Psychotraumatologie 2001; 2(4): 22
DOI: 10.1055/s-2001-18453
Berichte aus der Praxis
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Psychohygiene in der Traumatherapie

Ein ErfahrungsberichtLuise Reddemann1
  • 1Klinik für Psychotherapeutische und Psychosomatische Medizin, Bielefeld, Deutschland
Weitere Informationen
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Autor:

Dr. med. Luise Reddemann

Klinik für Psychotherapeutische und Psychosomatische Medizin

Graf von Galen Str. 58

33619 Bielefeld

Telefon: Tel.: ++49-521-801-1531

Fax: Fax.:++49-521-801-1530

eMail: e-mail: L.Reddemann@t-online.de

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
20. Dezember 2001 (online)

 
Inhaltsübersicht #

Zusammenfassung

Die Arbeit betont die Gefahr der sekundären Traumatisierung, der Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen ausgesetzt sind, die traumatisierte Patientinnen und Patienten behandeln, und schlägt praktische Maßnahmen zum „Psychohygiene-Management” vor. Es werden zunächst die wichtigsten Bereiche der Psychohygiene genannt und daran anschließend praktische Übungen beschrieben, die sich aus eigener Erfahrung als hilfreich erwiesen haben für ein effektives Psychohygiene-Management, das auf vier Ebenen wirksam werden sollte: auf der körperlichen, der emotionalen, der kognitiven und der spirituellen Ebene. Es werden die wesentlichen Elemente eines Psychohygiene-Seminars dargestellt. Auf der Basis eigener klinischer Erfahrungen wird die Schlussfolgerung gezogen, dass die regelmäßige Sorge für Regeneration und die Bewusstmachung von Ressourcen für Traumatherapeutinnen und Traumatherapeuten unabdingbar sind, um auf Dauer den Herausforderungen ihrer Tätigkeit gewachsen zu sein.

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Psychohygiene for therapists treating traumatised patients - helpful exercises to prevent secondary traumatisation

The article points out the risk of secondary traumatisation encountered by therapists treating traumatised patients. Since the permanent engagement in the patient’ traumatic experiences can lead to massive sensations of faintness and helplessness, traumatising effects on the therapists cannot be ruled out. Against the background of this danger we propose practices that may help traumatherapists to be well prepared for the challenges of their work. Firstly, important fields of psychohygiene are portrayed. Subsequently, exercises which in our own experience have proved helpful for an effective management of psychohygiene are presented and specified. This management of psychohygiene has to be efficient on at least four levels: the physical, the emotional, the cognitive, and the spiritual level. The substantial elements of a seminar on psychohygiene are outlined. We conclude on the basis of our own clinical experience that the constant care for regeneration and the conscious awareness of resources to traumatherapists are indispensable for successfully coping with the increasing demands made on them by their work.

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Einleitung

Die Behandlung von Menschen, die traumatisiert sind, ist eine Herausforderung und Chance für Traumatherapeutinnen und Therapeuten, sich immer wieder mit der Frage des Selbstschutzes und der eigenen Psychohygiene auseinanderzusetzen.

Aus unserer jetzt etwa 16 Jahre dauernden Arbeit mit Traumapatienten und -patientinnen konnten wir ableiten, dass diese Arbeit Therapeutinnen und Therapeuten rasch erschöpfen kann. Bekannt ist das Phänomen der „vikariierenden” oder sekundären Traumatisierung, also einer Traumatisierung dadurch, dass man sich mit einem Trauma beschäftigt. Denn bei der Beschäftigung mit dem traumatischen Geschehen kommt es vor, dass wir selbst in dermaßen massive Gefühle von Ohnmacht und Hilflosigkeit hineingeraten, dass sich dies auf das Ich traumatisierend auswirken kann. Auch wenn dieses Phänomen nicht all zu häufig ist, so stellt es doch eine Extremform dar, die uns zeigte, in welch schwieriges Geschehen wir uns einlassen, und mit welchen Gefahren wir zu rechnen haben. Häufiger sind Gefühle von Lustlosigkeit gegenüber der Arbeit - also burn-out Erscheinungen - von Fragen nach dem Sinn der Arbeit und dem Sinn des Lebens begleitet. Häufig ist es auch, dass Therapeutinnen ihre Patientinnen und deren Geschichten „mit nach Hause nehmen” und ihre Beziehungen davon belastet werden. Therapeuten und Therapeutinnen werden ihren PartnerIn gegenüber misstrauisch, verlieren die Freude an ihrer Sexualität und überhaupt die Freude am Leben. Belastend ist es auch, wenn man dauernd an die Geschichten der Patientinnen und Patienten denken muss, also „intrusiv” verarbeitet oder dicht macht, d. h. „konstriktiv” mit den Erfahrungen umgeht. In jedem Fall ist es dann auch schwierig, der Klientel angemessen zu begegnen.

