Zusammenfassung
Vorübergehende, freiwillige Einschränkungen der Nahrungsaufnahme,
sog. Fastenperioden, werden seit altersher von Menschen der verschiedensten
Kulturkreise benutzt, um ein Gefühl innerer Harmonie und erhöhter
Sensibilität zu erzeugen, Ängste abzubauen und sich so stärker
in andere Menschen und andere Vorstellungen hineinversetzen zu können. Vor
allem im Rahmen religiöser oder spiritueller Rituale wird das Fasten
eingesetzt, um das Erreichen transzendentaler Bewusstseinszustände zu
erleichtern. Selbst so lange tradierte religiöse Gebräuche wie unsere
vorösterliche Fastenperiode scheinen auf der intuitiven Erfahrung der
durch Nahrungsrestriktion ausgelösten psychischen Effekte des Fastens zu
beruhen.
Ergebnisse tierexperimenteller Untersuchungen bieten eine Erklärung
für diese durch mehrtägiges Fasten ausgelösten psychischen
Effekte.
Wenn Versuchstiere nur mit der Hälfte der Nahrungsmenge gefüttert
werden, die sie normalerweise täglich zu sich nehmen, lassen sich nach
einigen Tagen in ihrem Gehirn Veränderungen feststellen, die man bisher
nur nach der Verabreichung bestimmter psychoaktiver,
bewusstseinsverändernder Drogen beobachtet hatte: Ähnlich wie nach
der Einnahme von substituierten Amphetaminen kommt es auch beim Fasten zu einer
vermehrten Produktion und Freisetzung des Neurotransmitters Serotonin.
Zusätzlich wird die Wiederaufnahme des ausgeschütteten Serotonins
durch eine Herabregulation der Dichte von Serotonintransportern vermindert und
auf diese Weise ein ähnlicher Effekt ausgelöst, wie nach der Einnahme
der als „Glückspillen” propagierten
Serotoninwiederaufnahmehemmer. Beide Effekte zusammen führen so
gewissermaßen zu einer „Überflutung”des Gehirns mit
Serotonin und damit zu einer Verstärkung der Wirkungen dieses
weitverzweigten Transmittersystems, das in besonderer Weise an der
Globalisierung und Harmonisierung der in räumlich getrennten, lokalen
neuronalen Netzen generierten Aktivitäten beteiligt ist und daher eine
zentrale Rolle bei der Regulation von Stimmungen und Affekten spielt.
Es dauert etwa 2 Tage bis diese Veränderungen des serotonergen Systems
voll ausgeprägt sind. Sie sind bei jungen Tieren leichter auslösbar
als bei älteren und gehen mit einer „Fasten-induzierten
Anorexie” sowie einer allgemeinen Verhaltensaktivierung einher.
Vermutlich führen diese zentralnervösen Effekte neben den bereits
bekannten fasteninduzierten metabolischen und endokrinen Umstellungen zur
Verbesserung der regulatorischen Potenz des Organismus und tragen auf diese
Weise zur Gesunderhaltung und Verlängerung der Lebensspanne nicht nur von
Versuchstieren bei.
Abstract
Temporary, voluntary limitations of the food intake, so-called fasting
periods, have been used for ever by people of various cultures, to generate a
feeling of inner harmony and increased sensibility in order to reduce fear and
to be able, to put oneself in the position of other people and of other ideas.
Fasting is especially used within the framework of religious or spiritual
rituals, in order to make it easier to reach transcendental states of
consciousness. Even such a long tradition, like our religious customs of a
fasting period immediately before Easter, seems to be based on the intuitive
experiencing of the psychic effects of fasting caused by food restriction.
Results of experiments with animals offer an explanation for the
psychological effects, which are caused by a fasting period of several
days.
When the experimental animals receive only 50 % of their normal daily food
intake, changes can be determined in their brain after a few days, which have
been observed so far only after the administration of specific psychoactive,
consciousness-altering drugs. During fasting, there is an increased production
and release of the neurotransmitter serotonin, which resembles the situation
after the intake of substituted amphetamines. Additionally, the reabtake of the
released serotonin is reduced by regulating down the density of serotonin
carriers, and this causes a similar effect as it is the case after the intake
of the serotonin reabsorption inhibitors which are propagated as
“happiness pills”. Both effects together lead to a
“flooding”of the brain with serotonin and therefore to an
intensification of the effects of this widely branched transmitter system. This
system is in a special way involved in the globalization and harmonization of
the activities, which are generated in the physically separated, local neuronal
networks and which therefore plays a central role in the regulation of moods
and affections.
It takes about 2 days, until these changes of the serotonergic system are
fully developed. They can more easily be triggered in young animals than in
older animals and are accompanied by an “anorexia induced by
fasting” as well as by a general activation of behavior. Presumably,
these central nervous effects lead in addition to the known metabolic and
endocrinal changes, which are induced by fasting, to an improvement of the
regulatory potency of the organism, and therefore they contribute to the
preservation of health and prolongation of the span of life not only of
experimental animals.
Schlüsselwörter
Fasten - neurobiologische Effekte - Neurotransmitter - Serotonin - Gesunderhaltung
- psychische Fastenreaktionen
Keywords
Fasting - neurobiological effects - neurotransmitter - serotonin - preservation of
health - psychic fasting reaction