Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2018; 25(01): 3-4
DOI: 10.1055/s-0043-125122
Magazin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ausgewählte Meldungen und aktuelle Entwicklungen

Unn Klare
1   Behnkenhagen
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
19 February 2018 (online)

Neues aus der Reisemedizin

Gelbfieber in Südamerika

Vergangenes Jahr erkrankten in Südamerika so viele Menschen am Gelbfieber, wie schon seit über 50 Jahren nicht mehr: Seit 1960 – so weit reichen die Aufzeichnungen der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation (PAHO) zurück – wurden in der Regel jährlich maximal 250 bestätigte Fälle registriert. Nur in den 3 Jahren 1966 (451 Fälle), 1995 (524 Fälle) und 1997 (277 Fälle) gab es mehr Infektionen. Am stärksten betroffen davon war in der Regel Peru, aber auch in Brasilien, Bolivien und Kolumbien gab es in den meisten Jahren zumindest Einzelfälle.

Deutlicher Anstieg 2017

Im Dezember 2016 verendeten jedoch in verschiedenen Regionen Südamerikas vermehrt Affen am Gelbfieber und in der Folge traten allein in Brasilien seither mehr als 900 bestätigte humane Gelbfieberfälle auf. Mindestens 310 Menschen verstarben hier an den Folgen der Infektion. Peru registrierte 17 Fälle, 3 davon mit Todesfolge. Und auch in Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Französisch-Guayana und Surinam gab es einzelne Erkrankungen. Die Übertragung erfolgte dabei ausschließlich über den sylvatischen Zyklus, urbane Infektionen traten wohl nicht auf.


#

Weiterhin betroffen: Großregion São Paulo

Die allermeisten Erkrankungen erfolgten bereits in der ersten Jahreshälfte des vergangenen Jahres, ab Juni sank die Zahl der Neuinfektionen dann drastisch. So wurden von Anfang August bis Ende November in ganz Brasilien nur noch 4 humane Fälle gemeldet und der Ausbruch als beendet erklärt. Auch die beobachteten Fälle in den Affenpopulationen gingen deutlich zurück.

Eine Ausnahme hiervon bildete jedoch die Großregion São Paulo, die viertgrößte Metropole der Welt: In den Naturparks der Stadt und der umliegenden Gemeinden verendeten vor allem in der zweiten Jahreshälfte zahlreiche Tiere, sodass im Oktober zunächst 13 Parks und im Dezember dann 10 weitere Parks für die Öffentlichkeit gesperrt wurden. Darüber hinaus wurden die Impfbemühungen intensiviert.

Nichtsdestotrotz flammte der Ausbruch Mitte Dezember wieder auf: Seither erkrankten in Brasilien erneut mehr als 130 Menschen, mindestens 54 überlebten die Infektion nicht. Am stärksten betroffen sind die Regionen São Paulo und Minas Gerais. Anfang Januar erkrante unter anderem ein niederländischer Reisender, der sich vermutlich in São Paulo infiziert hatte.


#
#

MERS-CoV in Malaysia

Einen Tag nach seiner Rückkehr aus Saudi-Arabien erkrankte ein Mann im malaysischen Selangor am MERS-CoV (Middle East respiratory syndrome coronavirus). Er hatte sich während der Umra, der sogenannten „kleinen Pilgerreise“ nach Mekka infiziert. In Saudi-Arabien hatte er unter anderem eine Kamelfarm besucht, wo er rohe Kamelmilch getrunken und direkten Kontakt zu den Tieren gehabt hat – 2 Verhaltensweisen, die nach derzeitigem Kenntnisstand deutliche Risikofaktoren für MERS-Infektionen darstellen.

Risikofaktor Kamelkontakt

Dies ist der neunte Fall einer infolge einer Pilgerfahrt exportierten MERS-CoV-Infektion, seitdem die Krankheit 2012 entdeckt wurde. So war bereits im Jahr 2014 ein Mann in Malaysia erkrankt, andere Pilger haben das Virus nach Algerien und Katar, in den Iran und in die Türkei verschleppt. Bemerkenswert ist, dass sich alle diese Exportfälle nach der kleinen Pilgerreise ereigneten. Bisher wurden noch keine Fälle nach dem Hadsch, der großen Pilgerfahrt, registriert.

