV of the right hand in an 8-year-old patient. Swelling and pain impaired writing with the right hand a. Ultrasound demonstrates a hypoechogenic VM b. Percutaneous access to the VM and contrast injection c. Percutaneous sclerotherapy under fluoroscopy with polidocanol foam d. After sclerotherapy the VM appears hyperechogenic on ultrasound e. Outcome 8 weeks after sclerotherapy: regression of swelling of digit IV; the patient no longer complains of impaired function of the right hand. A non-symptomatic small VM with discrete swelling of digit V was left unsclerosed f.
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Fig. 2 Arteriovenous malformation (AVM) of third digit of the right hand in a 26-year-old patient. Macrodactylia, swelling, hyperthermia and massive pulsation were affecting the patient a. Angiography demonstrates a fast-flow AVM of the palmar arch b. Superselective placement of the microcatheter in the nidus of the AVM and embolization with Onyx c. Postinterventional angiography demonstrates devascularization of the nidus of the AVM of the third digit d.
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Fig. 3 Components of optimal and efficient interdisciplinary patient care.
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Abb. 1 Symptomatische venöse Malformation (VM) am Grundglied von Digitus IV der rechten Hand bei einem 8-jährigen Patienten. Schwellung und Schmerzen beeinträchtigen den Jungen beim Schreiben a. Sonografisch imponiert eine subkutane echoarme VM b. Perkutane Punktion der VM und Kontrastierung c. Sklerotherapie unter fluoroskopischer Kontrolle mit aufgeschäumtem Polidocanol bis zur Verdrängung des Kontrastmittels aus der VM d. Sonografische Verifikation der Polidocanolverteilung in der VM, die jetzt echoreich zur Darstellung kommt e. Outcome 8 Wochen nach Sklerotherapie: deutliche Regredienz der Schwellung an Digitus IV; der Patient hat keinerlei funktionelle Einschränkung mehr. Eine kleine VM mit Schwellung am Mittelglied von Digitus V wurde bei fehlender klinischer Symptomatik nicht sklerosiert f.
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Abb. 2 Arteriovenöse Malformation (AVM) an Digitus III der rechten Hand bei einer 26-jährigen Patientin. Makrodaktylie, Schwellung, Überwärmung und erhebliche Pulsation beeinträchtigen die Patientin a. Angiografisch imponiert eine fast flow AVM des Arcus palmaris b. Superselektive Positionierung des Mikrokatheters im Nidus der AVM und Embolisation mit Onyx c. In der angiografischen Kontrolle imponiert eine Devaskularisation des Nidus der AVM von Digitus III d.
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Abb. 3 Bausteine einer medizinisch optimalen und effizienten interdisziplinären Patientenbehandlung.