Es ist wichtig zu wissen, dass die Arbeit mit traumatisierten Menschen in jedem Therapierenden das breite Spektrum von Gefühlen der Ohnmacht, Hilflosigkeit, Trauer und Verzweiflung bis hin zu Depressivität aktiviert. Natürlich auch Zorn, Wut, Aufbegehren. Dies alles zu erleben ist normal. Schwierig wird es, wenn diese heftigen, eher negativ getönten Gefühle anhalten bzw. dominieren, und immer weniger Platz für Gefühle von Freude, Lebenslust und Glück da zu sein scheint.

Es fällt auf, dass es auf Psychotherapie-Kongressen immer einmal wieder einen Vortrag zum Thema gibt, d. h. mittlerweile ist ein gewisses Bewusstsein vorhanden, dass Arbeit mit Menschen in Not einen selbst in Not bringen kann. Insgesamt sind die Angebote aber eher spärlich. Auf der anderen Seite scheint aber auch das Bewusstsein für die Notwendigkeit bewusster und gezielter Psychohygiene eher gering. Die Nachfrage nach Kursen, die ich dazu anbiete, ist im Vergleich zur Nachfrage nach Fortbildung in traumatherapeutischen Techniken verschwindend gering.

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Wichtige Bereiche der Psychohygiene

Die folgende Tabelle, die ich Arne Hofmann (persönliche Mitteilung) verdanke, gibt wieder, welche Bereiche beim Thema Psychohygiene beachtet werden sollten. Anschließend gehe ich auf konkrete Möglichkeiten verbesserter Psychohygiene und eines geschickten Psychohygiene-Managments ein.

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Individuell persönliche Psychohygiene

  • physisch: Schlaf, Ernährung, Bewegung usw.

  • psychophysisch: Entspannung, Balance, Naturkontakt, Meditation

  • Distanzierungstechniken und EMDR bei Intrusionen

  • kreativer Ausdruck

  • ausgleichende Aktivitäten

  • Spiritualität, Humor

  • sozial: Unterstützungsnetz

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Professionelle Psychohygiene

  • Ausbildung, Selbsterfahrung auch im Bereich eigener Traumata (dies ist in den meisten Selbsterfahrungsangeboten nicht selbstverständlich)

  • Setzen von Grenzen

  • Supervision

  • Erholungszeiten

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Soziale Psychohygiene

  • Arbeitsplatz: Wertesystem, Supervision

  • kollegiale Unterstützung

  • Gesetze, soziales Klima

  • Fachgesellschaften, Netzwerke

Die wissenschaftlichen Grundlagen des Themas „Psychohygiene” finden sich in der Forschung über Stress und traumatischem Stress und in der Forschung über Stressmanagement. Ich möchte praxisorientiert darstellen, wie der oben genannte Bereich der persönlichen Psychohygiene ausgeglichen und unterstützt werden kann und dabei Erfahrungen mit mir selbst, aus unserer Klinik und aus meinen Kursen zur Psychohygiene verwenden.

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Förderung der Selbstheilungskräfte als psychohygienische Maßnahme

Für Patientinnen und Patienten habe ich die Hypothese aufgestellt, dass sie über Selbstheilungskräfte verfügen, und dass es für sie heilsam ist, diese Selbstheilungskräfte zu unterstützen. Nach dem gleichen Prinzip gehe ich auch bei Therapeutinnen und Therapeuten vor [2].

Die Beschäftigung mit traumatischen Erfahrungen berührt Therapeutinnen und Therapeuten in allen Schichten ihres Seins:

  • auf der körperlichen Ebene,

  • auf der emotionalen Ebene,

  • auf der kognitiven Ebene und

  • auf einer Ebene, die ich die spirituelle nenne.

Im folgenden soll dargestellt werden, wie man Selbstheilungskräfte zum Ausgleich von Belastungen in den genannten Bereichen fördern kann.