Ein Grund hierfür ist vermutlich die Anzahl der Reisenden: Während beim Hadsch jährlich „nur“ etwa 2 Mio. Gläubige nach Mekka strömen, sind es bei der Umra etwa doppelt so viele. Auch können die Pilger bei der Umra, die das ganze Jahr hindurch durchgeführt werden kann, ihre Reise freier planen und kommen somit auch leichter in Kontakt mit Risikofaktoren. Der Hadsch dagegen ist ein auf wenige Tage beschränktes Großereignis, währenddessen die Pilger sehr stark gelenkt werden. Außerdem sind Kamele in der betroffenen Region zu diesem Zeitpunkt untersagt und die Pilger werden von extra für sie zuständigen Medizinern betreut – so haben sie praktisch keinerlei Kontaktpunkte zu den bekannten Risikofaktoren.

Denn die meisten MERS-CoV-Infektionen bisher erfolgten durch nosokomiale Übertragungen. Bei Mensch-zu-Mensch-Übertragungen, die vermutlich vorwiegend über Tröpfcheninfektionen erfolgen, ist ein sehr enger Kontakt nötig. Darüber hinaus treten auf der Arabischen Halbinsel – insbesondere in Saudi-Arabien – immer wieder sporadische Fälle auf, bei denen die Mehrzahl der Betroffenen Kontakt zu Dromedaren hatte. Dadurch, dass die Pilger während der Hadsch also weitestgehend von der normalen Bevölkerung – besonders von den Kranken – und von Kamelen abgeschottet werden, ist es bisher gelungen, Exportfälle zu vermeiden.


#

Weltweite Zahlen

Weltweit erkrankten in den vergangenen 6 Jahren etwa 2160 Menschen am MERS-CoV, fast 750 von ihnen überlebten die Infektion nicht. Saudi-Arabien ist dabei mit mehr als 1780 Fällen, darunter 724 Todesopfern, nach wie vor am stärksten betroffen, aber auch alle anderen Staaten der arabischen Halbinsel meldeten bereits Primärinfektionen.


#
#

Krim-Kongo-Fieber in Afghanistan

Das Krim-Kongo-hämorrhagische Fieber ist in mehreren Ländern Afrikas, Südosteuropas und Asiens endemisch. Insbesondere in Afghanistan ist das Fieber verhältnismäßig häufig – durchschnittlich werden hier 5–50 Infektionen jährlich registriert. In den vergangenen beiden Jahren waren die Fallzahlen jedoch noch einmal deutlich höher: 2016 erkrankten 156 Personen, von denen 18 die Infektion nicht überlebten, und 2017 wurden sogar 237 humane Fälle gemeldet, darunter 41 mit Todesfolge. Am stärksten betroffen waren die beiden Provinzen Kabul und Herat.

Eine mögliche Ursache für den dramatischen Anstieg der Fallzahlen seit 2016 ist, dass das islamische Opferfest in den beiden letzten Jahren mit dem saisonalen Höhepunkt des Krim-Kongo-Fiebers zusammenfiel: Das Reservoir des Krim-Kongo-Fieber-Virus sind verschiedene Säugetierarten, unter anderem Ziegen und Rinder, und die Übertragung erfolgt meist entweder über Zecken oder direkt durch Kontakt zu dem Blut infizierter Tiere. So sind Hirten und Metzger beispielsweise besonders stark betroffene Berufsgruppen. Die Mehrheit der Fälle in Afghanistan tritt zwischen Juni und September auf. Wird zu dieser Zeit das Opferfest gefeiert, steigt durch die deutlich erhöhte Anzahl von Schlachtungen auch das Risiko von Krim-Kongo-Fieber-Infektionen.


#

Legionellose auf Mallorca

Im Herbst erkrankten bei einem Legionelloseausbruch nahe Palma de Mallorca 27 Menschen. Bei den Betroffenen handelte es sich um 26 ausländische – meist britische – Urlauber und einen Hotelangestellten, die sich in 7 verschiedenen Hotels des Ortes Palmanova aufgehalten hatten. Ein 70-jähriger britischer Tourist mit Komorbiditäten verstarb an den Folgen der Infektion.

