Aktuelle Dermatologie 2002; 28(6): 196-198
DOI: 10.1055/s-2002-33489
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Therapie der superinfizierten Pseudofollikulitis bei Pili recurvati sive incarnati mit dem 694 nm Long Pulse Ruby Laser

Treatment of Superinfected Pseudofolliculitis with the 694 nm Long Pulse Ruby LaserM.  Wahlen1 , P.  Dorittke1 , B.  Kardorff1
  • 1Praxis für Dermatologie, Allergologie, Phlebologie und Umweltmedizin, Vereinigung für ästhetische Dermatologie und Lasermedizin e. V. (VDL), Mönchengladbach
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Manuela Wahlen

Praxis für Dermatologie, Allergologie, Phlebologie und Umweltmedizin · Vereinigung für ästhetische Dermatologie und Lasermedizin e. V. (VDL)

Marktstraße 31 · 41236 Mönchengladbach

Publication History

Publication Date:
22 August 2002 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Die Pseudofollikulitis ist ein häufiges Krankheitsbild, dessen Verlauf meist hochchronisch ist und bei dem die Therapie häufig frustran verläuft. Wir berichten über einen 25-jährigen türkischen Patienten mit superinfizierter Pseudofollikulitis bei Pili recurvati sive incarnati im Bartbereich. Der Patient war durch Juckreiz und Schmerzhaftigkeit der Hautveränderungen stark beeinträchtigt und hatte verschiedenste topische und systemische Therapien durchlaufen. Daraufhin entschieden wir uns für die im Vergleich zur Nadel-Elektroepilation nebenwirkungsärmere Therapie mit dem 694 nm Long Pulse Ruby Laser. Bereits nach wenigen Sitzungen konnte eine deutliche Reduktion der hochentzündlich-geröteten Knötchen und der massiven Pustelbildung erzielt werden.

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Abstract

Pseudofolliculitis is a common disease of highly chronic course and often frustrating in therapy. We report on a 25-year-old Turkish patient who suffered from a superinfected pseudofolliculitis with pili recurvati sive incarnati in the area of his beard. The patient suffered from itching and painfulness of the dermal disease and had undergone various local and systemic therapies. We decided to treat the patient with the 694 nm long pulse ruby laser. This therapy has proven to have fewer side effects compared to hair electrolysis. After a few sessions we could achieve a distinct reduction of the erythematous papules and the massive pustules.

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Einleitung

Das Krankheitsbild der Pseudofollikulitis nimmt einen hochchronischen Verlauf und stellt für die betroffenen Patienten eine oft erhebliche, nicht nur kosmetische Beeinträchtigung dar. Es ist definiert durch eingewachsene Haare mit entzündlicher Fremdkörperreaktion nach Art einer Follikulitis, wobei es sich primär nicht um eine follikuläre Pyodermie [1] handelt. Die Pseudofollikulitis ist eine relativ häufige Erkrankung, die an behaarte Hautareale mit derben und oft stark gekräuselten Haaren gebunden ist [2] [3] [4]. Sie betrifft meist dunkel pigmentierte und afrikanische, seltener auch hellhäutige Rassen. Rasur der Haare ist der am häufigsten beobachtete prädisponierende Faktor [2]. Die stark gekrümmten Haare, die nach Feuchtrasur zusätzlich noch scharfe Spitzen aufweisen, biegen sich im Akroinfundibulum bogenförmig um und graben sich transfollikulär in das obere Bindegewebe oder die Epidermis ein [1]. Man spricht auch von Pili incarnati bzw. Pili recurvati. Es ist sowohl eine extrafollikuläre Penetration der Haare, eine transfollikuläre Penetration der Haare wie auch ein direktes Einwachsen der Haare in die Follikelwand durch besonders kurz rasierte Haare, die sich unter das Hautniveau zurückgezogen haben, möglich [2]. Auf diese Weise entsteht eine Fremdkörperreaktion [2]. Kulturen von Pustelinhalt haben sich meist primär als steril erwiesen [5]. Die Erkrankung kann sich aber durch bakterielle Superinfektion, postinflammatorische Komedonenbildungen, gelegentlichen Juckreiz sowie postinflammatorische Hyper- oder Hypopigmentierungen verkomplizieren. Zudem kann es zu Keloidbildungen in den betroffenen Hautarealen kommen [6].

