Pneumologie 2018; 72(07): 503-506
DOI: 10.1055/s-0044-100192
Fallbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nicht kleinzelliges Lungenkarzinom – doppelte Resistenzentwicklung

Non-Small Cell Lung Cancer – Development of Parallel Mechanisms of Resistance
M. Moeller
1   Klinik für Innere Medizin II, Krankenhaus Martha-Maria Halle-Dölau
,
U. Siebolts
2   Insitut für Pathologie, Universitätsklinikum Halle (Saale)
,
C. Wickenhauser
2   Insitut für Pathologie, Universitätsklinikum Halle (Saale)
,
W. Schuette
1   Klinik für Innere Medizin II, Krankenhaus Martha-Maria Halle-Dölau
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Dr. med. Miriam Möller
Krankenhaus Martha-Maria Halle-Dölau
Röntgenstraße 1
06120 Halle (Saale)

Publication History

eingereicht 07 December 2017

akzeptiert 04 January 2018

Publication Date:
21 February 2018 (online)

 

Zusammenfassung

Erworbene Resistenzen gegenüber Tyrosinkinaseinhibitoren beim nicht kleinzelligen Lungenkarzinom entwickeln sich nach etwa 9 – 12 Monaten. In etwa 60 % der Fälle entstehen diese durch eine sekundäre EGFR-T790 M Resistenzmutation. In dieser Kasuistik wird der Fall einer Patientin mit einer Mutation im EGFR Exon 19 beschrieben. Es entwickeln sich unter TKI-Therapie 2 parallele Resistenzmechanismen. Zum einen eine T790M-Resistenzmutation, zum anderen die Transformation in ein kleinzelliges neuroendokrines Karzinom. Unter der Therapie mit Osimertinib sowie paralleler Chemotherapie mit Carboplatin und Etoposid konnte nach 2 Zyklen eine partielle Remission erzielt werden.


Abstract

Acquired resistances to tyrosine kinase inhibitors in non-small cell lung cancer develop after 9 – 12 month. In 60 % of the cases these resistances arise because of a secondary EGFR-T790 M resistance mutation. This report is describing the case of a patient who developed parallel two different mechanisms of resistance: A T790 M resistance mutation and a transformation into a small cell neuroendocrine cancer. Under therapy with Osimertinib and chemotherapy with carboplatin and etoposide the tumor responsed partially.


Hintergrund

Das Lungenkarzinom ist eine der führenden Todesursachen weltweit. Insgesamt ist es verantwortlich für 27 % der krebsbedingten Todesfälle [1]. Die neusten Fortschritte im Verständnis der molekularen Mechanismen bei der Entwicklung des NSCLC haben dazu geführt, dass eine Klassifikation basierend auf den biologischen Eigenschaftes des Tumors entwickelt werden konnte. Erst- und Zweitgenerations-TKI stellen den Goldstandard der First-Line-Therapie bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC und EGFR-Mutation dar. In Phase-III-Studien konnte gezeigt werden, dass die EGFR-TKI in diesem Fall eine höhere Effizienz im Vergleich mit einer platinbasierten Chemotherapie hatten [2]. Allerdings entwickeln sich ausnahmslos sekundäre Resistenzen gegenüber der etablierten TKI-Therapie. Dies geschieht durchschnittlich nach 9 – 12 Monaten. In 60 % aller Fälle wird dies durch die EGFR-T790M-Mutation verursacht. Verschiedene andere Mechanismen der sekundären Resistenzentwicklung wurden bereits beschrieben, unter anderem waren dies sekundäre Mutationen in verschiedenen Onkogenen oder die Transformation des Phänotyps, jedoch mit einer sehr viel geringeren Inzidenz [3] [4] [5] [6] [7]. Es existieren bereits einige wenige beschriebene Fälle, in denen eine Re-Biopsie von Patienten mit Adenokarzinom und nachgewiesener EGFR-Mutation eine Transformation in ein kleinzelliges Bronchialkarzinom (SCLC) gezeigt hat [3] [8]. Die Transformation in ein SCLC suggeriert, dass sowohl Adenokarzinom als auch SCLC ursprünglich von einem gemeinsamen Zelltyp abstammen.


