Z Orthop Ihre Grenzgeb 2001; 139(3): 181-182
DOI: 10.1055/s-2001-16317
EDITORIAL

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

100 Jahre Deutsche Orthopädische Gesellschaften: Von der DGOC über die DOG und DGOT zur DGOOC

100 Years German Orthopedic Society: From DGOC through DOG and DGOT to DGOOCF.  U.  Niethard
  • Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik RWTH, Aachen
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Nun ist es amtlich: die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie heißt ab sofort Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie. Nach vieljährigem Ringen um die neue Namensgebung hatte die Mitgliederversammlung der Gesellschaft anlässlich des Orthopädenkongresses 2000 in Wiesbaden so entschieden. Im Vorgriff auf die gerichtliche Eintragung hat die Zeitschrift für Orthopädie als offizielles Publikationsorgan der Gesellschaft den neuen Namen bereits seit Januar 2001 auf dem Titelblatt aufgenommen. Damit ist die z. T. sehr heftige und emotional geführte Diskussion über Inhalte und Definition des Faches Orthopädie vorerst beendet.

Dabei war dies nicht die erste Namensänderung der Gesellschaft; denn bereits zweimal zuvor hatten die Mitglieder versucht, der Gesellschaft einen besonderen Stempel aufzudrücken. Vor 100 Jahren, nämlich im September 1901, hatten „zwei Gruppen von Orthopäden, die physikalisch Arbeitenden und die von der Chirurgie Hergekommenen, den Drang empfunden, in einer besonderen orthopädischen Gesellschaft vereint zu sein, um die Fragen des Fachs wissenschaftlich vertiefen zu können” (G. Hohmann). In den USA war die Gründung einer wissenschaftlichen orthopädischen Gesellschaft (American Orthopaedic Association) schon 1887 erfolgt. Hoffa und Hoeftmann erhielten bei dem Besuch dieser Gesellschaft viele wissenschaftliche Anregungen und empfahlen die Gründung einer Deutschen Gesellschaft nachdrücklich.

Ein weiterer Grund für den Zusammenschluss der Orthopädie in einer eigenen Gesellschaft ergab sich aus der Tatsache, dass die Orthopädie auf den damaligen Chirurgenkongressen nur wenig berücksichtigt wurde. Albert Lorenz beschreibt, wie sein Vater Adolf Lorenz 1897 seine bahnbrechenden Untersuchungen zur unblutigen Behandlung der Hüftgelenkluxation vor der Deutschen Chirurgischen Gesellschaft in Berlin vorgetragen hatte und dort der Lächerlichkeit preisgegeben wurde: „Ungewollt wurde damit die Abspaltung der orthopädischen Chirurgie von der Mutterwissenschaft gefördert; der Kongress wurde die Geburtsstunde der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Chirurgie.”

Obwohl von Anfang an sowohl konservativ tätige als auch chirurgisch ausgerichtete Orthopäden vertreten waren, nannte sich die Gesellschaft Deutsche Gesellschaft für Orthopädische Chirurgie. Sie hatte sich ja aus den Kreisen des chirurgischen Mutterfaches herausgelöst. Der Bezug zur Chirurgie durch die Namensgebung der Gesellschaft war daher naheliegend.

Darüber hinaus war bereits 10 Jahre vor der Gründung der Gesellschaft die „Zeitschrift für Orthopädische Chirurgie - einschließlich der Heilgymnastik und Massage” gegründet worden. Gründer der Zeitschrift war Albert Hoffa, der Vertreter der konservativen und operativen Orthopädie als Mitherausgeber gewonnen hatte. Von Anfang an war also die Orthopädie nicht nur eine chirurgische sondern auch eine konservativ tätige Disziplin. Mit der Bezeichnung „orthopädische Chirurgie” hoben sich die orthopädische tätigen Ärzte von den Laienorthopäden des 19. Jahrhunderts ab. Gleichzeitig meldeten sie mit dem Untertitel „einschließlich der Heilgymnastik und Massage” ihren Anspruch auf die weit verbreitete und von der Öffentlichkeit hoch geschätzte Physiotherapie an. (Thomann 1993).