Nachfolgend berichten wir über einen Fall von therapieresistenter superinfizierter Pseudofollikulitis bei einem 25-jährigen türkischen Patienten.

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Kasuistik

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Anamnese

Bei dem 25-jährigen türkischen Patienten bestehen seit 7 Jahren Pustelbildungen im Bartbereich. Der Patient ist zum einen durch Juckreiz und Schmerzhaftigkeit der Hautveränderungen, zum anderen aber auch durch die kosmetische Störung stark beeinträchtigt. Sowohl nach Nass- als auch nach Trockenrasur wachsen die Barthaare immer wieder ein. Entzündungen haben zu vereinzelten Hyperpigmentierungen und Komedonenbildung geführt.

Der Patient hat eine Odyssee an Therapien bei verschiedensten Dermatologen durchlaufen. Als erfolglose Vorbehandlungen erfolgten in den letzten Jahren Therapien mit topischen Antibiotika wie Fusidinsäure, Erythromycin, Chloramphenicol und Clindamycin sowie verschiedensten Desinfizienzien (Alkohol) und systemische Therapieversuche mit Cotrimoxazol, Minocyclin und Doxycyclin. Das Wachsenlassen eines Bartes über mehrere Wochen war für den Patienten aus beruflichen Gründen unmöglich.

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Hautbefund

Zervikal, submandibulär und zum Teil an den seitlichen Wangenpartien zeigen sich follikulär gebundene, derbe, hochentzündlich gerötete Knötchen, die zum Teil neben der Follikelmündung gelegen sind. Es wird eine massive Pustelbildung beobachtet (Abb. [1]). Es zeigt sich das klassische Bild einer Pseudofollikulitis barbae bei Pili recurvati.

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Abb. 1 Pseudofollikulitis barbae bei Pili recurvati mit follikulär gebundenen, derben, hochentzündlich geröteten Knötchen zum Teil neben der Follikelmündung und massiver Pustelbildung zervikal bei einem 25-jährigen türkischen Mann.

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Mikrobiologischer Befund

In Abstrichen von einzelnen Pusteln fand sich Staphylococcus aureus.

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Mykologische Untersuchung

Nativ und kulturell negativ.

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Therapie und Verlauf

Aufgrund der jahrelangen Therapieresistenz trotz intensiver topischer und systemischer Therapie und der nachgewiesenen Superinfektion begannen wir mit der Laser-Epilation mittels Long Pulse Ruby Laser (694 nm; 2,5 ms; Medilas R - Firma Wave Light ). Vom medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) war jedoch trotz mehrfacher Schilderung der Problematik - unserer Ansicht nach fahrlässigerweise - auf die Durchführung einer Nadelepilation als einzig mögliche Kassenleistung bestanden worden.

Die Behandlungen erfolgten mit Dosen zwischen 4000 und 8000 Millijoule mit einem 40-mm2-Handstück, zum Teil nach vorherigem Auftragen einer prilocain-lidocainhaltigen Lokalanästhetikacreme. Wir führten dabei eine gezielte Therapie der rezidivierend entzündeten Bereiche durch, um eine Bartlosigkeit zu vermeiden. Bereits nach 2 Behandlungen hatte sich der Befund gebessert. Die Anzahl der follikulär gebundenen, derben, hochentzündlich geröteten Knötchen und die massive Pustelbildung in der Submandibulargegend und zervikal waren nach 5 Sitzungen innerhalb von 6 Wochen deutlich zurückgegangen. Auch 6 Monate nach Therapiebeginn, 4œ Monate nach der letzten Laserbehandlung war der Hautbefund anhaltend für den Patienten zufrieden stellend stabil unter sporadischer Anwendung einer 1 %igen erythromycinhaltigen Öl-in-Wasser-Emulsion (Abb. [2]). Zudem wurde nur eine diskrete Reduktion der Barthaarzahl insgesamt beobachtet.

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Abb. 2 Stabiler und zufriedenstellender Hautbefund mit vereinzelten Pusteln 4œ Monate nach Therapieende.

