Suchttherapie 2000; 1(2): 63-66
DOI: 10.1055/s-2000-15605
Schwerpunktthema
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Vergleich Methadon- und Heroinverschreibungen in der Schweiz

Anja Dobler-Mikola1 , Silvia  Pfeifer2 , Verena  Müller2 , Ambros Uchtenhagen2
  • Scientific Consulting on Drug Research, Tsigkounas, Heraklion Crete
  • , Institut für Suchtforschung, Zürich
Further Information

Ambros Uchtenhagen

Institut für Suchtforschung

Konradstraße 32

8031 Zürich

Schweiz

Publication History

Publication Date:
31 December 2000 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Die Studie geht der Frage nach, inwiefern die Ergebnisse aus der heroingestützten Behandlung in der Schweiz anders ausfallen als bei Methadonsubstituierten. Patienten aus strukturell ähnlichen Methadon- bzw. Heroinpolikliniken werden verglichen. In der heroingestützten Behandlung ist die Betreuung allerdings intensiver. Die Ergebnisse zeigen, dass Patienten in Heroinbehandlung stärker marginalisiert sind. Patienten in beiden Substitutionen zeigen Rehabilitationsfortschritte. Die Abnahme des illegalen Drogengebrauchs ist in der Heroinbehandlung deutlicher. Daraus kann nicht auf eine generelle Überlegenheit des Heroins ­geschlossen werden. Es wird ein Interaktionseffekt zwischen Heroin als Substitut, der intensiveren Betreuung und dem ­höheren Grad an Verbindlichkeit und Motivation postuliert.

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Comparison of Methadone vs. Heroin Prescribing in Switzerland

This paper compares the results of two types of substitution treatment : Heroin prescription and prescription of oral Methadone. Patient data from out-patient clinics providing Heroin or Methadone are compared. The clinics have similar structures, but in the Heroin clinics the psychosocial care is more intensive. The results show more marginalisation of patients in Heroin clinics. Improvements during treatment can be observed in both types of clinics. The reduction in illegal drug use however is more outspoken in the Heroin clinics. This does not indicate a superiority of pharmaceutical Heroin as a substitute for street Heroin. We hypothesize an interaction between the substiution drug Heroin, the intensive care and a high degree of patient motivation and committment.

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Einleitung

Unterschiedliche Ideologien haben zu einer unterschiedlichen Handhabung der Substitutionsbehandlungen in verschiedenen Ländern geführt. Die Schweiz weist eine lange Erfahrung mit der Methadonabgabe als einem integralen Teil des Behandlungsangebots auf. Seit Mitte der 80-er Jahre wurde der Zugang zu Methadonbehandlungen sukzessive erleichtert, da die zunehmende Verschlechterung der sozialen und gesundheitlichen Situation der Drogengebrauchenden eine Neuorientierung der Behandlungspolitik notwendig machte. Die neu eingeführte niedrigschwellige Methadonbehandlung ­erwies sich jedoch nicht im Stande, alle Segmente der Drogengebrauchenden für eine erfolgreiche Behandlung zu erreichen. 1992 hat der Schweizerische Bundesrat ein Maß­nahmenpaket zur Verminderung der Drogenprobleme verabschiedet, das auch eine wissenschaftliche Studie zur ärztlich kontrollierten Betäubungsmittelabgabe mit Einbezug von Heroin vorsah. Heroin sollte vor allem an Drogengebrauchende verschrieben werden, die von den bisherigen Therapieangeboten nicht genügend erreicht werden konnten. An den Polikliniken für eine heroingestützte Behandlung war neben der Heroinabgabe eine umfassende psychosoziale Begleitbetreuung vorgesehen.

