Aktuelle Neurologie 2002; 29: 15-18
DOI: 10.1055/s-2002-27798
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Kognitive Effekte von Antiepileptika: Wie aussagekräftig sind neuropsychologische Tests?

Cognitive Effects of Anticonvulsants: How Useful is Neuropsychological Testing?Ute  Kopp1
  • 1Neurologische Klinik und Poliklinik, Charité, Humboldt-Universität Berlin
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Publication Date:
03 May 2002 (online)

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Epilepsiepatienten werden über lange Jahre, viele von ihnen sogar lebenslang, antiepileptisch behandelt. Eine negative Wirkung der Medikation auf kognitive Funktionen wie Aufmerksamkeit, Sprache oder Gedächtnis kann dabei im Einzelfall eine erhebliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit und des Wohlbefindens bedeuten. Der Dokumentation unerwünschter kognitiver Effekte der eingesetzten Antiepileptika kommt in diesem Zusammenhang eine wesentliche Bedeutung zu, können sie doch die Entscheidung für oder wider einen bestimmten Wirkstoff erheblich beeinflussen. Für den klinisch tätigen Neurologen sind die Ergebnisse der vorliegenden Gruppenstudien allerdings oft wenig hilfreich und scheinen nicht selten im Widerspruch zu stehen zu eigenen Erfahrungen mit Epilepsiepatienten.

Vermeulen u. Aldenkamp [1] fassten 1995 in einer ausführlichen Übersichtsarbeit die Ergebnisse der letzten 25 Jahre Forschung zu kognitiven Nebeneffekten antiepileptischer Medikation zusammen. Nach einer Metaanalyse von 90 in diesem Zeitraum durchgeführten Studien kamen sie zu dem Schluss, dass es aufgrund der Datenlage unmöglich sei, einem der etablierten Antiepileptika aus rein kognitiver Sicht den Vorzug zu geben. Für Phenytoin (DPH), Carbamazepin (CBZ) und Valproat (VPA) scheinen tatsächlich nur marginale Unterschiede bezüglich der messbaren kognitiven Effekte zu bestehen, die sich im Wesentlichen in einer herabgesetzten Antwortgeschwindigkeit in Aufgaben mit hoher Speedkomponente äußern. So fanden Duncan et al. [2] nach kontrolliertem Absetzen von DPH, CBZ und VPA eine wirkstoffunabhängige Verbesserung der motorischen Geschwindigkeit, während die Ergebnisse in anderen Funktionen unverändert blieben. Übereinstimmend damit berichteten Meador et al. [3] ähnlich ausgeprägte, dezente Leistungseinbußen in zeitgebundenen Tests mit hoher Anforderung an motorische Geschwindigkeit und Aufmerksamkeit bei gesunden Probanden unter DPH und CBZ.

Eine Ausnahme unter den Antiepileptika bildet das Phenobarbital (PHB). Hier werden im Vergleich zu DPH und VPA bereits bei gesunden Probanden ausgeprägtere kognitive Veränderungen beschrieben [4]. Besonders kritisch sind diese Effekte jedoch bei Kleinkindern. Sulzbacher u. Mitarb. [5] untersuchten eine Gruppe von Kindern, die - beginnend zwischen dem 8. und 36. Lebensmonat - aufgrund febriler Anfälle für zwei Jahre entweder PHB oder Plazebo erhalten hatten. Dabei verfügten die mit PHB behandelten Kinder am Ende der zweijährigen Behandlungszeit über einen signifikant geringeren IQ als die plazebobehandelten Kinder. Weit interessanter war jedoch die Tatsache, dass die Versuchsgruppe auch noch zwei Jahre nach Absetzen des Medikamentes Defizite in sprachlichen Fähigkeiten wie Lesen und Buchstabieren aufwies, so dass von einem adversen Effekt der Medikation in einer entwicklungspsychologisch sensitiven Phase ausgegangen werden kann.

Literatur

Dr. med. Ute Kopp

Neurologische Klinik und Poliklinik · Charité · Humboldt-Universität Berlin

Augustenburger Platz 1

13353 Berlin