PiD - Psychotherapie im Dialog 2001; 2(2): 154-162
DOI: 10.1055/s-2001-15579
Aus der Praxis
Verfahren und Richtungen
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Von Fülle und Leere -
Psychoanalytische
Behandlung einer Patientin mit Bulimie

Volker  Trempler , Christel  Böhme-Bloem
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Abstract

In einer analytischen Psychotherapie ist die Klärung des Symbolisierungsvermögens des Patienten wichtig, damit eine konkrete Vorstellung darüber entstehen kann, was an präsymbolischem Material zunächst vor-bearbeitet werden muss, bevor Arbeit im Übertragungsgeschehen möglich ist. Der Analytiker muss die unsymbolisierten Äußerungen des Patienten aufnehmen, in sich bewahren, auf ihren seelischen Gehalt hin untersuchen, transformieren und in symbolisierbarer Form an den Patienten zurückgeben. Dies ist die hauptsächliche Tätigkeit neben der Arbeit an der Übertragung im Rahmen einer psychoanalytischen Therapie einer bulimischen Patientin auf mittlerem Integrationsniveau.
In der etwa 500-stündigen Psychoanalyse entfaltet sich dieser Prozess, nachdem die Begegnung anfänglich als Versuch einer pseudoödipalen Stabilisierung verstanden werden kann. An Einfällen und Träumen kann sichtbar werden, dass die von der Mutter oral unterversorgte Patientin auch als Projektionsträgerin der negativen mütterlichen Gefühle, als deren Container narzisstisch missbraucht wird. Die orale Fixierung manifestiert sich nicht nur in Form unersättlicher Gier auf allen psychosexuellen Ebenen, sondern immer wieder in Form einer Entdifferenzierung des Symbolisierungsprozesses. Emotionale Spannungen werden durch inkorporative Mechanismen oder direkte Ausstoßungsreaktionen unmittelbar körperlich beseitigt oder unterliegen einer rigiden Über-Ich-Kontrolle. Indem in der Übertragung Raum für trianguläre Prozesse entsteht, gelingt es der Patientin ihre Probleme auf der Ebene der symbolischen Repräsentation intrapsychischer Konflikte zu bearbeiten und zu überwinden.

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Adresse der AutorInnen:

Dipl.-Psych. Volker Trempler
Dr. Christel Böhme-Bloem

Klinikum der Christian-Albrechts-Universität
Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik

Niemannsweg 147

24105 Kiel