neuroreha 2017; 09(04): 151
DOI: 10.1055/s-0043-122451
Aktuelles aus der Forschung
Gelesen und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Roboterunterstütztes oder -erschwertes Gehen auf dem Laufband zur Verbesserung der Gehfunktion von Kindern mit Zerebralparese

Jan Mehrholz
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. rer. medic. habil. Jan Mehrholz
Private Europäische Medizinische Akademie der Klinik Bavaria in Kreischa GmbH
An der Wolfsschlucht 1–2
01731 Kreischa

Publication History

Publication Date:
08 December 2017 (online)

 

Zusammenfassung der Studie

Ziele

Ziel der Studie war es, die Effekte eines roboterassistierten bzw. -erschwerten Gehens auf dem Laufband zur Verbesserung der Gehfunktion von Kindern mit Zerebralparese zu evaluieren.


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Methodik

Design Randomisierte und kontrollierte Studie.

Ein- und Ausschlusskriterien Eingeschlossen wurden Kinder mit bilateraler spastischer Zerebralparese im Alter zwischen vier und 14 Jahren (GMFCS Level: I bis IV), ohne bisherige Botulinumtoxin- oder neurochirurgische Behandlung.

Ausgeschlossen wurden Kinder mit schwerer Kontraktur der unteren Extremität, Frakturen, Knocheninstabilitäten, disproportionalem Knochenwachstum und Wundheilungsstörungen der Beine, kardiovaskulärer Instabilität oder mit schweren Verhaltensstörungen.

Interventionen Die Probanden, welche die Ein- und Ausschlusskriterien erfüllten, wurden per Zufallsprinzip in eine von zwei Gruppen eingeteilt.

Beide Gruppen erhielten ein roboterbegleitetes Laufbandtraining dreimal die Woche über sechs Wochen (18 Therapiesitzungen). Die erste Gruppe erhielt einen kontrollierenden assistierenden Roboter, der v. a. in der Schwungphase beim Gehen die Gehbewegung assistierte. Die zweite Gruppe erhielt dagegen einen erschwerenden Widerstand an den Beinen und Sprunggelenken, v. a. in der Schwungphase beim Gehen. Die Gehgeschwindigkeit beim Laufbandtraining wurde in beiden Gruppen gleichermaßen erhöht.

Messungen Gemessen wurde zu Beginn der Therapie, nach sechs Wochen Therapie sowie acht Wochen nach Ende der Therapiesitzungen.

Primäre Zielvariablen waren die selbst gewählte und die schnellstmögliche Gehgeschwindigkeit auf 10 Meter, die Gehstrecke im Sechs-Minuten-Gehtest. Sekundäre Zielvariablen beinhalteten motorische Funktionen. Ebenfalls wurden der Gross Motor Function Measure (GMFM) sowie die körperliche Funktion im Pediatric Outcomes Data Collection Instrument (PODCI) und die modifizierte Ashworth-Skala erhoben.


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Ergebnisse

Insgesamt wurden 23 Kinder eingeschlossen und 20 Kinder beendeten die Studie. Zu Beginn unterschieden sich die Kinder in ihren Charakteristiken nicht.

Allerdings verbesserten sich nach der Therapie nur die Kinder in der Gruppe, in der das Gehen durch den Roboter erschwert und nicht assistiert wurde. Hier v. a. die schnellstmögliche Gehgeschwindigkeit und die Gehstrecke im Sechs-Minuten-Gehtest. Der GMFM, die Punktzahl im von den Eltern eingeschätzten PODCI, die selbst gewählte Gehgeschwindigkeit und die Ashworth-Skala verbesserten sich dagegen nicht signifikant.

Die Gruppe, die vom Roboter beim Gehen assistiert wurde, verbesserte sich in keinem einzelnen Parameter.


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Schlussfolgerung

Die Autoren schlussfolgern, dass bei Kindern mit Zerebralparese vor allem ein erschwerendes Gehtraining effektiver zu sein scheint als ein assistierendes, um eine Verbesserung des Gehens zu erreichen.


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Kommentar

Eine simple und zugleich clevere Studienidee. Die Untersucher gingen der Frage nach, was der Roboter eigentlich tun sollte: Sollte das Gehen auf dem Laufband durch den Roboter erleichtert oder erschwert werden? Aus dem Bereich des motorischen Lernens ist bekannt, dass die Bewegungsausführung sich durch Assistieren beim Bewegen zwar unmittelbar verbessert. Assistieren beim Bewegen scheint aber längerfristig nicht das Lernen zu unterstützen. Wenn dagegen systematisch die Aufgabe erschwert wird (wie beim Geben von Widerständen beim Gehen durch Roboter), werden Anpassungsvorgänge unterstützt und dadurch längerfristig (jedoch nicht kurzfristig) die Bewegungsausführung und das motorische Lernen an sich gefördert.

Die Autoren untersuchten somit couragiert zwei sich eigentlich widersprechende Ansätze beim Üben des Gehens von Kindern mit Zerebralparese. Die Studie war zwar recht klein, überraschend deutlich waren aber die Unterschiede zwischen den Gruppen zugunsten der Gruppe, die erschwert übte. Überspitzt gesagt wurde eine Gruppe beim Gehen unterstützt und die Bewegung erleichtert, während die andere Gruppe erhöhte Widerstände beim Gehen überwinden musste und somit erst wirklich trainierte. Ob dieses Prinzip jedoch auch auf alle Kinder mit Zerebralparese – also auch auf sehr schwer betroffene – übertragbar ist, kann diese Studie nicht beantworten.

Fazit Eine Studie, die Impulse und Denkanstöße für die aufgabenorientierte Therapie von Kindern mit Zerebralparese gibt.


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Prof. Dr. rer. medic. habil. Jan Mehrholz

Leiter Wissenschaftliches Institut

  • Wu M, Kim J, Gaebler-Spira DJ. et al. Robotic resistance treadmill training improves locomotor function in children with cerebral palsy: A randomized controlled pilot study. Archives of Physical Medicine and Rehabilitation. 2017 [in press]

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. rer. medic. habil. Jan Mehrholz
Private Europäische Medizinische Akademie der Klinik Bavaria in Kreischa GmbH
An der Wolfsschlucht 1–2
01731 Kreischa

  • Wu M, Kim J, Gaebler-Spira DJ. et al. Robotic resistance treadmill training improves locomotor function in children with cerebral palsy: A randomized controlled pilot study. Archives of Physical Medicine and Rehabilitation. 2017 [in press]