Da Heilung und Selbstheilung ganzheitliche Geschehen sind, fördert die Konzentration in einem Bereich alle anderen mit. Am wichtigsten ist der Aspekt der Freude. Wenn es der Therapeutin/dem Therapeuten gelingt, sich selbst in einem Bereich mit Freude zu unterstützen, hilft dies mehr, als wenn ein „Programm durchgezogen” wird, weil etwas für die Psychohygiene getan werden „muss”.

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Die körperliche Ebene

Das Anhören und zum Teil Miterleben von Traumata aktiviert in uns Reaktionen auf der Körperebene, die in Richtung Kampf und Fluchtverhalten gehen, so dass es wichtig ist, dem Körper Gelegenheit zu geben, sich ausreichend zu bewegen. Sollte das nicht möglich sein, helfen auch Imaginationen, wie z. B. Bilder, dass man läuft oder rennt. Günstiger ist es, sich konkret zu bewegen.

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Übung

Finden Sie eine Musik mit einem schnellen Rhythmus (wir benutzen z. B. das Stück „Budapest” von Deborah Henson-Conant oder die Kundalini-Meditation von Osho oder Musik von Gabrielle Roth) und beginnen Sie den Körper nach und nach auszuschütteln, begleitet von der Vorstellung, dass Sie alles, was Sie belastet, aus sich herausschütteln. Sie können z. B. beim rechten Handgelenk beginnen und dann alle Gelenke durchschütteln. Sie können aber auch den Bedürfnissen ihres Körpers folgen. Schütteln Sie sich wenigstens fünf Minuten, wenn Sie mögen auch zehn bis fünfzehn Minuten. Anschließend ruhen Sie sich aus und spüren Ihren Körper.

Wenn Sie sich nicht schütteln mögen, können Sie auch nach einer Musik Ihrer Wahl tanzen, so wie es Ihnen Freude macht. Auch diese Bewegung können Sie mit der Vorstellung begleiten, dass Sie alles, was Sie nicht mehr brauchen, durch den Tanz gehen lassen. „Bewegung ist Leben” [3], daher ist freies Tanzen allein oder mit anderen eines der wirksamsten Mittel gegen jede Art von seelischem Kummer und Stress.

Die neuropsychoimmunologische Forschung legt nahe, dass es so etwas wie ein Zellgedächtnis des Körpers gibt. Ich finde es daher hilfreich, mit Vorstellungen zu arbeiten, die den Körper als Partner mit einbeziehen. Ich stelle mir manchmal vor, wie ich mit meinem Körper spreche, mich bei meinen Zellen bedanke für das, was sie für mich tun. Dass ich sie einlade, alles loszulassen, was „wir” nun nicht mehr brauchen. Ich begleite dies, indem ich ganz bewusst eine Dusche nehme, angereichert von der Vorstellung, dass das Wasser alles fortspült. Oder ich imaginiere eine Lichtdusche und das Licht nimmt alles mit, was der Körper nun nicht mehr braucht. Ich gebe es zurück an die Erde, mit der Bitte, es für mich zu verwandeln. Auch die Vorstellung, dass beim Ausatmen alles fortgetragen wird, was man nicht mehr braucht, so wie man beim Einatmen das in sich aufnimmt, was gebraucht wird, wird als hilfreich erlebt. Manchen hilft auch das Bild eines großen Komposthaufens, in dem, was nicht mehr gebraucht wird, sich in nützliche Erde verwandelt.

Diese Übungen verstärken etwas, was der Körper ohnehin tut. Wenn wir etwas, was ohnehin geschieht, bewusster tun, scheint es wirksamer zu werden.

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Berührung

Wenn Therapeutinnen etwas Traumatisches hören, handelt es sich meist um Geschichten unheilvoller Berührungen. Das Anhören dieser Geschichten versetzt den Körper der Therapeuten und Therapeutinnen immer wieder in Schrecken. Zum Ausgleich sind daher heilende und liebevolle Berührungen zu empfehlen.

Aromatherapeutische und andere Massagen, die wir unseren Patientinnen und Patienten verschreiben, sind auch für Therapierenden wohltuend.