Die Begleitstudie zu dieser Behandlung hat gezeigt, dass die vorgesehene Zielgruppe weitgehend erreicht werden konnte. Während der Behandlung fanden bei den Betroffenen eindrückliche Verbesserungen der sozialen und gesundheit­lichen Situation statt [14]. Die Frage, inwiefern sich diese ­Ergebnisse von denjenigen der Methadonbehandlung unterscheiden, konnte jedoch noch nicht angegangen werden. Daran knüpft die Studie an, auf welcher der vorliegende Artikel basiert [3]. Die zentralen Fragestellungen lauten:

  • Wie unterscheiden sich die Personen, die eine heroinunterstützte Behandlung aufnehmen, von denjenigen, die in eine Methadonpoliklinik eintreten?

  • Wie gut sind Patienten in heroingestützter Behandlung sozial rehabilitiert im Vergleich zu denjenigen in methadongestützter Therapie?

Um diese Fragen in einem adäquaten Rahmen untersuchen zu können, müssen einleitend einige Überlegungen zur Bedeutung der Substitutionsbehandlung innerhalb des Therapieangebotes für Drogengebrauchende gemacht werden.

Ziel der Methadonbehandlung - oder generell der Substitu­tionsbehandlung - ist nicht in erster Linie die Erreichung einer Abstinenz, sondern die soziale Rehabilitation. Der Grundgedanke der Behandlung besteht darin, dass es durch die ­Abgabe eines Ersatzstoffes für das Straßenheroin (in den meisten Fällen des Methadons) dem Drogengebrauchenden ermöglicht wird, auf illegale Rauschmittel zu verzichten. Dadurch kann eine soziale Rehabilitation eingeleitet werden, da die Betroffenen nicht mehr auf die Transaktionen innerhalb des illegalen Drogenmarktes angewiesen sind [5].

Welche Bedingungen im Rahmen der Intervention sind nun für eine erfolgreiche soziale Rehabilitation wichtig? Genügt es, wenn die Drogengebraucher ihre „Droge” (als Substitut oder als Originalstoff) legal erhalten oder sind ergänzende Behandlungsangebote notwendig? Resultate aus verschiedenen Studien zeigen, dass bereits die Möglichkeit eines raschen Eintrittes in eine Substitutionsbehandlung wichtig ist [2] [6] [7]. Auch wenn Substitutionsbehandlungen in der Regel mehrere Jahre beanspruchen, können bereits im ersten Jahr Fortschritte in der sozialen Rehabilitation beobachtet werden: Der illegale Drogengebrauch nimmt ab und die kriminellen Aktivitäten lassen nach, die soziale Situation stabilisiert sich und die Gesundheit verbessert sich [1] [8] [11] [12] [15].

Die Diskussion über die Notwendigkeit psychosozialer Angebote und über das Ausmaß einer solchen Betreuung im Rahmen der Substitutionsbehandlungen ist kontrovers [15]. Die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen zeigen deutlich, dass die Antwort nicht einfach pro oder contra psychosoziale Begleitbetreuung lautet. Es bleibt zwar unumstritten, dass der Ausgang einer Substitutionsbehandlung umso positiver ausfällt, je besser die psychosoziale Begleitbetreuung organisiert ist [1] [9] [11]. Die Tatsache aber, dass bereits eine einfache niedrigschwellige Abgabe eines Betäubungsmittels zur Verbesserung der Lebenssituation bei einem Teil der Betroffenen beiträgt, wird auch von diesen Studien belegt.

