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DOI: 10.1055/s-2002-33378
Behandlungsgebot und Behandlungsbegrenzung: Einfluss des Patientenwillens und Prioritäten in der palliativen Versorgung[1]
Providing or withholding treatment: The role of the patient’s wish and priorities in palliative carePublication History
eingereicht: 25.2.2002
akzeptiert: 29.6.2002
Publication Date:
15 August 2002 (online)

Hintergrund und Fragestellung: Der mutmaßliche Patientenwille ist oft schwierig zu ermitteln. Wir fragten Ärzte nach der Orientierung am Patientenwillen, Kriterien der Ermittlung und Respektierung besonders des mutmaßlichen Willens sowie nach Prioritäten medizinischer Behandlung bei Patienten mit infauster Prognose.
Probanden und Methodik: Insgesamt wurden 503 Ärztinnen und Ärzte (25,6 % weiblich; Durchschnittsalter 36,3 Jahre) in 49 Abteilungen an neun Krankenhäusern der Universitäten Bochum und Magdeburg mit einem validierten Fragebogen befragt.
Ergebnisse: 86,2 % der Befragten stuften den Patientenwunsch als wichtig ein, jedoch versuchten 54,4 % „oft”, ihn zu modifizieren. Bei strittigen Positionen in der Behandlung von nicht-kommunikationsfähigen Patienten wurde der Patientenverfügung die größte Wichtigkeit, vor der Meinung von Arzt und Angehörigen, gegeben. Gegen den Patientenwillen entschieden Ärzte vor allem in Fällen akuter Lebensgefahr und bei Suizidversuchen. Bei umstrittenen Behandlungen oder der Entscheidung, eine kausale Therapie bei Schwerstkranken zu beenden, wurde der Patientenwunsch als am wichtigsten genannt, insbesondere von Ärzte in höheren Positionen.
Folgerungen: Die Orientierung am Patientenwillen konnte belegt werden, insbesondere bei der Interventionsbegrenzung. Unklar ist, inwieweit das Arztgespräch nur der Information und Aufklärung oder auch einer paternalistischen Beeinflussng des Patienten dient. Angesichts einer noch nicht selbstverständlichen Vertrautheit im Umgang mit Patientenverfügungen sind positive Stellungnahmen zur Orientierung an ihnen bemerkenswert. Noch bemerkenswerter sind die Prioritäten, die Kliniker bei der Betreuung von Patienten mit infauster Prognose angeben.
Background and objective: Medical law and ethics require that intervention be based on patients’ wishes. However, in particular the presumed wish of the patient, is often difficult to establish. Discussions with patients may want to inform or influence the patient’s wishes. We investigated how far clinical decisions recognize the patient’s wishes and how the presumed wishes of the patient is established and respected.
Patients and methods: 503 physicians (25.6 % women; mean age 36.3) in 49 departments of the universities Bochum and Magdeburg filled in a validated questionnaire.
Results: 86,2 % of the physicians questioned ranked the patient’s wish as important or very important. However, 54,4 % tried to modify it. Advanced directives play the most important role when the patient is unable to communicate. Danger to life and suicide are reasons for clinical decisions against the patient’s wishes. But it is the main reason to end a causal therapy in terminally ill patients, especially in experienced physicians’ opinion.
Conclusions: Patients will plays a prominent role in treatment decisions; Even more so, physicians follow patients’ wishes when withholding or withdrawing treatment. Our study could not find out how widely information of the patient plays a role in altering the patient’s wishes in a paternalistic manner. Given a relative unfamiliarity with advance directives, affirmative attitudes towards their recognition are remarkable. As far as palliative and comfort care for terminal patients is concerned, contrary to widely voiced concern, clinicians do not have priorities different from those used in hospice care.
1 Diese Arbeit entstand im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projektes: „Ethische Analyse der Problematik und des möglichen Unterschiedes von ŽTunŽ und ŽUnterlassenŽ beim klinischen Entscheidungskonflikt” (SA 402/4-1)
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1 Diese Arbeit entstand im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projektes: „Ethische Analyse der Problematik und des möglichen Unterschiedes von ŽTunŽ und ŽUnterlassenŽ beim klinischen Entscheidungskonflikt” (SA 402/4-1)
Dr. Henning Thomas Baberg
Abteilung für Kardiologie, Berufsgenossenschaftliche
Kliniken Bergmannsheil, Klinikum der Ruhr-Universität
Bochum
Bürkle-de-la-Camp-Platz 1
44789
Bochum
Phone: 0234/3020
Fax: 0234/3026084
Email: henning.baberg@ruhr-uni-bochum.de