Z Gastroenterol 2018; 56(02): 189-190
DOI: 10.1055/s-0044-100370
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Freier Mitarbeiter oder abhängig Beschäftigter?

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Publication Date:
07 February 2018 (online)

Ob ein Praxisvertreter in selbstständiger Tätigkeit oder in abhängiger (sozialversicherungspflichtiger) Beschäftigung tätig wird, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Während nach allgemeiner Auffassung in der Vergangenheit Praxisvertreter grundsätzlich als selbstständig tätige Ärzte qualifiziert worden sind, wird dies im Zuge von Überprüfungen durch die Deutsche Rentenversicherung Bund vermehrt in Zweifel gezogen.

Nach der ständigen Rechtsprechung der Sozialgerichte liegt eine abhängige, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung dann vor, wenn die beschäftigte Person in einen fremden Betrieb eingegliedert und dabei insbesondere hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art ihrer Tätigkeit weisungsgebunden ist. Eine selbstständige Tätigkeit ist demgegenüber gekennzeichnet durch die freie Gestaltung der Tätigkeit und der Arbeitszeit. Als weitere Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit werden das Vorhandensein einer eigenen Betriebstätte und eines unternehmerischen Risikos angesehen (vgl. BSG, Urteil vom 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R). Zur Beurteilung sind also allein die konkreten Umstände des Einzelfalles maßgeblich.

In diesem Zusammenhang ist zunächst auf eine (sehr alte) Entscheidung des BSG aus dem Jahr 1959 hinzuweisen, in der festgestellt worden ist, dass ein Vertreter eines niedergelassenen Arztes im Regelfall kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis mit dem Praxisinhaber begründe (Urteil vom 27.5.1959, 3 RK 18/55). In dieser Entscheidung wird ausgeführt:

Der Vertreter trägt alleine die Verantwortung für die Behandlung der Patienten und die sachgemäße Fortführung der ihm anvertrauten Praxis. Er ist – anders als der angestellte Assistenzarzt – nicht in der Lage, die Verantwortung für sein ärztliches Handeln auf den Praxisinhaber „abzuwälzen“, und er ist andererseits aber auch nicht verpflichtet, dessen Weisungen zu folgen. Seine Tätigkeit ist zwar nicht schon deshalb als selbständig anzusehen, weil er über die ärztliche Behandlung frei entscheiden kann, ein solches Recht könnte z. B. auch dem leitenden Arzt einer Krankenhausabteilung, der Angestellter ist, vertraglich eingeräumt sein; wesentlich ist vielmehr, dass der Vertreter darüber hinaus auch bei der Einteilung und Ausführung aller ihm als Arztvertreter obliegenden Arbeiten grundsätzlich nicht den Weisungen des Praxisinhabers unterworfen ist, sondern die Praxis in eigener Verantwortung führt […]. Die in der Regel gegenüber dem Praxisinhaber bestehenden Verpflichtungen des Vertreters, die Praxis in der gewohnten und ausdrücklich vereinbarten Weise, d. h. in der Regel in den Praxisräumen und unter Einhaltung der üblichen Sprechstunden, fortzuführen und dabei auch die Kassenärztlichen Verpflichtungen […] bei der Behandlung der Versicherten zu erfüllen, stellen vertragliche Bindungen gegenüber dem Praxisinhaber dar, die sich zwar auch auf die zu leistenden Dienste beziehen, deren Erfüllung der Vertreter aber aufgrund freier Entschließung verspricht, ohne damit dem Praxisinhaber ein nach seinem Ermessen auszuübendes Weisungsrecht zuzugestehen. Würde der Vertreter dem Praxisinhaber ein derartiges Weisungsrecht einräumen, so würde er seinen Willen und seine Verantwortung dem Willen und der Verantwortung des Praxisinhabers unterordnen, um sich damit in persönliche Abhängigkeit, wie sie das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis kennzeichnet, begeben; er würde fremdbestimmte Arbeit leisten.

Beispielsweise hat auch das Bay. Landessozialgericht in einem Urteil vom 28.3.2012 (L 2 U 424/00) bestätigt, dass ein Praxisvertreter, der seine Tätigkeit weitestgehend selbst gestaltet, nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist. In diese Richtung geht auch eine Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz vom 20.4.2016 (L 4 R 318/14). Gleichwohl verbietet sich eine allgemeine Aussage. Dies können Sie an folgendem Beispiel erkennen:

Wenn ein Praxisinhaber für die Dauer von mehreren Wochen urlaubs- oder krankheitsbedingt abwesend ist und sich in der Praxis durch einen Praxisvertreter vertreten lässt, spricht in diesem Fall mehr dafür, dass dieser Praxisvertreter die Vertretungstätigkeit in selbstständiger Tätigkeit erbringt, jedenfalls dann, wenn er nicht nur seine inhaltliche, sondern auch seine organisatorische Praxistätigkeit weisungsfrei wahrnimmt. Wenn demgegenüber tageweise in der Praxis ein Vertreter beschäftigt wird (vorbehaltlich der vertragsarztrechtlichen Zulässigkeit), spricht dies eher dafür, dass dieser Vertreter seine Vertretungstätigkeit gerade nicht frei gestalten kann, da er bei einem tageweisen Einsatz stärker in die bestehende Praxisstruktur und -organisation eingegliedert sein wird, als ein Vertreter, der die Praxis eigenverantwortlich über mehrere Wochen in Abwesenheit des Praxisinhabers führt.

Wie der Vertrag im Einzelnen ausgestaltet ist, spielt insoweit eine untergeordnete Rolle. Allein aus der Tatsache, dass mit einem Praxisvertreter ein Vertrag über eine selbstständige Vertretung abgeschlossen worden ist, bedeutet nicht, dass es sich dann tatsächlich auch um eine nicht sozialversicherungspflichtige Beschäftigung handelt. Es gilt für die juristische Beurteilung immer das „gelebte Vertragsverhältnis“ und nie die „Überschrift über einem Vertrag“.

Wer Zweifel an dem sozialversicherungsrechtlichen Status seines Praxisvertreters hat, sollte die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV in Erwägung ziehen. Jedenfalls dürfen Sie sich nicht auf Musterverträge und deren Ausgestaltung verlassen.