Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 1999; 34(10): 603-615
DOI: 10.1055/s-1999-214
GESCHICHTE DER ANÄSTHESIE
Georg Thieme Verlag Stuttgart ·New York

Das Universitäts-Krankenhaus Eppendorf, Hamburg - Eine Wiege der deutschsprachigen Anästhesie?*

University Hospital Eppendorf, Hamburg - A Cradle of German-Speaking Anesthesia?M. Goerig
  • Klinik für Anästhesiologie, Universitäts-Krankenhaus Eppendorf, Hamburg (Direktor: Prof. Dr. J. Schulte am Esch)
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Publication Date:
31 December 1999 (online)

Zusammenfassung.

„Die Zeit ist sicher nicht mehr fern, wo auch die deutsche Medizin sich mit der Frage des Berufsnarkotiseurs wird beschäftigen müssen. Bis dahin bleibt es unsere Pflicht, das Interesse an der Narkose, das in den letzten Jahren so erfreulich gewachsen ist, wachzuhalten und zu mehren.” Mit diesem Statement begründete 1928 u. a. die Schriftleitung der Zeitschrift „Der Schmerz” die Herausgabe einer deutschsprachigen Anästhesiezeitschrift. Das Erscheinen der neuen Fachzeitschrift war wesentlich dem Engagement des in Hamburg als Berufsanästhesisten wirkenden Ernst von der Porten zu verdanken. Möglicherweise wurde von der Porten durch seinen früheren Lehrer, den Eppendorfer Chirurgen Paul Sudeck angeregt, sich eingehender mit unserem Fachgebiet auseinanderzusetzen. Sudeck hatte sich schon frühzeitig mit anästhesiebezogenen Fragestellungen beschäftigt und in seinem Mitarbeiter Helmut Schmidt einen begeisterten Anhänger des damals in Deutschland noch weitgehend unbekannten „Narkosespezialismus” gefunden. Nachdem sich Schmidt über eine anästhesiebezogene Thematik habilitiert hatte, war dies für die Schriftleitung ein neuerlicher Grund, in einem Editorialbeitrag darauf hinzuweisen. Schmidt, der im Spätsommer 1928 auch maßgeblich an der Vorbereitung und Durchführung der „90. Tagung Deutscher Naturforscher und Ärzte” in Hamburg beteiligt war, konnte damals mit anderen Gleichgesinnten die geplante Gründung einer Deutschen Narkosegesellschaft nicht realisieren, da dies chirurgischerseits verhindert wurde. Erst nach dem 2. Weltkrieg setzte unter Einfluß anglo-amerikanischer Narkosespezialisten ein Umdenken auch bei den Chirurgen in Deutschland ein. Nach Gründung der „Deutschen Gesellschaft für Anaesthesie” im Jahre 1953 wurde mit Karl Horatz - einem der Gründungsmitglieder - 10 Jahre später erstmals ein Lehrstuhl für das Fachgebiet der Anästhesie in Deutschland besetzt. Nicht überraschend wurde der Lehrstuhl am Universitäts-Krankenhaus Eppendorf errichtet, einer Institution, die schon seit ihrem Bestehen zur Wiege der deutschsprachige Anästhesie gezählt werden darf. Im folgenden soll auf einige der vom „Neuen Allgemeinen Krankenhaus Eppendorf” ausgehenden Impulse eingegangen werden, die im Verlauf der Jahrzehnte für unser Fach bedeutsam geworden sind.

The time will come when German medicine, too, will have to concern itself with the issue of a professional narcotiseur. Until then it will be our duty to keep the interest in narcosis, which has increased satisfactorily in the past years, alive. With this statement the editors of the journal Der Schmerz substantiated the publication og a German-speaking anestesiological journal in 1928. Ernst von der Porten, a professional anesthesist working in Hamburg was the chief initiator for the appearance of the new journal. Possible he was incited by his former teacher, the Eppendorf surgeon Paul Sudeck, to delve deeper into our special field. Very early Sudeck himself began to concern himself with anesthesiological questions and he found an ardent supporter of the idea of specialisation in anesthesiology (quite unheard of in Germany at that time) in Helmut Schmidt, a staff member. Schmidt habilitated on an anesthesiological theme and that again was reason enough for the editors to write an editorial about. Schmidt who one of the chief organizers of the 90. Tagung Deutscher Naturforscher und Ärzte in the late summer of 1928 was hindered by the surgeons on founding the Deutsche Narkosegesellschaft (German Narcosis Society) with colleagues. After World War II German surgeons rethought their position, mainly influenced by Anglo-American narcosis specialists. After the foundation of the Deutsche Gesellschaft für Anaesthesiein the year 1953, the first professorate for the special field of anesthesiology was given to Karl Horatz - one of the founding members - 10 years later. Not surprisingly the professorate was instituted at the university hospital in Eppendorf which could be called the cradle of German-speaking anesthesia. The following concerns itself with some of the impulses that were given by the Neues Allgemeines Krankenhaus Eppendorf and became important stepping stones in our special field through the decades.

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Dr. med. M. Goerig

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