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Diskussion

Die konventionellen topischen Therapieversuche der Pseudofollikulitis erweisen sich oft als frustran. Zunächst wird in der Regel im Bartbereich die Umstellung von Feucht- auf Trockenrasur empfohlen, um zu verhindern, dass die Haare zu kurz abgeschnitten werden. Als beste Prophylaxe wird das je nach individueller Situation nur eingeschränkt mögliche Wachsenlassen eines Bartes angesehen, wobei die eingewachsenen Haare häufig nach 3 bis 4 Wochen automatisch freischnellen sollen [2]. Als topische Therapie kommen erythromycinhaltige Lösungen, Salizylsäure(10 %)-Spiritus und Vitamin-A-Säure-Schälbehandlung infrage. Weitere Versuche der Freilegung der rekurvierten Haare mittels einer Pinzette sind unternommen worden.

In dieser Arbeit stellen wir nun die Therapieoption der Laser-Epilation mittels 694 nm Long Pulse Rubylaser zur Epilation der Pili recurvati sive incarnati bei diesem als ausgesprochen therapieresistent geltenden Krankheitsbild vor.

Die Wirkungsweise des Rubinlasers wird durch eine selektive Photothermolyse erklärt [7].

Die Chromophoren Eumelanin und Phäomelanin, die sich im Haarschaft und in den Matrixzellen befinden, machen die Haarfarbe aus. Insbesondere durch Eumelanin, welches für eine braune bzw. schwarze Pigmentierung des Haares verantwortlich ist und dessen Absorptionsmaximum sich mit 700 bis 1000 nm weitgehend mit der Wellenlänge des Rubinlasers deckt, wird das Licht des Rubinlasers absorbiert, was zu einer plötzlichen Erhitzung, zu einem Untergang der Haarmatrixzellen, zu einer Zerstörung des Haarfollikels und damit zum Ausfall des Haares führt. Dabei kann das Haarwachstum nur unterbunden werden, wenn sich das einzelne gelaserte Haar in der Anagenphase befindet, so dass mehrere Sitzungen notwendig werden [7].

Als Mittel der Wahl wird im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) zur Epilation lediglich die Elektrokoagulation bzw. Nadelepilation bei krankhaftem und entstellendem Haarwuchs offiziell anerkannt. Ein langfristiger Vorteil der Laser-Epilation im Vergleich zur konventionellen Nadel-Elektroepilation stellt u. a. bei korrekter und sachkundiger Anwendung die fehlende Vernarbung dar. Es sind bereits Fälle von starken Keloidbildungen nach Elektro-Epilation beschrieben worden [8]. Als weitere Vorteile sind eine geringere Schmerzhaftigkeit und weniger Behandlungssitzungen zu nennen [9]. Die Laser-Epilation ist 60fach schneller und doppelt so effektiv wie die Nadel-Elektroepilation [9]. Als Nebenwirkungen der Laser-Epilation sahen wir lediglich transiente Erytheme im gelaserten Hautareal, die nach 24 h wieder verschwunden waren.

Bei der Nadel-Elektroepilation wird eine sehr feine Drahtelektrode (Nadel) in jeden einzelnen Haarfollikel eingeführt und die Haarwurzel danach durch Thermolyse mit einem hochfrequenten Wechselstrom oder durch galvanische Elektrolyse mit einem Gleichstrom zerstört [10].

Im oben geschilderten Fall sahen wir die Nadel-Elektroepilation allerdings im Gegensatz zum medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) als absolut kontraindiziert an, da man auf keinen Fall mit einer Nadel durch einen eitrig-entzündlichen Prozess im Bereich der Halsweichteile bis hin zur Tiefe des Haarfollikels hindurchstechen sollte. Auch wenn sich Kulturen von Pustelinhalt wie schon beschrieben als steril erwiesen haben, so ist doch immer auch wie in unserer Kasuistik von der Möglichkeit einer sekundären bakteriellen Besiedlung auszugehen. Es könnte also zur Keimverschleppung mit der Gefahr größerer Wund- und Weichteilinfektionen sowie zu Abszessbildungen bis hin zur Halsphlegmone kommen. Zudem ist das Narbenbildungsrisiko stark erhöht. Diskussionen über eine eventuelle antibiotische Prophylaxe während der Elektrolyse bzw. Elektroepilation von Haaren sind bekannt [11]. In der Literatur sind zudem Fälle von lokaler Verschleppung von Mollusca contagiosa und Verrucae planae durch Elektrolyse beschrieben worden [12] [13].