Die wirksamste Methode, die wir in den letzten Jahren entdeckt haben, ist das „Breema” [4] [5]. Breema ist eine Körperarbeit, die ursprünglich von den kurdischen Bergbauern im iranisch-afghanischen Grenzland entwickelt wurde und sich jetzt in Kalifornien verbreitet und gelehrt wird. Von dort gelangt es in den letzten Jahren langsam auch nach Europa. Die Breema-Übungen zielen als Partnerübungen auf wechselseitige Unterstützung. Beim Breema wird nicht diagnostiziert, nicht beurteilt. Zwei Körper begegnen sich und unterstützen sich gegenseitig. Die Arbeit ist getragen von Aktionen des Haltens, des Wiegens und von sanfter Stimulation. Es gibt auch zahllose Selbst-Breema-Übungen, die großteils Bewegungen wieder aufgreifen, die wir als Kinder ganz selbstverständlich machten, und bei denen der Körper ebenfalls selbst berührt wird. Alle diese Übungen haben etwas Spielerisches.

Da Traumatherapeuten und -therapeutinnen ständig damit beschäftigt sind, wieviel Gewalt dem Körper angetan wurde und getan wird, ist es für sie von besonderer Wichtigkeit, mit dem eigenen Körper Wege zu gehen, die ohne Gewalt auskommen. Im Breema wird gesagt, dass es bereits Gewalt sein könne, einen Körper zu beurteilen. Es geht daher„nur” darum, dass sich zwei Menschen körperlich begegnen und unterstützen. Ich erinnere mich gut daran, wie anstrengend ich es fand, in verschiedensten Körpertherapien bzw. bei verschiedenster Körperarbeit zu erleben, dass dieses oder jenes an mir nicht richtig ist. Soweit mir bekannt ist, kommt nur das Breema und Julie Henderson (1)mit ihrem „How to feel as good as you can inspite of everything” mit ebenfalls spielerischen Übungen ohne jedes Urteil aus. Henderson empfiehl so simple wie wirkungsvolle Dinge wie bewusstes Gähnen, Lachen, so tun als ob man lacht, etc. Außerdem soll man nichts tun, von dem man spürt, dass man es (gerade) nicht will, und viel Ruhe suchen. Sie konnte auch zeigen, dass sich Stimmungen allein durch die Konzentration auf ihre Körperarbeit verändern können, ohne dass man irgendeine andere (z. B. psychotherapeutische) Arbeit macht.

Berührung ist, wenn sie angenommen werden kann - was bei traumatisierten Menschen im allgemeinen nicht der Fall ist, bei Therapeutinnen aber meist der Fall sein dürfte -, eines der wirksamsten Mittel gegen (traumatischen) Stress. Die Breema-Erfahrungen oder Erfahrungen anderer Art mit liebevollem Berührtwerden schaffen ein Gegengewicht gegen die Schreckensbilder aus den Behandlungen. (Das Prinzip des Gegengewichtes gilt im Übrigen grundsätzlich für alle psychohygienischen Maßnahmen, d. h. bei Belastendem wird immer wieder bewusst darauf geachtet, auch Gegenbilder oder Gegengedanken bewusst aufzusuchen.) Wenn Partner-Breema nicht möglich ist, ist daher liebevolles Sich-Selbst-Berühren als Selbst-Breema ein guter Ausgleich. Dabei spielt das Prinzip „Achtsamkeit” eine bedeutende Rolle. Wem es gelingt, für einige Momente bewusst und achtsam z. B. eine Hand auf die Brust oder den Bauch zu legen, wird bemerken können, dass sich dadurch etwas verändert. Im übrigen sei darauf hingewisen, dass viele Menschen sich intuitiv selbst berühren, wenn sie angespannt sind, nur geschieht dies meist mehr oder weniger unbewusst.

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Die emotionale Ebene

Es wurde schon gesagt, dass Arbeit mit Traumatisierten die Therapeutin mit heftigsten, oft sehr belastenden Gefühlen konfrontiert. Unsere grundsätzliche Haltung ist: nicht „behalten” wollen. Das kann auch dazu führen, dass wir uns an Dinge, die Patientinnen und Patienten uns in den Trauma-Sitzungen berichtet haben, tatsächlich nicht erinnern. Wir deklarieren dies. Wir erklären der Patientin, dass wir, wenn möglich, nichts behalten wollen. Wir erklären ihr, dass wir der Meinung sind, dass es uns auf Dauer überfordern würde, all die Schreckensgeschichten in uns zu behalten. Das bedeutet auch, dass wir uns nicht als Container für traumatische Material zur Verfügung stellen. Viele Patientinnen sind nach dieser Mitteilung erleichtert. Generell gehen wir von einem für uns hilfreiches Prinzip aus: anschauen und gehen lassen. Dieses einfache Prinzip bedarf einer bewussten Entscheidung und steht im Gegensatz zu traditionellen Haltungen in der Psychotherapie.