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Methodik

Eines der vielzitierten Probleme der schweizerischen Studie zur heroingestützten Behandlung ist das Fehlen einer Kontrollgruppe. Die Grundidee der vorliegenden Studie war die Schaffung einer Vergleichsgruppe. Aus diesem Grunde wurden Patienten aus Methadonpolikliniken rekrutiert, die unter derselben Trägerschaft wie die heroingestützten Behandlungen geführt wurden. Da die Teilnahme an der Studie für die Patienten der Methadonpolikliniken nicht obligatorisch war, konnte nur ein Teil der potenziellen Studienteilnehmenden für die Teilnahme motiviert werden (119 von 281). In den Heroinpolikliniken konnten alle Neueintritte (227) erfasst werden, da die Studienteilnahme ein Bestandteil der Behandlung war. Während der Studie schieden in beiden Programmen ­Patienten aus: 56 in der Methadonbehandlung und 53 in der Heroinbehandlung. Sie verließen die Behandlung oder - in den Methadonpolikliniken - waren nicht mehr motiviert, an der Studie mitzumachen. In den Heroinbehandlungsstellen konnte ein Teil der Eintretenden (86) nach einem Jahr nicht mehr befragt werden, da die Interviewphase der wissenschaftlichen Studie zur heroingestützten Behandlung im Februar 1997 abgeschlossen wurde und die Betroffenen bis zu diesem Zeitpunkt noch keine 12 Monate im Programm waren. Die Stichproben für die Ein-Jahres-Befragung betragen für die Methadonbehandlung 63 und für die Heroinbehandlung 88 Patienten.

Da ein großer Teil der Patienten in den Methadonpolikliniken nicht erreicht werden konnte, wurden eventuelle Selektionseffekte im Rahmen einer zusätzlichen Studie geprüft. In dieser wurden die Daten basierend auf den Krankengeschichten aller neueingetretenen Methadonpatienten mit den Daten der Studienteilnehmenden verglichen. Die für die Studie nicht Motivierten unterschieden sich nur bezüglich der Dauer des Behandlungsaufenthaltes signifikant von den Studienteilnehmenden: Sie verließen die Behandlung signifikant häufiger bereits in den ersten drei Monaten [10].

Personen, die das Verlaufsinterview verweigerten oder aus der Behandlung frühzeitig austraten, unterschieden sich nicht von denjenigen, die in der Studie blieben [4].

Die Erhebungsinstrumente bei den Patienten aus den Methadonpolikliniken basierten auf den Fragebogen, die in der schweizerischen Studie über die heroingestützte Behandlung verwendet wurden [13] [14]. Die Daten wurden in FileMaker eingegeben und in SPSS-Files umgewandelt. Die Datenbereinigung erfolgte durch Häufigkeits- und Plausibilitätskontrollen. Alle statistischen Analysen wurden mit dem Statistikpaket SPSS für Macintosh, Version 6.1.1, gerechnet. Da das Ziel des ersten Vergleichs [3] und auch des vorliegenden Übersichtsartikels eine vergleichende Beschreibung der beiden Studiengruppen ist, werden deskriptive Statistiken zur Veranschaulichung der Ergebnisse verwendet.

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Ergebnisse

Vergleicht man die Charakteristika der Methadon- und He­roinpatienten zeigt sich Folgendes: Die Mehrheit der Pa­tienten aus beiden Behandlungsmodalitäten ist männlich. Methadonpatienten sind etwas jünger: Ihr Durchschnittsalter beträgt 29 Jahre (median) gegenüber 31 Jahre bei den Patienten aus heroingestützter Behandlung. Entsprechend benutzen die Methadonpatienten weniger lang Heroin (6 versus 10 Jahre; median) und haben weniger häufig Substitutions- und/oder Entzugsbehandlungen hinter sich. Diese Fakten können möglicherweise eine Erklärung dafür bieten, dass Methadonsubstituierte weniger häufig Renten oder finanzielle Unterstützung vom Sozialamt beziehen (Tab. [1]).

Betrachtet man die Kontakte zur Drogenszene sowie die Gebrauchsmuster von illegalen Drogen, scheinen die Methadonsubstituierten weniger „szenennah” zu sein: Sie berichten weniger häufig über illegale oder andere, mit ihrem Drogengebrauch in Zusammenhang stehende „halblegale” Aktivitäten (Tab. [4]). Sie weisen auch etwas weniger häufig einen Mehrfachgebrauch von verschiedenen Drogen auf. Sie benutzen weniger häufig Kokain als Personen aus heroingestützter Behandlung (Tab. [3]).

