Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2000; 35(9): 595-596
DOI: 10.1055/s-2000-7094-4
MINI-SYMPOSIUM
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Two-Pore-Domain Kaliumkanäle

M.  Bräu
  • Abteilung Anaesthesiologie und Operative Intensivmedizin, Justus-Liebig-Universität Gießen
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Publikationsdatum:
28. April 2004 (online)

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Ionenkanäle bilden als transmembrane Proteine eine ionenselektive Pore und sind damit Grundlage des elektrischen Potentials einer Zelle. Je nach Ionenselektivität unterscheidet man grob Natrium-, Kalium- und Kalziumkanäle sowie nach Art der Steuerung spannungs- und ligandenabhängige Kanäle. Die elektrophysiologischen Eigenschaften sowie der molekulare Aufbau der meisten Ionenkanäle sind mittlerweile geklärt. Kaliumkanäle finden sich in fast allen lebenden Zellen, wobei sie an den verschiedensten Funktionen wie z. B. der Generierung des Ruhepotentials in elektrisch erregbaren Zellen, Regulation des Tonus glatter Muskelzellen, Steuerung der Hormonsekretion, osmotische Regulierung usw. beteiligt sind. Sie setzen sich in der Regel aus vier Untereinheiten zusammen (Tetramer), die jeweils aus sechs transmembranären Segmenten bestehen. Die Kaliumselektivität wird durch die in allen Kaliumkanälen hochkonservierte, aus wenigen Aminosäuren bestehende Porenregion bestimmt, die sich zwischen den Segmenten S 5 und S 6 befindet. Die Porenregionen der vier Untereinheiten bilden die Wand der Pore und ermöglichen nur Kaliumionen den Durchtritt. Vor wenigen Jahren wurde erstmals in der Bäckerhefe (Saccharomyces Cerevisiae) ein Kaliumkanal entdeckt, dessen molekularer Aufbau von dem bisher bekannten abweicht [5]. Eine Besonderheit dieses Kanals ist, dass die Untereinheit zwei Porenregionen anstatt einer aufweist, so dass zwei Untereinheiten ausreichen, um als Dimere oder Heterodimere funktionsfähige Kaliumkanäle zu bilden (Two-Pore-Domain Kaliumkanäle, kurz K2P). Da der durch ihn fließende Strom eine Auswärtsgleichrichtung aufweist, wurde der Kanal TOK (Two Pore Domain Outwardly Rectifying K+ Channel) bezeichnet. Die Auswärtsgleichrichtung des Stromes beruht jedoch nicht auf einer intrinsischen Spannungsabhängigkeit des Kanals, sondern auf der Blockade des unter sehr negativem Membranpotential einwärts fließenden Kaliumstromes durch divalente Kationen (Open Rectifier). Kurz darauf wurden weitere Kaliumkanäle mit zwei Porenregionen und nur vier transmembranären Segmenten in Nematoden, Drosophila. Mäusen, Ratten und beim Menschen entdeckt, wo sie hauptsächlich in Gehirn, Herz, Lunge und Niere nachgewiesen wurden. Die nicht-inaktivierenden kaliumselektiven Kanäle sind weder spannungsabhängig noch ligandengesteuert (Background-Kanäle) und deshalb für die Kaliumruheleitfähigkeit (Kaliumleckstrom) und damit für die Entstehung des Ruhepotentials in Zellen von größter Bedeutung. Dies wird durch die Insensitivität gegenüber dem Kaliumkanal-blockierenden Tetraethylammonium bestätigt, das selbst keinen Effekt auf das Ruhemembranpotential hat. TWIK (Two Pore Domain Weakly Inward Rectifying K+ Channel) und TREK (Twik-Related K+ Channel) sind K2P-Kanäle, die eine leichte Einwärtsgleichrichtung aufweisen. Ein weiterer Vertreter, TASK (TOK-Related Acid Sensitive K+ Channel) ist säuresensitiv [2], ein anderer, TRAAK (TWIK-Related Arachidonic Acid-stimulated K+ Channel) wird durch Arachidonsäure und ungesättigte Fettsäuren stimuliert [3]. Die Kanäle TREK und TRAAK sind auch mechanosensitiv [7] [9]. Ein TASK-ähnlicher Kanal scheint in Zellen der Neuroepithelkörperchen des Bronchialsystems für deren O2-Sensitivität verantwortlich zu sein [8].

Anästhesiologische Bedeutung gewinnen K2P-Kanäle durch die Entdeckung, dass TOK durch volatile Anästhetika aktiviert wird [4]. Zwar sind Hefezellen nicht das Ziel dieser Substanzen, aber die Aktivierung eines neuronalen K2P-Kanals - bisher nicht gezeigt - könnte zu einem negativeren Ruhepotential und damit zu einer Dämpfung elektrischer Erregbarkeit des Neurons und hierüber zur Narkose führen. In unserer Arbeitsgruppe konnte gezeigt werden, dass ein Kaliumkanal an dünnen myelinisierten Axonen (Flickerkanal) des peripheren Froschnerven, dessen elektrophysiologische Eigenschaften gut mit denen klonierter K2P-Kanäle übereinstimmen, sehr empfindlich durch lipohile Amidlokalanästhetika blockiert wird [1]. Die daraus resultierende Dauerdepolarisation könnte über eine Inaktivierung der Natriumkanäle die Erregungsweiterleitung in dünnen Axonen hemmen, einen neuen Blockierungsmechanismus darstellen und das Phänomen der differentiellen Nervenblockade erklären. Die meisten klonierten K2P-Kanäle sind mit Ausnahme von TASK jedoch relativ unempfindlich gegenüber Lokalanästhetika [6]. Nicht nur das Vorkommen der Kanäle in neuronalen Zellen scheint für die Anästhesiologie interessant, denn auch im elektrisch erregbaren Gewebe des Herzens und im Endothel des Gefäßsystems wurden diese Kanäle nachgewiesen. Ob sich damit neue Wirkmechanismen für bessere und spezifischer wirkende kardiovaskuläre Medikamente erschließen, bleibt jedoch abzuwarten. Die Zahl neuer klonierter K2P-Kanäle steigt stetig. An der Universität von Kalifornien in San Francisco (UCSF) ist die Untersuchung dieser Kanäle im Hinblick auf anästhesiologische Fragestellungen zur Zeit ein Forschungsschwerpunkt, so dass in naher Zukunft hier neue interessante Ergebnisse zu erwarten sind.

Literatur

Priv.-Doz. Dr. Michael Bräu

Abteilung Anaesthesiologie und Operative Intensivmedizin

Justus-Liebig-Universität Gießen

35385 Gießen

eMail: meb@anesthesiology.de