Kasuistik

Im April 2016 stellte sich eine 53-jährige Patientin mit seit 2 Monaten bestehendem Husten sowie seit mehreren Monaten bestehendem Nachtschweiß vor. In der ambulanten Rö-Thorax-Untersuchung wurde eine pulmonale Raumforderung rechts gesehen und CT-morphologisch ein 3 cm messender Tumor in der rechten Lungenspitze mit multiplen Lungen- und Lymphknotenmetastasen bestätigt ([Abb. 1]). Die Patientin war Nie-Raucherin. Histopathologisch konnte ein Adenokarzinom mit EGFR-Mutation im Exon 19 nachgewiesen werden ([Abb. 2]). Es wurde eine palliative First-Line-Therapie mit Afatinib ab April 2016 eingeleitet. Im Staging nach 3 Monaten Therapie konnte eine partielle Remission nachgewiesen werden ([Abb. 1]). Nach weiteren 3 Monaten Therapie zeigte sich eine stabile Befundsituation. Von November 2016 bis Mai 2017 kam es CT-morphologisch zu einem sehr langsamen Progress ([Abb. 3]). Mittels Liquid Biopsy konnte im Mai 2017 die EGFR-T790M-Resistenzmutation sowie die initiale EGFR-Mutation im Exon 19 nachgewiesen werden. Daher wurde die Therapie von Afatinib auf Osimertinib umgestellt. Der klinische Zustand verschlechterte sich innerhalb der nächsten 2 Monate, sodass eine stationäre Behandlung notwendig war. Im CT-Thorax zeigte sich ein deutlicher Progress mit Größenzunahme um mehr als die Hälfte ([Abb. 3]). Daher erfolgte die Entscheidung zur Re-Biopsie: Aus einem Lymphknoten paratracheal rechts konnte mittels endobronchialem Ultraschall und transbronchialer Nadelaspiration histopathologisch ein SCLC nachgewiesen werden ([Abb. 4]). Es wurde umgehend eine Chemotherapie mit Carboplatin und Etoposid eingeleitet und die histopathologischen Proben der molekulardiagnostischen Testung unterzogen. In diesen Proben ließ sich die bekannte EGFR-Mutation im Exon 19 nachweisen. Die aus der Liquid Biopsy nachgewiesene T790M-Resistenzmutation konnte hingegen im SCLC nicht nachgewiesen werden. Die orale Therapie mit Osimertinib wurde aufgrund der positiven Liquid Biopsy trotzdem fortgeführt. Nach 2 Zyklen Chemotherapie mit Carboplatin/Etoposid erfolgte eine CT-Verlaufskontrolle, welche eine partielle Remission des Tumors und der pulmonalen Metastasierung zeigte ([Abb. 5]). Es ist geplant, die Chemotherapie zunächst für 2 weitere Zyklen fortzusetzen.

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Abb. 1 a CT-Thorax 04/16 mit Pleuraerguss und Tumor im rechten Oberlappen. b CT-Thorax 07/16 mit partieller Remission des Tumors im rechten Oberlappen und vollständiger Regredienz des Pleuraergusses.
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Abb. 2 Mikroskopisches Bild des Adenokarzinoms, nachgewiesen in einem paratrachealen Lymphknoten.
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Abb. 3 a CT-Thorax 05/17 mit langsamem Progress des Tumors im rechten Oberlappen. b CT-Thorax 08/17 mit deutlichem Progress des Tumors im rechten Oberlappen.
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Abb. 4 Mikroskopisches Bild des SCLC, nachgewiesen in einem paratrachealen Lymphknoten.
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Abb. 5 CT-Thorax 10/2017 mit regredientem Tumor im rechten Oberlappen.

