Während einer Ausscheidungsurographie kann es bekanntlich zu spontanen, nicht traumatischen
Kontrastmittelextravasaten kommen. Eine kurzfristige Kontrastierung von paravertebralen
Venen ist allerdings ein ungewöhnlicher Befund, der in der Literatur nur selten beschrieben
ist. Die folgende Kasuistik berichtet über die Ursache dieser Venendarstellung und
die differenzialdiagnostischen Überlegungen.
Fallbericht
Eine 38-jährige Patientin wurde mit oberer Einflussstauung, Aszites, Pleuraergüssen
sowie zunehmender Belastungsdyspnoe stationär aufgenommen. Anamnestisch bestand ein
Zustand nach neurochirurgischer Intervention mit Ausräumung einer Aneurysmablutung
sowie späterer Resektion einer Trachealstenose bei Tracheomalazie nach Langzeitbeatmung.
Die gynäkologische Untersuchung ergab keinen Hinweis auf ein Meigs-Syndrom, im Aszites
konnten keine Tumorzellen nachgewiesen werden. Zur Komplettierung der Diagnostik wurde
u. a. ein Ausscheidungsurogramm in typischer Weise nach i. v. Injektion von 100 ml
Ultravist 300 durchgeführt.
Dabei kamen die Nieren und ableitenden Harnwege völlig unauffällig zur Darstellung,
eine Harnabflussstörung ließ sich nicht nachweisen. In der Frühphase der Untersuchung
zeigte sich jedoch eine nur in der Erst-Aufnahme ca. 5 Minuten p. i. sichtbare, umschriebene
Kontrastierung paravertebraler Venen in Höhe des 1. und 2. LWK links (Abb. [1]).
Abb. 1 Ausscheidungsurographie 5 Minuten p. i.: Kontrastierung paravertebraler Venen links
in Höhe des 1. und 2. LWK.
Zum Ausschluss einer Thrombose der unteren Hohlvene wurde eine KM-gestützte Spiral-CT
in biphasischer Technik durchgeführt. Hierbei konnte eine venöse Thrombose nicht sicher
nachgewiesen werden, allerdings kam es zu einer auffällig mangelhaften Kontrastierung
der V. cava inferior im intrahepatischen Segment. Andererseits fiel eine erhebliche
Dilatation der Vv. hepaticae sowie der V. cava inferior am Übergang zum rechten Vorhof
auf. Daher wurde differenzialdiagnostisch an eine pathologische Druckerhöhung nach
Art einer Einflussstauung i. w. S. gedacht, zumal sich in der arteriellen Phase eine
ungewöhnliche retrograde Kontrastierung der dilatierten unteren Hohlvene, aber auch
der V. azygos und V. hemiazygos zeigte (Abb. [2]). Zum sicheren Ausschluss einer Kavathrombose und zur Bestätigung dieser Befundinterpretation
erfolgte daher eine zusätzliche CT-Untersuchung nach KM-Injektion über eine Fußrückenvene.
Diese zeigte bei unauffälliger Perfusion der unteren Hohlvene eine retrograde Kontrastierung
der Lebervenen (Abb. [3]).
Abb. 2 Arterielle Phase einer KM-gestützten CT-Untersuchung des Thorax: retrograde Kontrastierung
der V. azygos und V. hemiazygos, Pleuraerguss beidseits.
Abb. 3 CT-Untersuchung des Abdomens nach KM-lnjektion über eine Fußrückenvene: Ausschluss
einer Kavathrombose, retrograde Kontrastierung der Vv. hepaticae, Pleuraerguss beidseits.
Die daraufhin durchgeführte Herzkatheteruntersuchung führte zu der dringenden Verdachtsdiagnose
einer konstrik-tiven Perkarditis. Die Koronarangiographie lieferte erwartungsgemäß
einen unauffälligen Befund. In der MR-Untersuchung des Herzens ließ sich ein Thrombus
im rechten Vorhof bzw. ein pathologischer Befund am rechten Ventrikel nach Art einer
rechtsventrikulären Dysplasie ausschließen. Hinweise auf eine Perikarditis oder eine
Perikardverkalkung ergaben sich nicht (Abb. [4]). In der Myokardbiopsie fand sich kein Hinweis auf eine Endokardfibrose, Amyloidose
oder Eisenspeichererkrankung. Aufgrund der für eine konstriktive Perikarditis typischen
Hämodynamikbefunde sowie fehlender Hinweise für eine restriktive Kardiomyopathie wurde
eine Thorakotomie veranlasst. Hierbei fand sich eine diffuse Verschwartung des Herzbeutels.
Nach Perikardektomie wurde die Patientin rasch beschwerdefrei. Eine restriktive Kardiomyopathie
konnte definitiv ausgeschlossen werden.
Abb. 4 MRT des Herzens (T1-gewichtete TSE-Sequenz): Unauffällige Signalgebung des Myokards, Erweiterung des
rechten Vorhofes, kein Nachweis eines Thrombus.
Diskussion
In der Differenzierung von Kontrastmittelextravasaten im Rahmen eines Ausscheidungsurogramms
muss zwischen spontanen und traumatischen Ursachen unterschieden werden. Traumatische
Extravasate kommen nach Nierentrauma, operativen Eingriffen, instrumenteller Untersuchung
des harnableitenden Systems und externer Kompression der Ureteren mit Fornixruptur
vor. Während bei einer traumatischen Nierenschädigung pyelorenale oder perirenale
Kontrastmittelextravasate häufig auftreten, stellt ein spontaner Kontrastmittelaustritt
während einer Ausscheidungsurographie ein seltenes Ereignis mit einer Inzidenz von
0,1 % dar (Cooke G und Bartucz J, Clin Radiol 1974, 25: 87). Bei über 2/3 der spontanen
Rupturen kann ursächlich eine Ureterobstruktion durch ein Konkrement nachgewiesen
werden. Seltenere Ursachen sind akute oder chronische Stenosierungen des Ureters durch
Lymphome oder Tumoren, postoperative Narbenbildungen, Retroperitonealfibrose oder
Prostatahyperplasie.
In der Literatur wird nur vereinzelt über die Darstellung von Gefäßen im Rahmen einer
Ausscheidungsurographie berichtet. Bei Kindern wird bei Injektion des Kontrastmittels
in eine Fußrückenvene häufig ein Abstrom über paravertebrale Venen und die V. azygos
in die V. cava superior als Normvariante beobachtet (Abrams H, Radiology 1957, 69:
508).
Unter pathologischen Zirkulationsverhältnissen, etwa einem thrombotischen Verschluss
der unteren Hohlvene oder einer Nierenvene, kann es zur Kollateralzirkulation über
eine renolumbale Anastomose kommen. Diese Gefäßverbindung zwischen Nierenvene und
V. lumbalis ascendens lässt sich bei etwa einem Drittel der Patienten auf der linken
Seite nachweisen (Bücheler E et al., Fortschr Röntgenstr 1968; 109: 712).
Differenzialdiagnostisch muss auch an einen Verschluss der oberen Hohlvene oder zuführender
Gefäße gedacht werden. Hierbei kommt es, je nach Lokalisation der Gefäßokklusion,
zu einem Abstrom des Kontrastmittels über Kollateralen in die V. thoracia lateralis,
die V. thoracia interna und zur Darstellung der V. azygos und V. hemiazygos (Drane
W et al., Radiology 1982; 144: 499).
Bei unserer Patientin konnte ein Verschluss der unteren Hohlvene sowie der großen
zuführenden Venen durch eine KM-gestützte Spiral-CT ausgeschlossen werden. In der
arteriellen Phase zeigte sich eine retrograde Kontrastierung des Azygos-Hemiazygos-Systems
sowie der dilatierten Lebervenen. Die bei der Patientin in der Ausscheidungsurographie
beobachtete kurzfristige Darstellung von paravertebralen Venen kann somit als Folge
der bestehenden Einflussstauung mit konsekutiv erhöhtem Venendruck in der oberen Hohlvene
und Abstrom des Kontrastmittels über die V. azygos interpretiert werden. Als Ursache
dieser Einflussstauung wurde eine konstriktive Perikarderkrankung diagnostiziert,
die durch eine Thorakotomie und eine Perikardektomie erfolgreich behandelt wurde.
Diese Befundkonstellation wurde in der Literatur bisher nicht beschrieben und sollte
in die differenzialdiagnostischen Überlegungen bei Kontrastierung paravertebraler
Gefäße im Ausscheidungsurogramm einbezogen werden.
A. Leenen, B. Raab, H.-P. Hermann,Göttingen