Intensivmedizin up2date 2018; 14(04): 451-467
DOI: 10.1055/s-0043-120423
Operative Intensivmedizin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Chirurgie im hohen Lebensalter

Tobias S. Schiergens
,
Axel Kleespies
,
Bernhard W. Renz
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Publication Date:
16 November 2018 (online)

Angesichts der alternden Bevölkerung nimmt die Behandlungsbedürftigkeit älterer Patienten in unseren Kliniken stetig zu. Bereits heute bringt die Therapie geriatrischer Patienten in der Chirurgie besondere Herausforderungen mit sich. Der Chirurg sieht sich mit reduzierten physiologischen Reserven und teils ausgeprägten Komorbiditäten der Patienten konfrontiert, die für Indikationsstellung und chirurgisches Vorgehen wichtig sind.

Kernaussagen
  • Gerade in chirurgischen Fächern sieht sich der Arzt bei der Indikationsstellung mit zunehmenden Problemen der alternden Gesellschaft konfrontiert. Anstieg der Komorbiditäten (Multimorbidität), reduzierte physiologische Reserven (verminderte Organfunktionen und -kapazitäten), Malnutrition, Gebrechlichkeit und Neigung zu Delir erhöhen das perioperative Risiko des Patienten.

  • Dem präoperativen Assessment dieser Risikofaktoren mit konsequenter präoperativer Konditionierung des Patienten kommt zur Reduzierung der perioperativen Morbidität und Mortalität eine entscheidende Bedeutung zu. Dem strukturierten und systematischen Assessment können Score-Systeme dienen.

  • Bei der Indikationsstellung ist das „biologische Alter“, nicht das chronologische Alter grundlegend wichtig. Entscheidende Fragen sind:

    • Wie fit ist der Patient, wie gebrechlich, wie komorbide?

    • Wie hoch ist damit die Belastungsfähigkeit des Patienten, was hält er aus?

    • Welche operative Maßnahme ist angesichts dessen und angesichts des Therapieziels (Heilung? Funktionserhalt? Funktionsverbesserung? Lebensqualität?) adäquat?

  • Nach Operationen bei hochbetagten Patienten sind besondere Maßnahmen zur Vermeidung postoperativer Komplikationen, z. B. des Delirs, zu beachten. Besondere Aufmerksamkeit sollte der intensivierten postoperativen Mobilisation und Physiotherapie zur Vermeidung von Hypoaktivität und damit Prophylaxe von Folgekomplikationen (z. B. Pneumonie) geschenkt werden.

  • In den spezifischen chirurgischen Fachgebieten sind auf die individuelle Situation des alten Patienten abgestimmte, interdisziplinär zu besprechende Maßnahmen zu prüfen, die den Patienten auf den Eingriff besser vorbereiten (Konditionierung), die das anästhesiologische und operative Trauma reduzieren, die den Patienten aus einer Notfallsituation in eine (früh-)elektive Situation überführen können und die den postoperativen Therapieerfolg verbessern können.