Laryngorhinootologie 2001; 80(5): 293-294
DOI: 10.1055/s-2001-13894
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Molekularbiologische Untersuchungen zum Einfluss genetischer Wirtsfaktoren auf das Erkrankungsrisiko und den Krankheitsverlauf von Patienten mit Plattenepithelkarzinomen im Kopf-Hals-Bereich

Molecularbiological Examinations on the Influence of Genetic Factors on Risk of Disense and Disease Process of Patients Suffering from Squamous Cell Carcinoma in the Head and Neck RegionCh. Matthias
  • HNO-Klinik und Poliklinik der Charité, Humboldt-Universität
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Plattenepithelkarzinome des Kopf-Hals-Bereichs stellen etwa 5 % der neu diagnostizierten Malignome in Europa und den USA dar. Chronischer Alkoholkonsum und Zigarettenrauchen sind die Hauptrisikofaktoren für die Entwicklung von Kopf-Hals-Tumoren. Viele Personen erkranken jedoch trotz ausgiebigen Konsums dieser Genussgifte nicht an einem Plattenepithelkarzinom im Kopf-Hals-Bereich. Interindividuelle Unterschiede in der Empfindlichkeit gegenüber Zigarettenrauch-assoziierten Karzinogenen werden in den letzten Jahren zunehmend auf Genvariationen im Metabolismus dieser chemischen Substanzen zurückgeführt. Glutathion S-Transferasen (GST) und Cytochrom P450 (CYP) Enzyme stellen die wichtigsten Fremdstoff-metabolisierenden Enzyme im menschlichen Körper dar. Viele Enzyme des Entgiftungsstoffwechsels weisen genetische Variationen (Polymorphismen) auf, die den Abbau des Karzinogens beeinflussen. Neben dem Entgiftungsstoffwechsel ist im Prozess der Karzinogenese das körpereigene Abwehrsystem von großer Bedeutung. Das Zytokin TNFα wurde als Endotoxin beschrieben, welches im Rahmen der körpereigenen Antwort eine Tumornekrose bewirken kann. Unter den vielfältigen biologischen Charakteristika sind die Tumorwachstum-hemmenden Eigenschaften, mittels derer TNFα zytotoxisch und zytostatisch auf viele Tumorzellen wirkt, hervorzuheben. Kürzlich wurden Genvariationen in den TNF-Genen beschrieben, welche regulatorische Eigenschaften auf die Produktion von TNFα haben. Neben genetischen Faktoren, die das individuelle Risiko für die Entstehung eines Kopf-Hals-Karzinoms bestimmen, wurde in epidemiologischen Studien auch eine familiäre Häufung von aggressiven Tumoren und Zweittumoren nachgewiesen. Seit 1994 wurden über 500 Patienten mit Plattenepithelkarzinomen im Kopf-Hals-Bereich sowie eine Kontrollgruppe auf Genvariationen in entgiftenden Enzymen und in Tumor-Nekrose-Faktor-Genen untersucht. Risikovermittelnde Einflüsse verschiedener Glutathion S-Transferase Genotypen konnten bei allen Tumorlokalisationen im Kopf-Hals-Bereich nachgewiesen werden. Unter den Tumor-Nekrose-Faktor (TNF)-Genen wurde ein Allel signifikant häufiger bei Larynxkarzinom-Patienten nachgewiesen. Diesem Allel konnte bei Vorliegen zweier Genkopien ein Risikofaktor von 5-6 zugeschrieben werden. Da andere Arbeitsgruppen bei Personen mit diesem TNF-Allel eine Beeinflussung der TNFα-Expression sowie Störungen in der Initiierung von Immunantworten beschrieben haben, kann auch in der Pathogenese des Larynxkarzinoms eine Störung der Immunantwort auf dysplastische Zellen und Tumorzellen vermutet werden. Eine Beeinflussung verschiedener Tumorcharakteristika wie dem histologischen Differenzierungsgrad, einem Halslymphknotenbefall oder dem Auftreten von Tumorrezidiven konnte ebenfalls mit den untersuchten Genvariationen in Zusammenhang gebracht werden. Die ausgeprägtesten Veränderungen lagen bei den Patienten vor, die einen Zweittumor im Kopf-Hals-Bereich entwickelten. Alle in anderen Untergruppen identifizierten Risikogenotypen traten in dieser Subpopulation vermehrt auf. Von verschiedenen Autoren wurde bereits vermutet, dass die Polymorphismen in den detoxifizierenden Enzymen nicht nur einen Einfluss auf den Stoffwechsel von Karzinogenen aus dem Zigarettenrauch haben. Ihr Einfluss auf das Tumorverhalten und den Krankheitsverlauf lässt sich eher durch eine Beeinflussung von Mutationshäufigkeiten in Onkogenen oder einer Beeinflussung der Zelldifferenzierung erklären.

Der Stellenwert dieser Arbeit ist darin zu sehen, dass die bereits vermuteten endogenen Wirtsfaktoren, die sowohl die Empfänglichkeit gegenüber Kopf-Hals-Tumoren als auch den Verlauf der Erkrankung beeinflussen, mit Variationen an Genorten der Glutathion S-Transferase, Cytochrom P450 und im Tumor-Nekrose-Faktor in Verbindung gebracht werden konnten. Inwieweit diese für eine Anwendung in der Klinikroutine geeignet sind, müssen weitere Untersuchungen zeigen.

PD Dr. med. Christoph Matthias

HNO-Klinik und Poliklinik der Charité
Humboldt-Universität

Schumannstraße 20/21
10117 Berlin

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