Sehr zu empfehlen ist es, sich Wege zu suchen, die auf kreative Art helfen, belastende Emotionen auszudrücken: Tanz (s. o.), Gestaltung, Musik, Schreiben. Es sollte immer der Weg sein, der am stimmigsten für die eigene Person ist. Viele von uns erleben es als heilend, in der Natur zu sein und dort wieder „Kraft zu tanken” andere mögen eine ausgelassene und erschöpfende Disco-Nacht hilfreicher empfinden. Was auch immer es ist, zu empfehlen ist: machen Sie sich bewusst, was Ihnen Freude macht und tun Sie es, so oft Sie können. Das ist ein gutes Gegengewicht gegen Belastendes aus Traumatherapien.

Eine weitere Übung sei empfohlen. Die Übung des „inneren Beobachters”. Diese Meditationsübung hilft, Distanz herzustellen. In psychologischer Sprache scheint es sich um eine Dissoziationstechnik zu handeln: man macht sich bewusst, dass es einen Teil in einem gibt, der alles neutral beobachten kann.

Man sagt sich:

  • ich bin mehr als mein Körper, denn ich kann diesen beobachten,

  • ich bin mehr als meine Gefühle, denn ich kann diese beobachten,

  • ich bin mehr als meine Stimmungen, denn ich kann diese beobachten,

  • ich bin mehr als meine Gedanken, denn ich kann diese beobachten.

Man betrachtet also, was ist, macht sich die innere Fähigkeit des Beobachtens als Ressource bewusst zugänglich und lässt das, was ist, sein, damit es „wieder gehen kann”.

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Die kognitive Ebene

Simonton [6] empfiehlt seinen schwer krebskranken Patientinnen, sich mit den eigenen negativen Kognitionen auseinanderzusetzen. Diese Technik der kognitiven Verhaltenstherapie empfehlen wir auch Therapeutinnen. Denn nicht nur unsere Patientinnen sind von negativen Kognitionen geplagt. Wie oft denken Therapeuten und Therapeutinnen: „das ist zu schwer für mich, das kann ich nicht, dieser Patientin kann ich nicht helfen, dafür bin ich nicht gut genug, das hat doch sowieso alles keinen Sinn, usw?”

Simonton empfiehlt, diese Sätze nach folgendem Vorgehen zu überprüfen:

  • Sind Deine Gedanken/Überzeugungen auf Tatsachen gegründet?

  • Helfen Dir Deine Gedanken/Überzeugungen, Dein Leben und Deine Gesundheit zu schützen?

  • Helfen Dir Deine Gedanken/Überzeugungen, Deine Nah- und Fernziele zu erreichen?

  • Helfen Dir Deine Gedanken/Überzeugungen, die unangenehmsten Konflikte zu lösen oder zu vermeiden?

  • Tragen Deine Gedanken/Überzeugungen dazu bei, Dich so zu fühlen, wie Du Dich fühlen möchtest?

Wenn ein Nein da ist, ist der Satz zu verändern, bis er alle Ja-Kriterien erfüllt. Wir finden es hilfreich, uns gegenseitig auf unsere negativen Kognitionen hinzuweisen.

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Die spirituelle Ebene

Die dunklen Seiten des Lebens konfrontieren uns mit Sinnfragen. Früher oder später ist die Traumatherapeutin vor die Aufgabe gestellt, für sich einen sinngebenden Zusammenhang für das, was menschliches Leben an Grauen beinhalten kann, herzustellen.

Naturgemäß gibt es hierauf nur sehr individuelle und persönliche Antworten. Daher kann an dieser Stelle nur die Ermutigung ausgesprochen werden, dass Therapeutinnen sich erlauben, Sinnfragen zu stellen und darauf ihre je eigene Antwort zu finden. Dabei kann es einem helfen, in der Geschichte der Menschheit die Antworten, die andere vor uns gefunden haben, zu entdecken. Der Wege sind viele!

