Hintergrund: Frühe Hilfen (FH) sind niedrigschwellige, freiwillige und vernetzte Beratungs- und
Unterstützungsangebote für (werdende) Eltern und Familien mit Kindern bis drei Jahre.
FH unterstützen Familien in ihrer Selbstständigkeit und Eigenverantwortung, stärken
elterliche Bindungs-, Beziehungs- und Versorgungskompetenzen und fördern das gesunde
Aufwachsen. Zielgruppe sind insbesondere Familien in herausfordernden Situationen,
gesundheitlichen oder sozialen Krisen und familiären Problemkonstellationen. Dafür
sind erhöhte Sensibilität, ein geschulter fachkundiger Blick, Beratungskompetenz sowie
die Kenntnis der Leistungen, Verfahren, Arbeitsweisen, Zugangswege und Kapazitäten
der verschiedenen Netzwerkpartner essentiell. Nur durch enge Zusammenarbeit und Koordination
in gemeinsamer Verantwortung können Kinder bestmöglich vor Gefahren geschützt und
ihnen eine gesunde und sichere Entwicklung ermöglicht werden. Wenn medizinische Fachkräfte
in pädiatrischen Praxen Anzeichen psychosozialer Belastungen und Herausforderungen
der aktuellen Familiensituation sowie der Eltern-Kind-Interaktion wahrnehmen, fehlt
oft die Zeit, Sicherheit und fundierte Kenntnis, um Familien mit Unterstützungsbedarf
ansprechen und ggf. in dem Netzwerk FH passgenau vermitteln zu können. Eine Qualifizierung
von Fachkräften in Kinderarztpraxen zum Thema FH und Kinderschutz bietet hierzu einen
innovativen Ansatz, um die gelebte gute Praxis und Qualität der Angebote des Amtes
für Gesundheit und Prävention (insb. der Familienhebammen, Familienkinderkrankenschwestern,
(Schrei-)Babysprechstunde, Sozialarbeitenden, medizinische Kinderschutzfachkräfte)
als wichtigem Netzwerkpartner mit dem besonderen Vertrauensvorschuss der Praxen bei
den Familien für eine noch bessere, ganzheitliche Versorgung von Kindern zu verbinden.
Umsetzung: Gemeinsam mit der Start gGmbH (www.start-ggmbh.de) als Kooperationspartner wurde eine modulare Fortbildung für medizinische Fachkräfte
von Kinderarztpraxen in der Stadt Dresden umgesetzt, bestehend aus vier Modulen à
vier Stunden ergänzt um ein Modul zum medizinischen Kinderschutz sowie zwei Stunden
Selbststudium anhand vorgegebener Materialien. Es handelt sich um eine zertifizierte,
für die Teilnehmenden kostenfreie Qualifizierung. Ziele sind neben der Wissensvermittlung
zu FH und Kinderschutz, die Erhöhung der Handlungskompetenz der Teilnehmenden in ihrer
Beratungs- und Vermittlungsfunktion. Das Kennenlernen der regionalen Angebote im Netzwerk
FH mit ihren Akteur*innen, die ressourcenorientierte und wertschätzende Kommunikation
mit Familien, das Rollenverständnis der Lotsinnenfunktion sowie Möglichkeiten von
Fallbesprechungen und der Raum für Fachaustausch bilden den Rahmen der praxisorientierten
Qualifizierung.
Diskussion: An der Qualifizierung in Dresden nahmen neun Fachangestellte aus Kinderarztpraxen
teil. Die Zusammenarbeit zwischen den Kinderarztpraxen und dem Amt für Gesundheit
und Prävention wurde intensiviert. Die Kinderarztpraxen erhielten einen effizienteren
Zugang zum lokalen Netzwerk FH. Die medizinischen Fachkräfte erfuhren einen persönlichen
Kompetenzzuwachs bzw. eine Stärkung des Vertrauens in die eigenen Möglichkeiten und
des Verantwortungsgefühls. Sie erlernten Strategien zur Entlastung vor allem in herausfordernden
Patient*innenkontakten. Die Praxen profilieren sich darüber hinaus durch eine zertifizierte
Professionalisierung der familienfreundlichen und kindzentrierten Praxisarbeit. Die
Fachangestellten wirken auch als Multiplikator*innen im Setting der medizinischen
Basisversorgung und vergrößern die Reichweite von bestehenden Unterstützungsangeboten.
Kinder und Familien profitieren nun noch stärker von einer effizienteren, bedarfsgerechteren
Begleitung und Unterstützung nicht nur zu medizinischen Fragen.
Das Vorgehen sowie die bisherigen Praxiserfahrungen und Erkenntnisse können weiteren
Kommunen für die Initiierung und Durchführung ähnlicher Qualifizierungen dienen, um
mehr Familien noch niederschwelliger, früher und bedarfsorientierter unterstützen
zu können. Nach erfolgreicher Pilotierung ist die Etablierung und Evaluierung des
Angebotes in der Landeshauptstadt Dresden geplant. Mit der Fachwelt sollen weitere
Möglichkeiten zur Sensibilisierung und Qualifizierung von Fachkräften im Gesundheitsbereich
diskutiert werden.