In den auf den Ausbruch folgenden Untersuchungen wurden an mehreren Orten innerhalb Palmanovas Legionellabakterien nachgewiesen. Die Betroffenen scheinen sich jedoch alle in demselben Außenwhirpool infiziert zu haben.


#

Mysteriöse Erkrankung in Neuseeland

Im neuseeländischen Waikato erkrankten Mitte November 3 Personen schwer an einer noch unidentifizierten, vermutlich lebensmittelbedingten Infektion. Ein Ehepaar sowie die Mutter des Mannes entwickelten 15–30 Minuten nach dem Verzehr eines selbst geschossenen Wildschweins erste Krankheitssymptome wie Lähmungserscheinungen und heftiges Erbrechen. Die Frau setzte daraufhin einen Notruf ab und verlor noch während des Gesprächs das Bewusstsein. Beim Eintreffen der Sanitäter waren bereits alle 3 Betroffenen bewusstlos; die beiden kleinen Kinder des Paares, die nicht von dem Schwein gegessen hatten, waren dagegen wohlauf.

Zunächst wurde vermutet, dass es sich um Botulismus handelte und das verabreichte Antitoxin zeigte auch tatsächlich Wirkung: Innerhalb einer halben Stunde nach Gabe des Mittels stoppte die progressive Lähmung der Patienten. Allerdings blieben sie zunächst bewusstlos und einige Tage später verschlechterte sich ihr Zustand abermals: Die Patienten entwickelten heftige Spasmen, die es nötig machten, sie an ihren Betten festzubinden, um Verletzungen zu verhindern. Diese Spasmen dauerten etwa eine Woche an, bevor die Patienten in einen kindähnlichen Zustand übergingen, währenddessen sie grundlos lächelten und lachten. Schließlich begannen die Patienten wieder, ihnen bekannte Personen zu erkennen und normal zu kommunizieren. Bis Ende Dezember konnten 2 der Betroffenen aus dem Krankenhaus entlassen werden. Sie litten aber immer noch unter Müdigkeit und anhaltenden Schmerzen.

Die Ursache der Erkrankungen ist nicht bekannt. Botulismusinfektionen werden aber mittlerweile ausgeschlossen, denn zum einen fielen erste Tests negativ aus und zum anderen traten Krankheitssymptome und auch die Wirkung des Antitoxins extrem schnell auf. Es wird nach wie vor davon ausgegangen, dass die Krankheit durch den Verzehr des Wildschweins hervorgerufen wurde, aber auch andere Infektionsquellen können derzeit nicht ausgeschlossen werden.


#

Choleraepidemien im Jemen und in Somalia

Seit Ende April 2017 wurden im Jemen mehr als eine Million Cholerafälle gemeldet. Und auch wenn die Zahl der Neuinfektionen seit September langsam sinkt, erkranken nach wie vor täglich noch immer mehr als 1200 Menschen. Die mit 2250 eher geringe Zahl an Todesopfern könnte zwar darauf hindeuten, dass es sich bei einem Teil der registrierten Fälle tatsächlich um andere Durchfallerkrankungen handelt. Nichtsdestotrotz ist es eine der größten Choleraepidemien der Geschichte.

Und auch Somalia litt vergangenes Jahr unter einem massiven Choleraausbruch: Bis November waren hier fast 79 000 Fälle registriert worden, die Mortalitätsrate lag mit 1,47 (d. h. 1159 Todesopfern) deutlich höher als im Jemen. Anders als im bürgerkriegsgebeutelten Jemen konnten in Somalia jedoch koordinierte Impfaktionen für mehr als eine Million Menschen durchgeführt werden, die nun Erfolg zeigen: Seit September wurden keine Todesopfer mehr registriert und die Zahl der Neuinfektionen ist dramatisch zurückgegangen.

Dipl. biol. Unn Klare, Behnkenhagen
Quellen: promed, paho


#