Wie bereits erwähnt, ist die soziale Rehabilitation ein wichtiges Ziel der Substitutionsbehandlung. Von besonderem Inte­resse im vorliegenden Vergleich ist deshalb die Frage, inwieweit sich die Lebensbedingungen der Patienten im Verlauf der Behandlung verändern und inwiefern sich die Ergebnisse der Patienten in Methadonbehandlung und der Patienten in he­roingestützter Behandlung unterscheiden.

Betrachtet man die Ergebnisse, können zum Teil unterschiedliche Trends identifiziert werden.

Tab. 1 Soziale Integration in den letzten 6 Monaten vor der Eintritts- und Verlaufsbefragung

Heroin (n = 88)

Methadon (n = 63)

Eintritt

1-Jahres-Verlauf

Eintritt

1-Jahres-­Verlauf

instabile Wohnsituation

51 %

23 %

52 %

27 %

McNemar Chi2

***

*

keine Beschäftigung

71 %

46 %

56 %

53 %

Sign test

***

n. s.

finanziell durch Sozialamt unterstützt

53 %

51 %

35 %

40 %

McNemar Chi2

n. s.

n. s.

Invalidenrente

26 %

34 %

10 %

13 %

McNemar Chi2

**

n. s.

Die Heroinsubstituierten zeigen deutlichere Verbesserungen bezüglich ihrer sozialen Integration als die Methadonsubstituierten (Tab. [1]). Besonders ist es ihnen häufiger gelungen, ­innerhalb des Arbeitsmarktes mindestens teilweise Fuß zu fassen. Sie sind aber trotzdem weiterhin häufiger auf eine finanzielle Unterstützung durch das Sozialamt angewiesen. Der Anteil der Rentenbeziehenden hat während der Behandlung signifikant zugenommen, während dieser Anteil unter den Patienten in Methadonbehandlung konstant geblieben ist.

Die Heroinsubstituierten verändern auch ihren Drogengebrauch nachhaltiger.

Tab. 2 Illegaler Heroingebrauch in den letzten 6 Monaten vor der Eintritts- und Verlaufsbefragung

Heroin (n = 88)

Methadon (n = 63)

Eintritt

1-Jahres-Verlauf

Eintritt

1-Jahres-Verlauf

kein Gebrauch

0 %

86 %

3 %

18 %

gelegentlicher Gebrauch

14 %

12 %

39 %

66 %

täglicher Gebrauch

86 %

3 %

57 %

16 %

Sign test

***

***

In beiden Untersuchungsgruppen zeigt sich eine Reduktion des Gebrauchs von illegalem Heroin während den ersten 12 Behandlungsmonaten (Tab. [2]). Die Heroinsubstituierten weisen zu Behandlungsbeginn einen intensiveren Heroingebrauch auf als die Methadonsubstituierten. Nach 12 Monaten sind sie jedoch deutlich häufiger in der Kategorie „kein He­roinkonsum” zu finden.

Tab. 3 Illegaler Kokaingebrauch in den letzten 6 Monaten vor der Eintritts- und Verlaufsbefragung

Heroin (n = 88)

Methadon (n = 63)

Eintritt

1-Jahres-Verlauf

Eintritt

1-Jahres-Verlauf

Kein Gebrauch

15 %

56 %

32 %

43 %

Gelegentlicher Gebrauch

64 %

40 %

54 %

48 %

Täglicher Gebrauch

21 %

4 %

14 %

9 %

Sign test

***

n. s.

Hinsichtlich des Kokainkonsums zeigen sich ähnliche Ergebnisse (Tab. [3]). Der Anteil der Kokainbenützenden liegt bei den Heroinsubstituierten zu Behandlungsbeginn deutlich höher als bei den Methadonsubstituierten. Im ersten Behandlungsjahr nimmt der Kokaingebrauch bei den Heroinsubstituierten signifikant ab und sie berichten in der Ein-Jahres-Befragung seltener über Kokaingebrauch als die Methadonsubstituierten.

Tab. 4 Szenennahe Aktivitäten in den letzten 30 Tagen vor der Eintritts- und Verlaufsbefragung

Heroin (n = 88)

Methadon (n = 63)

Kontakte zur
Drogenszene

Eintritt

1-Jahres-Verlauf

Eintritt

1-Jahres-Verlauf

An 21-30 Tagen

44 %

11 %

40 %

24 %

An 8-20 Tagen

19 %

5 %

19 %

16 %

An 1-7 Tagen

21 %

26 %

27 %

40 %

Nie

17 %

59 %

14 %

21 %

Sign test

***

*

Illegales Einkommen

51 %

7 %

27 %

13 %

Sign test

***

*

Der häufigere Gebrauch von illegalen Drogen während der Behandlung bei den Methadonsubstituierten geht offensichtlich mit einem höheren Ausmaß an szenennahen Aktivitäten einher (Tab. [4]). Personen aus beiden Untersuchungsgruppen haben zwar während des ersten Behandlungsjahrs die Kontakte zur Drogenszene signifikant abgebaut, aber auch hier zeigen die Patienten aus heroingestützter Behandlung deutlichere Veränderungen: Sie berichten besonders häufig, dass sie die Drogenszene nie mehr aufgesucht haben, während die Patienten aus Methadonbehandlung lediglich die Frequenz ihrer Drogenszenenkontakte reduzierten.

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Diskussion

Ein wichtiges Ziel der Substitutionsbehandlung ist die Normalisierung des täglichen Lebens der Drogengebrauchenden. Soziale Rehabilitation bedeutet, dass die Betroffenen ihre soziale Situation regeln können und fähig sind, sich außerhalb der Drogen benützenden Kreise zu integrieren. Studien an Patienten in Methadonbehandlung sowie die Begleitevaluation der Pilotphase der heroingestützten Behandlung in der Schweiz zeigen, dass eine solche Normalisierung bei einem großen Teil der Drogengebrauchenden mithilfe der Methadon- und/oder Heroinabgabe verwirklicht werden kann [11] [14] [15]. Ziel der Studie, auf welcher der vorliegende Artikel basiert, war, im schweizerischen Kontext die Rehabilitationsverläufe der Pa­tienten in Methadon- und Heroinbehandlung zu vergleichen [3]. Der Vergleich basiert nicht auf randomisierten Stichproben, sondern auf einem naturalistischen Design, da die für randomisierte Studien typischen Selektionseffekte bei der Rekrutierung von Patienten vermieden werden sollten [14].

Betrachtet man die Ergebnisse der Studie gesamthaft, können einige vorläufige Schlussfolgerungen formuliert werden. Da es sich hier um Ergebnisse eines neuen, ersten Vergleichs der beiden Behandlungsformen in einem naturalistischen Design handelt, müssen diese Schlussfolgerungen als Hypothesen verstanden werden, die es in zusätzlichen Studien weiter zu untersuchen gilt.

Die Patienten in den beiden Behandlungsformen unterscheiden sich teilweise: Die Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass in der Pilotphase der heroingestützten Behandlung häufiger Personen mit schwereren sozialen Defiziten aufgenommen wurden, als dies bei den Methadonbehandlungen der Fall war. Die beiden Untersuchungsgruppen zeigen aber auch Gemeinsamkeiten, welche die Vermutung nahe legen, dass die Selbstselektion für eine der beiden Substitutionsarten auch motivationale Aspekte beinhaltet, die in weiteren Untersuchungen genauer angegangen werden müssen.

Betrachtet man die Abnahme des illegalen Beigebrauchs von Heroin und Kokain während der Behandlung als wichtigen Indikator der sozialen Rehabilitation, scheint die heroingestützte Behandlung der Methadonbehandlung in schweizerischen Polikliniken diesbezüglich überlegen zu sein.

Die Frage, inwiefern die beobachtete Überlegenheit der he­roingestützten Behandlung auf die Überlegenheit des legalen Heroins gegenüber dem Methadon als Ersatzmittel für das Straßenheroin zurückzuführen ist, kann mit den vorliegenden Ergebnissen nicht beantwortet werden. Die untersuchten Behandlungsformen unterscheiden sich auch hinsichtlich der Organisation und dem Ausmaß an Begleitbetreuung. Bereits die Tatsache, dass die Heroinabgabe ein mehrmaliges Erscheinen an der Betreuungsstelle voraussetzt, impliziert eine ­höhere Kontaktdichte zwischen den Behandelnden und den Behandlungsteilnehmenden.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen kann ein Interak­tionseffekt zwischen dem Heroin als Substitutionsmittel und der Begleitbetreuung postuliert werden. Die Bedeutung des Heroins dürfte v. a. in der größeren Akzeptanz und damit in der höheren Behandlungsmotivation der Patienten liegen. Dadurch wird eine auf einer höheren gegenseitigen Verbindlichkeit beruhende psychosoziale Betreuung ermöglicht, die sich in besseren Rehabilitationsergebnissen niederschlägt.

In zukünftigen Auseinandersetzungen über die Substitutionsmittel und den Stellenwert der Begleitbetreuung wäre es darum wichtig, solche komplexen Zusammenhänge innerhalb gezielter Fallkontroll-Studien anzugehen, anstatt sich immer wieder in unfruchtbaren und für die betroffenen Drogengebrauchenden nutzlosen ideologischen Streitigkeiten zu verlieren. Bereits heute zeigt eine Übersicht der Evaluationsstudien eindrücklich, dass eine Einheitsbehandlung die Antwort nicht sein wird. Ein gutes Behandlungssystem muss verschiedene Modalitäten hinsichtlich Begleitbetreuung und Substitutionsmittel anbieten.

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Literatur

  • 1 Ball J, Ross A. The Effectiveness of Methadone Maintenance Treatment. New York; Springer 1991
  • 2 Bell J, Digiusto E, Byth K. Who should receive methadone maintenance?.  Br J Addict. 1992;  87 689-694
  • 3 Dobler-Mikola A, Pfeifer S, Müller V, Uchtenhagen A. Methadon- und heroinunterstützte Behandlung Opiatabhängiger im Vergleich. Zürich; Forschungsbericht aus dem Institut für Suchtforschung, Nr. 62 1998
  • 4 Dobler-Mikola A, Pfeifer S, Frei A, Müller V, Paris D, Uchtenhagen A. Evaluation von Methadonbehandlungen in der Deutsch- und Westschweiz: Fortsetzung der Methadonvergleichsstudie. Zürich; Forschungsbericht aus dem Institut für Suchtforschung, Nr. 130 2000
  • 5 Dobler-Mikola A. Frauen und Männer mit harten Drogen. Eine empirische Analyse der geschlechtsspezifischen Unterschiede im Alltag der Teilnehmenden vor und während der heroinunterstützten Behandlung. Zürich; Abhandlung zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Universität 2000
  • 6 Fugelstad A, Rajs J, Böttiger M, Gerhardsson de Verdier M. Mortality among HIV-infected intravenous drug addicts in Stockholm in relation to methadone treatment.  Addiction. 1995;  90 711-716
  • 7 Grönbladh L, Ohlund L, Gunne L. Mortality in heroin addiction: Impact of methadone treatment.  Acta Psychiatr Scand. 1990;  82 223-227
  • 8 Hubbard R, Marsden M, Rachal J, Harwood H, Cavanagh E, Ginzburg H. Drug abuse treatment: A national study of effectiveness. USA; University of North Carolina Press 1989
  • 9 McLellan A, Arndt I, Metzger D, Woody G, OBrien C. The Effects of Psychosocial Services in Substance Abuse Treatment.  JAMA. 1993;  269 1953-1959
  • 10 Noack P. Analyse der sozial-medizinischen Situation in drei Polikliniken der methadongestützten Behandlung. Zürich; Inaugural-Dissertation der medizinischen Fakultät der Universität 2000
  • 11 Raschke P, Verthein U, Janczak H, Wendelmuth F, Weber T. Substitutionstherapie. Ergebnisse langfristiger Behandlung von ­Opiatabhängigen. Freiburg; Lambertus 1994
  • 12 Reno R, Aiken L. Life activities and life quality of heroin addicts in and out of methadone treatment.  Int J Addict. 1993;  28 (3) 211-232
  • 13 Uchtenhagen A, Gutzwiller F, Dobler-Mikola A. Versuche für eine ärztliche Verschreibung von Betäubungsmittel: Studienprotokoll der Begleitevaluation. Zürich; 1994
  • 14 Uchtenhagen A, Dobler-Mikola A, Steffen T, Gutzwiller F, Blättler R, Pfeifer S. Prescription of Narcotics for Heroin Addicts. Main Results of the Swiss National Cohort Study. Basel; Karger 1999
  • 15 Ward J, Mattick R, Hall W. Methadone Maintenace Treatment and Other Opioid Replacement Therapies. Amsterdam; Harwood Academic Publishers 1998

