Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(19): 572-573
DOI: 10.1055/s-2001-13802
Fragen aus der Praxis
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Therapie des pektanginösen Schmerzes: Morphin oder Thalamonal?

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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Frage: Gibt es vergleichende Studien bezüglich der Wirksamkeit und Potenz der Analgesie bei Angina pectoris zwischen Thalamonal und Morphin? Ist eine derartig geführte Analgesie empfehlenswert bzw. bestehen Kontraindikationen hierfür?

Antwort: Die symptomatische Schmerzbehandlung mit wirksamen Analgetika ist eine der wichtigsten therapeutischen Sofortmaßnahmen bei instabiler Angina pectoris bzw. beim akuten Myokardinfarkt. Morphin gilt hierbei traditionell als das Therapeutikum der Wahl [9]. Neben der Analgesie besitzt es auch eine bedeutsame anxiolytische Komponente. Die Wirkungen des Morphins, Prototyp der Opioidanalgetika, lassen sich aus seiner Affinität zu den zentralen µ-Rezeptoren ableiten. Neben der zentral-analgetischen und sympathikus-inhibierenden Wirkung besitzt Morphin zusätzlich sedative, atemdepressive und antitussive Eigenschaften und führt zu einer direkten Histaminfreisetzung. Die möglicherweise auftretende Atemdepression ist dosisabhängig und weist erhebliche interindividuelle Schwankungen auf. Darüber hinaus zeigt Morphin einen emetischen Effekt, hemmt die propulsive Darmmotorik und die Kontraktion von Sphincter Oddi und Sphincter vesicae. Morphin kann sowohl oral als auch parenteral, verabreicht werden. Das Wirkungsmaximum wird erst nach ca. 30 Minuten erreicht [8].

Die zentrale Hemmung der Sympathikusaktivität durch Morphin führt zu einer Gefäßdilatation im arteriellen und venösen Stromgebiet mit konsekutiver Abnahme der kardialen Vor- und Nachlast. Auch Blutdruck und Herzfrequenz sinken, und es resultiert insgesamt eine relevante Abnahme des myokardialen Sauerstoffverbrauchs. Gerade bei Patienten mit zusätzlichem Lungenödem hat sich die Reduktion der Atemarbeit und der Herzfrequenz durch Augmentation des Vagotonus und die Reduktion der Vorlast durch die pulmonalarterielle Vasodilatation als hilfreich erwiesen. Intravenös wird Morphin in kleinen Dosen von 0,03 bis 0,12 mg/kg Körpergewicht, nach Bedarf repetitiv alle 5 bis 15 Minuten, bis zur Schmerzlinderung verabreicht [1].

Thalamonal® (Janssen-Cilag) stellt die Kombination von Fentanyl mit dem Neuroleptikum Droperidol (0,05 mg Fentanyl und 2,5 mg Droperidol pro ml Injektionslösung) dar. Fentanyl ist ein synthetisches Opioidanalgetikum. Es besitzt eine ca. 80-mal stärkere analgetische Wirkung als Morphin. In analgetisch äquipotenten Dosierungen gibt es, sowohl hinsichtlich der Wirkung als auch bezüglich der unerwünschten Nebenwirkungen, keine wesentlichen Unterschiede zum Morphin. Eine Histamin-ausschüttung nach Gabe von Fentanyl wird nicht beobachtet. Die Substanz kann nur intravenös appliziert werden. Der Wirkungseintritt erfolgt innerhalb von 30 Sekunden, die maximale Wirkung wird nach etwa 3 bis 5 Minuten erreicht [8]. Droperidol (Dehydrobenzperidol) ist ein Neuroleptikum aus der Gruppe der Butyrophenone. Es greift antagonisierend am Dopaminrezeptor an und wirkt sedierend, antiemetisch, antihistaminisch und teilweise vagolytisch. Darüber hinaus besitzt es noch gering ausgeprägte Eigenschaften eines α-Adrenozeptorenblockers und führt so zu einer leichten peripheren Vasodilatation und Hypotension. In der Neuroleptanalgesie werden Droperidol und Fentanyl kombiniert, um einen Zustand psychischer Indifferenz mit starker Analgesie und geringer Sedierung herbeizuführen [7].

Darüber hinaus wird eine Verstärkung der analgetischen Eigenschaften des Fentanyls durch Droperidol diskutiert [3]. Relative bzw. absolute Kontraindikationen für den Einsatz von Droperidol oder Thalamonal® bestehen bei Patienten mit bekannten extrapyramidalmotorischen Störungen, wie z. B. der Parkinsonkrankheit. Droperidol besetzt die Dopaminrezeptoren im Striatum und kann vereinzelt zu Dystonien und Dyskinesien führen [4] . Als unerwünschte kardiale Nebenwirkung wurden dosisabhängige Rhythmusstörungen, v. a. eine Verlängerung der QT-Zeit, beschrieben [5].

Eine strukturierte Medline-Recherche mit den Suchbegriffen Fentanyl, Droperidol, Thalamonal, Innovar und Morphine und Angina, limitiert auf Erwachsene, ergab insgesamt 39 Artikel. Der überwiegende Anteil dieser Arbeiten bezog sich auf die Durchführung einer Neuroleptanästhesie (n = 25) und den perioperativen, analgetischen Einsatz (n = 6).