Diskussion

3 EGFR-Inhibitoren Erlotinib, Gefitinib und Afatinib sind aktuell in der First-Line-Therapie des NSCLC mit EGFR-Mutation zugelassen. Deren Einsatz in der klinischen Praxis hat die Tumortherapie entscheidend verändert. Innerhalb einer durchschnittlichen Zeit von 9 – 12 Monaten kommt es allerdings zur Entwicklung verschiedener Resistenzmechanismen [2]. Die EGFR-T790M-Mutation ist die häufigste bekannte sekundäre Resistenzmutation [3] [8]. Mechanismen, welche die Voraussetzung für den EGFR-Signalweg umgehen, wie bspw. MET- oder HER2-Amplifikation, stellen weitere 15 – 20 % der bekannten Resistenzmechanismen dar [3] [8] [9]. Ein weiterer, jedoch extrem seltener Mechanismus der Resistenzentwicklung, ist die Transformation des Phänotyps in ein SCLC. Dieser Prozess wurde erstmals 2006 bei einer 45-jährigen Frau mit Adenokarzinom und EGFR-Mutation beschrieben. Auch diese Frau war Nie-Raucherin. Der Tumor sprach insgesamt 18 Monate auf die TKI-Therapie mit Erlotinib an [10]. Bei der Re-Biopsie nach Progress der Grunderkrankung konnte ein SCLC mit EGFR-Exon 19-Mutation nachgewiesen werden. Seit diesem ersten Fall konnten wenige weitere Fälle von Patienten mit Adenokarzinom und anschließender Transformation in ein SCLC als Resistenzentwicklung unter EGFR-TKI-Therapie dokumentiert werden [3] [8] [10] [11] [12] [13] [14] [15]. Unklar ist, ob die Transformation in ein SCLC ein Resultat der EGFR-Inhibition ist, oder ob Adenokarzinome, welche eine EGFR-Mutation aufweisen, ein erhöhtes Potenzial haben, in ein SCLC zu transformieren. Das synchrone Auftreten von Adenokarzinomen mit EGFR-Mutation und SCLC wurde ebenfalls schon beschrieben [13]. Diese Beobachtung suggeriert, dass die Entwicklung eines SCLC aus einem Adenokarzinom mit EGFR-Mutation nicht ausschließlich das Ergebnis einer Therapie mit EGFR-Inhibitoren ist. Weiterhin beinhaltete diese Publikation 2 Fälle von Adenokarzinomen ohne EGFR-Mutation, welche ebenfalls in ein SCLC transformiert sind [13]. Die Transformation in ein SCLC scheint also nicht zwingend an das Vorhandensein einer EGFR-Mutation gebunden zu sein. Letztlich sind weitere Untersuchungen notwendig, um sagen zu können, ob ein Zusammenhang zwischen dem Risiko einer Transformation in ein SCLC bei Adenokarzinomen mit EGFR-Mutation oder EGFR-Wildtyp besteht.



Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. med. Miriam Möller
Krankenhaus Martha-Maria Halle-Dölau
Röntgenstraße 1
06120 Halle (Saale)


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Abb. 1 a CT-Thorax 04/16 mit Pleuraerguss und Tumor im rechten Oberlappen. b CT-Thorax 07/16 mit partieller Remission des Tumors im rechten Oberlappen und vollständiger Regredienz des Pleuraergusses.
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Abb. 2 Mikroskopisches Bild des Adenokarzinoms, nachgewiesen in einem paratrachealen Lymphknoten.
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Abb. 3 a CT-Thorax 05/17 mit langsamem Progress des Tumors im rechten Oberlappen. b CT-Thorax 08/17 mit deutlichem Progress des Tumors im rechten Oberlappen.
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Abb. 4 Mikroskopisches Bild des SCLC, nachgewiesen in einem paratrachealen Lymphknoten.
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Abb. 5 CT-Thorax 10/2017 mit regredientem Tumor im rechten Oberlappen.