Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(17): 511
DOI: 10.1055/s-2001-13053
Fragen aus der Praxis
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Röntgenuntersuchungen bei arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen

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Publikationsdatum:
31. Dezember 2001 (online)

Frage: In der Arbeitsmedizin, speziell für die nach den berufsgenossenschaftlichen Grundsätzen durchzuführenden Vorsorgeuntersuchungen, werden noch in großem Umfang Röntgenuntersuchungen für erforderlich gehalten.

Dieses steht nicht nur im Gegensatz zu der Erfahrung, dass aus solchen Untersuchungen in der Regel wenig herauskommt, sondern bedeutet auch noch eine meines Erachtens unnötige Strahlen- und Kostenbelastung, die in der ambulanten Medizin schon längst gewürdigt wird.

Antwort: Rechtsgrundlage der berufsgenossenschaftlichen Grundsätze für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen ist § 15 Absatz 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch VII, wonach Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaften) Unfallverhütungsvorschriften über zu veranlassende arbeitsmedizinische Untersuchungen erlassen. Diese speziellen arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen, welche in der Unfallverhütungsvorschrift »Arbeitsmedizinische Vorsorge« geregelt sind, beruhen auf einer besonderen Gefahrenlage für den versicherten Mitarbeiter und sind Voraussetzung für eine Beschäftigung oder Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters. Die auf dieser gesetzlichen Basis zur Sicherstellung einer möglichst einheitlichen Durchführung solcher Vorsorgeuntersuchungen entwickelten berufsgenossenschaftlichen Grundsätze gehören zu den allgemein anerkannten Regeln der Arbeitsmedizin und ihre Berücksichtigung ist gemäß Durchführungsanweisung des § 8 der Unfallverhütungsvorschrift »Arbeitsmedizinische Vorsorge« wiederum Voraussetzung für die Ermächtigung des Arztes durch den Unfallversicherungsträger. In diesen Grundsätzen werden dem die Untersuchung ausführenden ermächtigten Arzt einheitliche Beurteilungs- und Auswertekriterien vorschlagen [1]. Trotz auch in diesen Grundsätzen enthaltener einheitlicher Hinweise für die konkrete Durchführung der jeweiligen Untersuchung soll aber insbesondere auch hinsichtlich der Indikationsstellung für Röntgenaufnahmen die Handlungsfreiheit des untersuchenden ermächtigten Arztes nicht eingeschränkt werden.

In der Vergangenheit sind bis hin zu den aktuellen Fassungen derjenigen berufsgenossenschaftlichen Grundsätze, welche Röntgenuntersuchungen des Thorax erfordern [Tab. 1], eine Vielzahl von Änderungen oder Ergänzungen eingetreten, die dem Anspruch einer Reduktion der Strahlenbelastung des zu untersuchenden Mitarbeiters Rechnung tragen: Es sind dies teilweise verlängerte Nachuntersuchungsfristen, bei denen erst erneute Aufnahmen angefertigt werden sollen, zudem die Berücksichtigung von älteren Aufnahmen oder Fremdaufnahmen bis zu einem definierten Zeitintervall (je nach Grundsatz ein oder zwei Jahre), oder eine Indikationsstellung unter Beachtung von Lebensalter des Mitarbeiters und kumulativer Expositionszeit gegenüber einem Gefahrstoff [2]. Teilweise wird explizit eine strenge Indikationsstellung zur Vermeidung von zu häufigen Röntgenaufnahmen herausgestellt (z. B. G 31 - Überdruck), oder auf eine Durchführung nur noch bei speziellen diagnostischen Fragestellungen hingewiesen (G 23 - Obstruktive Atemwegserkrankungen). Bei anderen Grundsätzen wird die Röntgenaufnahme nicht als geforderte, sondern als als erwünschte Untersuchung genannt, falls Auffälligkeiten in der Befunderhebung vorliegen (z. B. G 43 - Biotechnologie). Die Neufassung des G 42 (Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung) beinhaltet für tuberkulosegefährdete Personen die Röntgenübersichtsaufnahme bei der Erstuntersuchung nicht mehr, bei Nachuntersuchungen soll eine besondere medizinische Indikation vorliegen.

Tab. 1 Spezielle arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen mit Erfordernis von Röntgenaufnahmen. G 1.1 Quarzhaltiger Staub G 1.2 Asbestfaserhaltiger Staub G 1.3 Keramikfaserhaltiger Staub G 15 Chrom-VI-Verbindungen G 16 Arsen oder seine Verbindungen G 26 Atemschutzgeräte G 27 Isocyanate G 30 Hitzearbeiten G 31 Überdruck G 32 Cadmium oder seine Verbindungen G 34 Fluor oder seine anorganischen Verbindungen G 38 Nickel oder seine Verbindungen G 39 Schweißrauche G 40 Krebserzeugende Gefahrstoffe - allgemein

Dennoch sind die bei einigen berufsgenossenschaftlichen Grundsätzen vorgeschlagenen Röntgenaufnahmen insbesondere bei Nachuntersuchungen unter Berücksichtigung der zugrunde liegenden Gefährdung sicherlich diskussionswürdig (z. B. G 30 - Hitzearbeiten). Es sei deshalb nochmals darauf hingewiesen, dass die berufsgenossenschaftlichen Grundsätze zwar Ziele der einheitlichen arbeitsmedizinischen Qualitätssicherung verfolgen, aber keine Rechtsnormen sind (dies gilt nicht für die Nachuntersuchungsfristen, welche sowohl in den berufsgenossenschaftlichen Grundsätzen als auch auch in der rechtsverbindlichen Unfallverhütungsvorschrift »Arbeitsmedizinische Vorsorge« aufgeführt sind). Im Einzelfall kann deshalb der untersuchende ermächtigte Arzt aufgrund seiner dokumentierten Befunderhebung einschließlich Zwischenanamnese und der weiteren klinischen und sonstigen Untersuchungsbefunde entscheiden, ob er die Durchführung einer Röntgenaufnahme für erforderlich hält.

Zusätzlich zur diskutierten Frage der Indikationsstellung von Röntgenaufnahmen sind für die konkrete Ausführung (Röntgeneinrichtungen, zur Anwendung berechtigte Personen, Anwendungsbeschränkungen etc.) die Vorgaben der Verordnung über den Schutz vor Schäden durch Röntgenstrahlen (Röntgenverordnung) zu berücksichtigen.

Literatur

  • 1 Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, HVBG .Berufsgenossenschaftliche Grundsätze für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen. 2. Aufl. Stuttgart: Gentner 1998
  • 2 Schubert W. Einsatz der Röntgendiagnostik bei Untersuchungen nach den BG-Grundsätzen.  Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed. 1996;  31 34-36

Dr. L. Zell

Arbeitsmedizinischer Dienst

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