Gesundheitswesen 2025; 87(S 01): S86-S87
DOI: 10.1055/s-0045-1802067
Abstracts │ BVÖGD, BZÖG, DGÖG, LGL
03.04.2025
Aus- und Fortbildung
11:00 – 12:30

Brücke in die Frühen Hilfen – Frühe Hilfen und Kinderschutz für medizinische Fachkräfte in Kinderarztpraxen der Landeshauptstadt Dresden

Autoren

  • R Blümel

    1   Amt für Gesundheit und Prävention Dresden
  • J Rötzsch

    1   Amt für Gesundheit und Prävention Dresden
  • N Schmitt

    1   Amt für Gesundheit und Prävention Dresden
  • M Müller

    1   Amt für Gesundheit und Prävention Dresden
  • T Dolk

    1   Amt für Gesundheit und Prävention Dresden
 
 

Hintergrund: Frühe Hilfen (FH) sind niedrigschwellige, freiwillige und vernetzte Beratungs- und Unterstützungsangebote für (werdende) Eltern und Familien mit Kindern bis drei Jahre. FH unterstützen Familien in ihrer Selbstständigkeit und Eigenverantwortung, stärken elterliche Bindungs-, Beziehungs- und Versorgungskompetenzen und fördern das gesunde Aufwachsen. Zielgruppe sind insbesondere Familien in herausfordernden Situationen, gesundheitlichen oder sozialen Krisen und familiären Problemkonstellationen. Dafür sind erhöhte Sensibilität, ein geschulter fachkundiger Blick, Beratungskompetenz sowie die Kenntnis der Leistungen, Verfahren, Arbeitsweisen, Zugangswege und Kapazitäten der verschiedenen Netzwerkpartner essentiell. Nur durch enge Zusammenarbeit und Koordination in gemeinsamer Verantwortung können Kinder bestmöglich vor Gefahren geschützt und ihnen eine gesunde und sichere Entwicklung ermöglicht werden. Wenn medizinische Fachkräfte in pädiatrischen Praxen Anzeichen psychosozialer Belastungen und Herausforderungen der aktuellen Familiensituation sowie der Eltern-Kind-Interaktion wahrnehmen, fehlt oft die Zeit, Sicherheit und fundierte Kenntnis, um Familien mit Unterstützungsbedarf ansprechen und ggf. in dem Netzwerk FH passgenau vermitteln zu können. Eine Qualifizierung von Fachkräften in Kinderarztpraxen zum Thema FH und Kinderschutz bietet hierzu einen innovativen Ansatz, um die gelebte gute Praxis und Qualität der Angebote des Amtes für Gesundheit und Prävention (insb. der Familienhebammen, Familienkinderkrankenschwestern, (Schrei-)Babysprechstunde, Sozialarbeitenden, medizinische Kinderschutzfachkräfte) als wichtigem Netzwerkpartner mit dem besonderen Vertrauensvorschuss der Praxen bei den Familien für eine noch bessere, ganzheitliche Versorgung von Kindern zu verbinden.

Umsetzung: Gemeinsam mit der Start gGmbH (www.start-ggmbh.de) als Kooperationspartner wurde eine modulare Fortbildung für medizinische Fachkräfte von Kinderarztpraxen in der Stadt Dresden umgesetzt, bestehend aus vier Modulen à vier Stunden ergänzt um ein Modul zum medizinischen Kinderschutz sowie zwei Stunden Selbststudium anhand vorgegebener Materialien. Es handelt sich um eine zertifizierte, für die Teilnehmenden kostenfreie Qualifizierung. Ziele sind neben der Wissensvermittlung zu FH und Kinderschutz, die Erhöhung der Handlungskompetenz der Teilnehmenden in ihrer Beratungs- und Vermittlungsfunktion. Das Kennenlernen der regionalen Angebote im Netzwerk FH mit ihren Akteur*innen, die ressourcenorientierte und wertschätzende Kommunikation mit Familien, das Rollenverständnis der Lotsinnenfunktion sowie Möglichkeiten von Fallbesprechungen und der Raum für Fachaustausch bilden den Rahmen der praxisorientierten Qualifizierung.

Diskussion: An der Qualifizierung in Dresden nahmen neun Fachangestellte aus Kinderarztpraxen teil. Die Zusammenarbeit zwischen den Kinderarztpraxen und dem Amt für Gesundheit und Prävention wurde intensiviert. Die Kinderarztpraxen erhielten einen effizienteren Zugang zum lokalen Netzwerk FH. Die medizinischen Fachkräfte erfuhren einen persönlichen Kompetenzzuwachs bzw. eine Stärkung des Vertrauens in die eigenen Möglichkeiten und des Verantwortungsgefühls. Sie erlernten Strategien zur Entlastung vor allem in herausfordernden Patient*innenkontakten. Die Praxen profilieren sich darüber hinaus durch eine zertifizierte Professionalisierung der familienfreundlichen und kindzentrierten Praxisarbeit. Die Fachangestellten wirken auch als Multiplikator*innen im Setting der medizinischen Basisversorgung und vergrößern die Reichweite von bestehenden Unterstützungsangeboten. Kinder und Familien profitieren nun noch stärker von einer effizienteren, bedarfsgerechteren Begleitung und Unterstützung nicht nur zu medizinischen Fragen.

Das Vorgehen sowie die bisherigen Praxiserfahrungen und Erkenntnisse können weiteren Kommunen für die Initiierung und Durchführung ähnlicher Qualifizierungen dienen, um mehr Familien noch niederschwelliger, früher und bedarfsorientierter unterstützen zu können. Nach erfolgreicher Pilotierung ist die Etablierung und Evaluierung des Angebotes in der Landeshauptstadt Dresden geplant. Mit der Fachwelt sollen weitere Möglichkeiten zur Sensibilisierung und Qualifizierung von Fachkräften im Gesundheitsbereich diskutiert werden.


Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
11. März 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany