Viszeralchirurgie 2000; 35(3): 221-226
DOI: 10.1055/s-2000-3759
KASUISTIK
ORIGINALARBEIT
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ösophagusdissektion nach endoskopischer Bougierungsbehandlung bei Stenose infolge Epidermolysis bullosa dystrophica generalisata mutilans

Notfallbehandlung durch Stentimplantation, laparoskopische transhiatale Mediastinaldrainage und elektive transthorakale Ösophagusresektion mit Passagewiederherstellung durch KoloninterponatOesophagus dissection after dilation in oesophageal stricture in epidermolysis bullosa dystrophica generalisata mutilansH. Pickel1 , F. Spelsberg1 , R. Merkle1 , J. Hoelzl2 , G. Meyer
  • 1Chirurgische Klinik und Poliklinik
  • 2Pathologisches Institut
  • Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität München
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Publication History

Publication Date:
31 December 2000 (online)

Bei einem 22-jährigen Patienten mit bekannter und medikamentös behandelter EBD wurde eine Ösophagusstenose ösophagoskopiert und bougiert. Dabei kam es zu einer Verletzung mit Pneumomediastinum und geblähtem Abdomen.

Unter dem Verdacht einer Ösophagusperforation wurde sofort laparoskopiert. Es zeigte sich neben aufgeblähtem Magen und Darm ein subseröses Emphysem. Dieser Befund veranlaßte zur transhiatalen Präparation des Ösophagus. Eine Perforationsstelle wurde nicht gefunden. Die jetzt intraoperativ durchgeführte Ösophagoskopie zeigte eine Dissektion des distalen Ösophagus. Bei Inspektion der Dissektionshöhle war über das Laparoskop ein subseröser Luftaustritt zu beobachten. Der Eingriff wurde laparoskopisch durch transhiatale Mediastinaldrainage mit Fundophrenicopexie sowie ösophagoskopisch durch Stentimplantation beendet. Nach vier Monaten erfolgte bei fortbestehender Dysphagie und wegen bekannter maligner Entartungsrisiken bei EBD eine elektive Ösophagektomie mit Ösophagusersatz durch Koloninterponat. Die postoperativen Verläufe waren jeweils ungestört.

Die Bougierungsverletzung des Ösophagus und deren Therapie im Allgemeinen und bei einem interessanten seltenen Krankheitsbild im Besonderen wirft einige Fragen zur Komplikationsvermeidung und zum Komplikationsmanagement auf.

Bougierung: Bei bekannter erhöhter Druckempfindlichkeit der Haut und Schleimhäute bei EDB sollte eine Ösophagusstenose nicht mit Bougies bougiert, sondern mit Ballonsonden dilatiert werden. Zur Sicherheit ist dieser Vorgang pilotdrahtgeführt und röntgendurchleuchtungskontrolliert vorzunehmen. Wahrscheinlich wurde hier auch so verfahren. Notfall-Ösophagoskopie: Bei Verdacht auf Ösophagusperforation im unteren Ösophagusdrittel wurde, um möglichst minimal invasiv zu sein, initial laparoskopiert. Zweifellos wäre eine Röntgenuntersuchung des Ösophagus mit Kontrastmittel deutlich minimaler invasiv gewesen. Die Röntgenuntersuchung hätte gleichzeitig Auskunft über das Ausmaß der Ösophagusverletzung und über den Bougierungserfolg gegeben. War dieses Vorgehen bei der erwähnten akut lebensbedrohlichen Situation des Patienten wirklich nicht mehr zumutbar? (Die Röntgenaufnahme des Ösophagus in Abb. 2 a zeigt die Speiseröhre offenbar noch vor der Bougierung). Bei röntgenologischem Nachweis einer organüberschreitenden Läsion wäre minimal invasiv, je nach Befund, thorakal, abdominal oder mediastinal drainiert, endoluminal geklebt, geclipt, gesaugt oder gestentet und nasoenteral eine Ernährungssonde gelegt worden. Bei röntgenologischem Nachweis einer Dissektion hätte man ösophagoskopisch interveniert und auf paraösophageale Drainagen verzichtet. Bei röntgenologisch unauffälligem Befund wäre ebenfalls notfallmäßig ösophagoskopiert, das Leck endoluminal verschlossen und eine künstliche enterale Ernährungssonde eingelegt worden. Auf jeden Fall bestand eine Indikation zur notfallmäßigen Ösophagoskopie in Operationsbereitschaft. Im beschriebenen Fall hätte die ösophagoskopische Intervention genügt. Es bestand kein Zwang zur Laparoskopie. Eine laparoskopische transhiatale Mediastinoskopie zur Überwachung einer Stentimplantation in den Ösophagus ist unüblich und unnötig. Stent: Der implantierte Stent hat die klaffende Dehiszenz im distalen Ösophagus erfolgreich abgedichtet (Die Abb. 2 b zeigt den Stent allerdings im mittleren Ösophagus). Ein selbstexpandierender Metallstent im Ösophagus bei bekannter EBD ist allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ohne erhebliches Trauma aus dem Ösophagus zu extrahieren. Bereits bei dem Versuch einer Zangenbiopsie bei EBD reißt die Zange einen großen Schleimhautdefekt. Vor der notfallmäßigen Stentimplantation bei EBD muß daher - unabhängig von der Art des implantierten Stents - bereits die Indikation zur späteren Ösophagektomie festgestanden haben. Ösophagusersatz: Zur definitiven Vermeidung weiterer komplikationsträchtiger Bougierungen und Dilatationsmaßnahmen, wegen potentieller Spätkomplikationen durch den verwendeten Stent und wegen erhöhten malignen Entartungsrisikos bei EBD war eine Ösophagektomie vorzusehen. Aber welches Verfahren zum Ösophagusersatz? Das übliche Ösophagusersatzverfahren beim Erwachsenen ist der Magenhochzug auch mit kollarer Anastomose, nicht jedoch die mehr im Kindesalter übliche Koloninterposition. Sollte die vorausgegangene Fundophrenikopexie etwa ein Grund zur Abweichung von der Regel gewesen sein? Wurde abschließend nach Aszendens-Interposition wirklich eine Aszendo-Transversostomie durchgeführt?

Es bleiben abschließend drei Fragen offen:

1. Warum primär eine Laparoskopie?

2. Warum Verzicht auf eine Röntgendarstellung des verletzten Ösophagus?

3. Warum Ösophagusersatz durch Koloninterponat?

Die Darstellung dieser Kasuistik mit seinen Risiken und Problemen ist außerordentlich lehrreich und ist bei einer Prävalenz der EBD von 1 : 200 000 von realem Interesse für alle, die mit endoluminalen Interventionen am Ösophagus konfrontiert sind.

Prof. Dr. B. C. Manegold

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