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Elemente eines Seminars zur Psychohygiene

Abschließend will ich die wesentlichen Elemente eines Psychohygieneseminars darstellen. Zunächst werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eingeladen, sich mit dem Teil in sich zu verbinden, der über mehr als Alltagswissen verfügt. Dafür gibt es viele verschiedene Bezeichnungen: Intuition, innere Weisheit, innerer Ratgeber, innerer Coach und vieles mehr. Es gibt eine Reihe von Übungen, mit diesem Teil in Kontakt zu kommen. Oft genügt aber tatsächlich auch die schlichte Entscheidung, es zu wollen und zu tun. Ist der Kontakt hergestellt, gibt es eine Übung, sich visionäre Ziele in Bezug auf die persönliche und berufliche Zukunft zu imaginieren. Dabei ist es wichtig, dies mit allen Sinnen zu tun und sich zu erlauben, auch „verrückten” Ideen Raum zu geben. Diese Vision(nen) ist (sind ) das Leitmotiv für das ganze Seminar. Immer wieder werden Probleme dazu in Bezug gesetzt.

In den folgenden Tagen bringen die Kolleginnen und Kollegen schwierige Situationen mit Patientinnen und Patienten ein. Es werden konsequent die Ressourcen der Kollegen erarbeitet, die sie bereits zur Verfügung haben, und anhand der Vision nach weiteren Lösungsmöglichkeiten gesucht. Je nach Lage werden weitere Übungen empfohlen. Z.B. kann es sehr hilfreich sein, eine räumliche oder zeitliche Distanzierung zu imaginieren.

Des weiteren gibt es eine Reihe Übungen zum achtsameren nicht verurteilenden Umgang mit sich selbst. Ergänzt wird diese imaginative Arbeit durch Breema-Körperarbeit und weitere Körperarbeit (u. a. auch nach J. Henderson). Die freie Zeit soll möglichst der Erholung dienen, weshalb die Seminare an Orten stattfinden, an denen das leicht möglich ist.

Die Auswertung am Ende der bisherigen Seminare ergab jeweils deutlich mehr innere Ruhe und Gelassenheit sowie Zuversicht und Selbstvertrauen, außerdem die Bereitschaft, sich, falls erforderlich, klarer abzugrenzen. Traumatherapeutinnen und Traumatherapeuten sollten sich regelmäßig für Regeneration Zeit nehmen, und für Bewusstmachung von Ressourcen in ausreichendem Maß zu sorgen. Denn nur dann sind sie auf Dauer den Herausforderungen ihrer Tätigkeit gewachsen.

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Literaturverzeichnis

  • 1 Henderson J. How to feel as good as you can inspite of everything.  Selbstverlag. 1999; 
  • 2 Reddemann L. Imagination als heilsame Kraft. Zur Behandlung von Traumafolgen mit ressourcen-orientierten Verfahren. Klett-Cotta Stuttgart; 2001
  • 3 Roth G. Leben ist Bewegung. Heyne München; 1998
  • 4 Schreiber J. Touching the Mountain.  Oakland: California Health Publications. 1989; 
  • 5 Schreiber J. Breema. Essenz eines harmonischen Lebens. Ryvellus Freiburg; 2000
  • 6 Simonton C L. Körper, Seele, Geist: Krebs und Gesundheit. Seminarkassette. Zist Penzberg; 1992
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Autor:

Dr. med. Luise Reddemann

Klinik für Psychotherapeutische und Psychosomatische Medizin

Graf von Galen Str. 58

33619 Bielefeld

Telefon: Tel.: ++49-521-801-1531

Fax: Fax.:++49-521-801-1530

eMail: e-mail: L.Reddemann@t-online.de

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Literaturverzeichnis

  • 1 Henderson J. How to feel as good as you can inspite of everything.  Selbstverlag. 1999; 
  • 2 Reddemann L. Imagination als heilsame Kraft. Zur Behandlung von Traumafolgen mit ressourcen-orientierten Verfahren. Klett-Cotta Stuttgart; 2001
  • 3 Roth G. Leben ist Bewegung. Heyne München; 1998
  • 4 Schreiber J. Touching the Mountain.  Oakland: California Health Publications. 1989; 
  • 5 Schreiber J. Breema. Essenz eines harmonischen Lebens. Ryvellus Freiburg; 2000
  • 6 Simonton C L. Körper, Seele, Geist: Krebs und Gesundheit. Seminarkassette. Zist Penzberg; 1992
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Autor:

Dr. med. Luise Reddemann

Klinik für Psychotherapeutische und Psychosomatische Medizin

Graf von Galen Str. 58

33619 Bielefeld

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