Mit dem Erreichen der Pubertät im 12. Jahr ihres Bestehens hielt die Gesellschaft den Bezug zur Chirurgie nicht mehr für notwendig. Im Jahr 1913 wurde sie in Deutsche Orthopädische Gesellschaft (DOG) umbenannt. Trotz der Wandlungen des Faches und der rasanten Entwicklung der orthopädischen Chirurgie nach dem 2. Weltkrieg blieb dieser Name bis 1967 bestehen. Zu diesem Zeitpunkt gab es erstmals vertiefte Diskussionen über die Repräsentation der Unfallchirurgie in den verschiedenen Fächern. Die Deutsche Orthopädische Gesellschaft wurde zum ersten Mal in berufspolitische Diskussionen verwickelt, was zu zahlreichen heftigen Diskussionen unter den Mitgliedern führte. Im sogenannten Ettlinger Abkommen zwischen den wissenschaftlichen Gesellschaften von Chirurgie und Orthopädie heißt es, dass „die Unfallchirurgie ein Teil der allgemeinen Chirurgie ist. Deshalb sei die Versorgung der frischen Verletzungen im allgemeinen Aufgabe der Chirurgie, während die Versorgung chronischer Verletzungsfolgen im allgemeinen Aufgabe der Orthopädie sei”. Dies veranlasste die Mitgliederversammlung der deutschen orthopädischen Gesellschaft, die DOG in Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie umzubenennen. Ein heftig umstrittener Beschluss, der z. B. auch zum Rücktritt von Schede aus dem Beirat der wissenschaftlichen Gesellschaft geführt hatte.

Die Unfallchirurgie hat sich - wie einst die Orthopädie - selbständig weiter entwickelt. In Deutschland hat sie bewusst den Namen Traumatologie vermieden, obwohl dieser international durchaus gebräuchlich ist. Durch Entscheidungen der Berufsgenossenschaften sind die orthopädischen Kliniken, aber auch die chirurgischen zunehmend weniger mit traumatologischen Fragestellungen beschäftigt worden. Die durch die bewusste Namensumstellung beabsichtigte Verbindung zur Traumatologie konnte nicht gehalten werden: die ursprünglich im Ettlinger Abkommen angesprochene Versorgung von frischen Verletzungen beschränkte sich für die Orthopäden auf Freizeit- und Sportverletzungen, meist in der orthopädischen Praxis. Umgekehrt hatte die neuen Namensnennung zufolge, dass die chirurgischen Inhalte und Leistungen des Faches Orthopädie nicht bekannt und unter Wert verkauft wurden. Nicht zuletzt haben auch die Entwicklungen im Europäischen Raum eine große Rolle gespielt, in dem der Begriff „Orthopädie” mit konservativer Orthopädie gleichgesetzt wird. Dort ist der orthopädische Chirurg mit einer umfassenden Zuständigkeit für die operative und zugleich konservative Behandlung der eigentliche Vertreter der Orthopädie, ganz im Sinne der Gründungsväter der Deutschen Orthopädie vor 100 Jahren.

So war es nur folgerichtig, dass die Wissenschaftliche Gesellschaft erneut eine Namensänderung ins Auge gefasst hatte. Der erste Anlauf zur Umbenennung der Gesellschaft in Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie scheiterte 1986, weil zahlreiche niedergelassene Kollegen einen Verlust der traumatologischen Kompetenz befürchteten. Nun hat die Mitgliederversammlung im Oktober 2000 in Wiesbaden für die neue Namensnennung gestimmt, und das Registergericht hat diese Abstimmung bestätigt. Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie knüpft damit an das Erbe der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Chirurgie an, die vor 100 Jahren angetreten war, die chirurgische und die konservative Orthopädie zu vereinen.

Die Geschichte der deutschen Orthopädie zeigt, dass die Namensgebung das Fach nicht immer wegweisend beeinflusst hat. Bei den Veränderungen des Gesundheitssystems, bei den Rationalisierungsbestrebungen an den Universitäten und bei der Neuordnung der medizinischen Fächer ist es allerdings notwendig, auf die besondere und umfassende Kompetenz der Orthopädie und orthopädischen Chirurgie für das gesamte Fach hinzuweisen.Dies war nicht die letzte Namensänderung, denn durch den bevorstehenden Zusammenschluss mit der Unfallchirurgie ist eine abermalige Neubenennung schon vorprogrammiert. Sie sollte nüchtern diskutiert werden, den Willen der Gründungsväter der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Chirurgie vor 100 Jahren immer vor Augen: konservative und chirurgische Inhalte des Faches gehören zusammen (Niethard und Götte 2000).F.U. Niethard

Literatur

  • 01 Glimpel  G. Karl Cramer und die Orthopädie in Köln. Inaug. Dissertation, Köln; 1975
  • 02 Hohmann  G. zit. Nach Glimpel. 
  • 03 Lorenz  A. Wenn der Vater mit dem Sohne.  Dtv, München; 1978
  • 04 Niethard  F U, Götte  S. Orthopädie, orthopädische Chirurgie, Unfallchirurgie - der Kreis schließt sich?! .  Z Orthop. 2000;  138 287-288
  • 05 Schede  F. Orthopädie am Scheidewege.  Z Orthop. 1962;  99 152
  • 06 Thomann  K-D. 100 Jahre Zeitschrift für Orthopädie.  Z Orthop. 1993;  131 195-207

Prof. Dr. med. Fritz Niethard

Orthopädische Klinik RWTH Aachen

Pauwelsstr. 30

52074 Aachen

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