Laryngorhinootologie 2018; 97(08): 555-557
DOI: 10.1055/s-0044-100516
Der interessante Fall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Seltene Differentialdiagnose einseitiger, frontotemporaler Cephalgien

Constantin Maximilian Weber
,
Magnus Teschner
,
Ursula Schmidtmayer
,
Thomas Lenarz
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Publication History

Publication Date:
14 February 2018 (online)

Der Fall

Ein 27-jähriger Patient stellte sich mit seit etwa 6 Monaten bestehenden Schmerzen im Bereich der Stirn und Schläfe rechts in unserer Klinik vor.

Bei dem Patienten bestand der Zustand nach komplikationsloser Cochlea-Implantat (CI)-Versorgung rechts in domo im Alter von 6 Jahren bei congenitaler Surditas. Anamnestisch wurden die Schmerzen sowohl beim Tragen des CI-Prozessors als auch ohne Prozessor beschrieben. Des Weiteren wurde ein gelegentlicher, wässriger Schnupfen angegeben. Weitere Beschwerden insbesondere Fieber oder ein reduzierter Allgemeinzustand bestanden nicht. Vorerkrankungen wurden nicht angegeben.

Spiegelbefund und Differentialdiagnostik

Im HNO-Spiegelbefund zeigte sich neben einer geröteten Nasenschleimhaut und einer Nasenseptumdeviation ein unauffälliger Befund. Insbesondere otoskopisch zeigten sich reizlose Trommelfelle und Gehörgänge beidseits.

Die technische Implantatüberprüfung ergab regelhafte Impedanzen und Amplituden. In der durchgeführten Computertomographie des Felsenbeins fand sich eine Weichgewebsformation im Mastoidbereich rechts ohne sichtbare knöcherne Begrenzung zum Hinterrand der mittleren Schädelgrube. Differenzialdiagnostisch zu einer postoperativ entstandenen Bindegewebsformation wurde hier der Verdacht auf eine Meningocele oder eine Meningoencephalocele geäußert. Die CI-Elektrode selbst zeigte eine regelrechte, intracochleäre Lage, das zuführende Elektrodenkabel wies jedoch einen Kontakt zu der beschriebenen Weichgewebsformation auf ([ Abb. 1 ]). Des Weiteren ergab sich mitabgebildet eine mit Weichgewebe totalverlegte Zelle im Sinus sphenoidalis rechts ([ Abb. 2 ]).

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Abb. 1 CT-Felsenbein [a coronar / b axial]: Weichgewebsformation im Mastoid rechts mit fehlender knöcherner Begrenzung zur hinteren Schädelgrube (rote Markierung) sowie eingewachsener CI-Elektrode (gelbe Markierung)
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Abb. 2 CT-Felsenbein [axial]: Total weichteildicht verlegte Zelle des Sinus sphenoidalis rechts (rote Markierung)

Die neurologische Mitbeurteilung dokumentierte zu den bisher radiologisch erhobenen CT-Befunden keine Auffälligkeiten oder mögliche Ätiologien der beschriebenen Schmerzsymptomatik.

Zum Ausschluss einer Rhinoliquorrhoe erfolgte ein nasaler β-Trace-Test. Hier ergab sich kein pathologischer Befund.


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Klinischer Verlauf

Nach interdisziplinärer Falldemonstration wurde ein zweistufiges, operatives Vorgehen geplant. Zunächst wurde eine navigierte Infundibulotomie und Keilbeinhöhlen-Operation rechts durchgeführt. Intraoperativ zeigte sich lediglich die schleimgefüllte Zelle im Sinus sphenoidalis rechts.

Früh-postoperativ gab der Patient trotz Analgetikagabe eine persistierende Schmerzsymptomatik frontotemporal rechts an. Daraufhin erfolgte eine CT der Schädelbasis mit Kontrastmittel.

Nach erneuter neuroradiologischer Falldemonstration mit weiterhin unklarer mastoidaler Weichgewebsformation rechts wurde eine explorative Mastoidrevision durchgeführt. Intraoperativ zeigten sich eine Meningoencephalocele im Bereich des Tegmen mit eingewachsener CI-Elektrode sowie ein Duradefekt mit Liquorrhoe ([ Abb. 3 ]). Daraufhin erfolgten eine Schädelbasisabdeckung mit Polydioxanon-Folie im Bereich der Fossa cranii posterior sowie die organerhaltende Reposition der Meningoencephalocele über einen transtemporalen Zugangsweg. Die sich anschließende intraoperative, technische CI-Überprüfung ergab regelrechte Ergebnisse. Auch radiologisch konnte eine regelhafte intracochleäre Elektrodenlage sowie eine suffiziente Defektdeckung dokumentiert werden ([ Abb. 4a ]).

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Abb. 3 Intraoperativer Situs: Mastoid rechts mit eingewachsener CI-Elektrode (gelbe Markierung) angrenzend an die Meningoencephalocele, Schädelbasis (blaue Markierung), Mastoidspitze (grüner Pfeil)
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Abb. 4 a CT-Felsenbein rechts [coronar]: Postoperative Kontrolle der Schädelbasisabdeckung (blaue Markierung), Mastoidhöhle (gelber Pfeil); b MRT-Felsenbein [axial,T2-gwichtet]: Artefaktschatten über dem rechten Felsenbein und Kleinhirn durch Magnet des Cochlea Implantates (rote Markierung)

Im weiteren postoperativen Verlauf gab der Patient nun eine deutliche Besserung und Reduktion der Schmerzsymptomatik (ohne Analgetikabedarf) rechts an.


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  • Literatur

  • 1 Kisser U, Adderson-Kisser C, Förster M. et al. Prevalence of Headache in Cochlear Implant Patients: A Cross-sectional Study. Otol Neurotol 2016; Dec 37 (10) 1555-1559
  • 2 Charakorn N, Snidvongs K. Chronic sphenoid rhinosinusitis: management challenge. J Asthma Allergy 2016; Nov 9 9: 199-205 eCollection 2016
  • 3 Alijani B, Bagheri HR, Chabok SY. et al. Posttraumatic Temporal Bone Meningocele Presenting as a Cystic Mass in the External Auditory Canal. J Craniofac Surg 2016; Jul 27 (05) e481-4 doi: 10.1097/SCS.0000000000002803
  • 4 Manjila S, Wick CC, Cramer J. et al. Meningoencephalocele of the temporal bone: pictorial essay on transmastoid extradural-intracranial repair. Am J Otolaryngol 2013; Nov-Dec 34 (06) 664-75 doi: 10.1016/j.amjoto.2013.05.004. Epub 2013 Jul 17
  • 5 Lundy LB, 1 Graham MD, Kartush JM. et al. Temporal bone encephalocele and cerebrospinal fluid leaks. Am J Otol 1996; May 17 (03) 461-9