Die Effektivität der Neuroleptanalgesie mit Thalamonal® bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt wurde nur von Magometschnigg et al. untersucht. Obwohl lediglich sechs Patienten, ohne Kontrollgruppe, mit Thalamonal® behandelt wurden und sich hinsichtlich der Zielparameter Hämodynamik und Plasma-Katecholamine keine wesentlichen Veränderungen ergaben, wurde die Gabe von Thalamonal® beim akuten Myokardinfarkt abschließend von den Autoren positiv bewertet [6].

Erst kürzlich wurden die Ergebnisse einer randomisierten Studie zur Wirksamkeit einer Kombination von Fentanyl und Droperidol in Thalamonal®-äquivalenter Dosierung bei Patienten mit instabiler Angina pectoris publiziert [2]. Neben der antianginösen Standardtherapie (u. a. Sauerstoff, Nitroglycerin, Aspirin und Heparin) wurden insgesamt 112 Patienten randomisiert und analgetisch entweder mit Fentanyl und Droperidol (53 Patienten) oder mit Morphin (59 Patienten) behandelt. Beide Gruppen unterschieden sich anhand klinischer und demographischer Daten nicht. Untersucht wurden [1] die Beschwerdefreiheit während des stationären Aufenthaltes und die klinische Stabilität, sowie [2] das Auftreten eines Myokardinfarktes oder der Tod der Patienten nach 30 Tagen bzw. 12 Monaten. Außerdem wurde zwischen dem 5. und 8. Tag der Hospitalisierung ein Langzeit-EKG aufgezeichnet und die Anzahl ventrikulärer Rhythmusstörungen und Veränderungen der Herzfrequenzvariabilität analysiert. Relevante ischämische Perioden, postischämisches »Stunning«, nicht-transmurale Infarkte und Rhythmusstörungen waren in der Fentanyl-Droperidol-Gruppe während des stationären Aufenthaltes signifikant häufiger als in der Morphin-Gruppe. Die Herzfrequenzvariabilität und Ejektionsfraktion der Neuroleptanalgesie-Patienten war signifikant reduziert und die Liegedauer im Krankenhaus, verglichen mit den Morphin-Patienten, verlängert. Das Auftreten von Myokardinfarkten (Odds Ratio [OR] 3,57, 95 % Konfidenzintervall [95 % KI] 1,51 - 8,45) und Tod (OR 6,0, 95 %KI 1,63 - 22,09) nach 12 Monaten war bei Patienten mit Fentanyl-Droperidol-Medikation signifikant häufiger. Komplikationen in der stationären Phase, wie z. B. Übelkeit und Erbrechen, Hypotension und Bradykardie waren gleich verteilt. Burduk et al. [2] diskutierten in diesem Zusammenhang die spezifischen Eigenschaften von Droperidol, wie z. B. die Erhöhung der Noradrenalin-Plasmaspiegel oder eine veränderte kardiale Reaktion auf Impulse des autonome Nervensystems.

Zusammenfassend kann anhand der derzeitigen Datenlage die kombinierte Gabe von Fentanyl und Droperidol (Thalamonal®) bei pektanginösen Beschwerden nicht empfohlen werden. Darüber hinaus ist die Substanz für die Indikationsgebiete instabile Angina pectoris und akuter Myokardinfarkt in Deutschland nicht zugelassen.

Literatur

  • 1 Antman E M. et al .Braunwald: Heart Disease. A Textbook of Cardiovascular Medicine. 5th ed. WB Saunders Company: Philadelphia 1997: 1184
  • 2 Burduk P. et al . Comparison of fentanyl and droperidol mixture (neuroleptanalgesia II) with morphine on clinical outcomes in unstable angina patients.  Cardiovasc Drugs Ther. 2000;  14 259
  • 3 Greene M J. Some aspects of the pharmacology of droperidol.  Br J Anaesth. 1972;  44 1272
  • 4 Khan Z H. Dystonic movements following thalamonal and alfentanyl induction - a case report.  Middle East J Anaesthesiol. 1998;  14 281
  • 5 Lischke V. et al . Droperidol causes a dose-dependent prolongation of the QT interval.  Anesth Analg. 1994;  79 983
  • 6 Magomettschnigg D. et al . Neuroleptanalgesia in acute myocardial infarction: effects of hemodynamic parameters and plasma catecholamines.  Clin Cardiol. 1981;  4 238
  • 7 Marshall B E. et al .Goodman & Gilman’s: The Pharmacological Basis of Therapeutics, 9th ed. McGraw-Hill: New York 1996: 307
  • 8 Reisine T. et al .Goodman & Gilman’s: The Pharmacological Basis of Therapeutics, 9th ed. McGraw-Hill: New York 1996: 521
  • 9 Ryan T J. et al . ACC/AHA guidelines for the management of patients with acute myocardial infarction.  J Am Coll Cardiol. 1996;  28 1328

Dr. med. Jürgen Graf
Dr. med. Uwe Janssens

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