Ambros Uchtenhagen

Institut für Suchtforschung

Konradstraße 32

8031 Zürich

Schweiz

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Literatur

  • 1 Ball J, Ross A. The Effectiveness of Methadone Maintenance Treatment. New York; Springer 1991
  • 2 Bell J, Digiusto E, Byth K. Who should receive methadone maintenance?.  Br J Addict. 1992;  87 689-694
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  • 7 Grönbladh L, Ohlund L, Gunne L. Mortality in heroin addiction: Impact of methadone treatment.  Acta Psychiatr Scand. 1990;  82 223-227
  • 8 Hubbard R, Marsden M, Rachal J, Harwood H, Cavanagh E, Ginzburg H. Drug abuse treatment: A national study of effectiveness. USA; University of North Carolina Press 1989
  • 9 McLellan A, Arndt I, Metzger D, Woody G, OBrien C. The Effects of Psychosocial Services in Substance Abuse Treatment.  JAMA. 1993;  269 1953-1959
  • 10 Noack P. Analyse der sozial-medizinischen Situation in drei Polikliniken der methadongestützten Behandlung. Zürich; Inaugural-Dissertation der medizinischen Fakultät der Universität 2000
  • 11 Raschke P, Verthein U, Janczak H, Wendelmuth F, Weber T. Substitutionstherapie. Ergebnisse langfristiger Behandlung von ­Opiatabhängigen. Freiburg; Lambertus 1994
  • 12 Reno R, Aiken L. Life activities and life quality of heroin addicts in and out of methadone treatment.  Int J Addict. 1993;  28 (3) 211-232
  • 13 Uchtenhagen A, Gutzwiller F, Dobler-Mikola A. Versuche für eine ärztliche Verschreibung von Betäubungsmittel: Studienprotokoll der Begleitevaluation. Zürich; 1994
  • 14 Uchtenhagen A, Dobler-Mikola A, Steffen T, Gutzwiller F, Blättler R, Pfeifer S. Prescription of Narcotics for Heroin Addicts. Main Results of the Swiss National Cohort Study. Basel; Karger 1999
  • 15 Ward J, Mattick R, Hall W. Methadone Maintenace Treatment and Other Opioid Replacement Therapies. Amsterdam; Harwood Academic Publishers 1998

Ambros Uchtenhagen

Institut für Suchtforschung

Konradstraße 32

8031 Zürich

Schweiz