Ein verbreitetes Problem in der psychiatrischen Pflege stellt das Treffen von Entscheidungen
für Patienten dar, die ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse nicht mitteilen können. In
diesem Artikel werden die Ergebnisse einer qualitativen Studie vorgestellt, die sich
auf Situationen konzentriert, in denen Patienten nicht bei einer pflegerischen Entscheidung
kooperieren, in der es darum geht, was für sie getan werden soll. Das Forschungsdesign beinhaltet einige Schritte, die der Methode
der Grounded Theory entstammen. Die Datensammlung erfolgte mittels unstrukturierter
Interviews mit zehn britischen Pflegekräften, die über langjährige Erfahrung in psychiatrischer
Pflege verfügen. Durch das Umsetzen der Methode der konstanten komparativen Analyse
der transkribierten Interviews wurde herausgefunden, dass Pflegekräfte unterschiedliche
Arten von subtilem Zwang benutzen, um ihre eigenen Ziele für den Patienten zu erreichen.
Diese Ziele wurden als „im besten Sinne” des Patienten gerechtfertigt. Die Hauptelemente
des subtilen Zwangs sind Teil eines Prozesses, der aus folgenden Schritten besteht:
Einschätzung der Fähigkeit des Patienten, für sich selbst Entscheidungen zu treffen;
strategisches Handeln; Abwandeln des Prinzips der Autonomie; Rechtfertigung der Strategien;
und ethisches Reflektieren der durchgeführten Handlungen. Die Studie deutet darauf
hin, dass weitere empirische Untersuchungen klinischer Situationen im Zusammenhang
mit subtilem Zwang notwendig sind. Besondere Aufmerksamkeit sollte dabei den organisatorischen
Einflussfaktoren zukommen und wie diese zum Einsatz von subtilem Zwang beitragen.
Eine spezifische Frage bedarf der theoretischen und empirischen Untersuchung: „Kann
subtiler Zwang in bestimmten Situationen als ,ethisch vertretbar’ gerechtfertigt werden,
in anderen dagegen nicht?”
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1 Die Arbeit ist zuerst erschienen im „ ;Journal of Psychiatric and Mental Health Nursing”
1998; 5 (2): 101 - 107. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages Blackwell
Science Ltd. Übersetzung aus dem Englischen: Gernot Walter.
K. Lützén
Stockholm University College of Health Sciences
Box 1821 17124 Solna Schweden