Diese Ausführungen machen deutlich, dass ein Weg zu neueren, weniger belastenden und nebenwirkungsärmeren Therapieoptionen in der Behandlung der superinfizierten Pseudofollikulitis einzuschlagen ist. Dies ist mit dem 694 nm Long Pulse Ruby Laser möglich.

Selbstverständlich würden sich auch andere bekannte und erprobte Lasersysteme wie der Long Pulse Alexandrite Laser, der Q-switched Nd:YAG Laser, der Dioden-Laser und hochenergetische Blitzlampen (Intense pulsed light source) anbieten [14]. Allerdings liegen uns über o. g. Systeme keine Erfahrungen vor.

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Literatur

  • 1 Braun-Falco O, Plewig G, Wolff H H. Dermatologie und Venerologie. 4. Auflage. Heidelberg; Springer 1996: 190
  • 2 Kauvar A N. Treatment of pseudofollikulitis with a pulsed infrared laser.  Arch Dermatol. 2000;  136 1343-1346
  • 3 Brown L A Jr. Pathogenesis and treatment of pseudofollikulitis barbae.  Cutis. 1983;  32 373-375
  • 4 Halder R M. Pseudofolliculitis barbae and related disorders.  Dermatol Clin. 1988;  6 407-412
  • 5 Greenbaum S S. Follikulitis barbae traumatica.  Arch Dermatol. 1935;  32 237-241
  • 6 Dunn J F Jr. Pseudofollikulitis barbae.  Am Fam Physician. 1988;  38 169-174
  • 7 Blume J H, Zabel M. Einsatz des Rubinlasers zur Epilation.  Haut. 2000;  6 217-221
  • 8 Vogt H J. Formation of keloids after electroepilation.  Hautarzt. 1973;  24 203-204
  • 9 Gorgu M, Aslan G, Akoz T, Erdogan B. Comparison of alexandrite laser and electrolysis for hair removal.  Dermatol Surg. 2000;  26 37-41
  • 10 Kimmig W. Epilation: aktueller Stand.  Dermaforum. 2000;  7 26
  • 11 Daneshmend T K. Need for antibiotic prophylaxis during hair electrolysis?.  Br Med J (Clin Res Ed). 1984;  289 1693
  • 12 Rich J D, Dickinson B P, Flaxman A B, Mylonakis E. Local spread of molluscum contagiosum by electrolysis.  Clin Infekt Dis. 1999;  28 1171
  • 13 Petrozzi J W. Verrucae planae spread by electrolysis.  Cutis. 1980;  26 85
  • 14 Dierickx C, Alora M B, Dover J S. A clinical overview of hair removal using lasers and light sources.  Dermatologic clinics. 1999;  17 357-366

Manuela Wahlen

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Marktstraße 31 · 41236 Mönchengladbach

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Literatur

  • 1 Braun-Falco O, Plewig G, Wolff H H. Dermatologie und Venerologie. 4. Auflage. Heidelberg; Springer 1996: 190
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  • 3 Brown L A Jr. Pathogenesis and treatment of pseudofollikulitis barbae.  Cutis. 1983;  32 373-375
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  • 14 Dierickx C, Alora M B, Dover J S. A clinical overview of hair removal using lasers and light sources.  Dermatologic clinics. 1999;  17 357-366

Manuela Wahlen

Praxis für Dermatologie, Allergologie, Phlebologie und Umweltmedizin · Vereinigung für ästhetische Dermatologie und Lasermedizin e. V. (VDL)

Marktstraße 31 · 41236 Mönchengladbach

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Abb. 1 Pseudofollikulitis barbae bei Pili recurvati mit follikulär gebundenen, derben, hochentzündlich geröteten Knötchen zum Teil neben der Follikelmündung und massiver Pustelbildung zervikal bei einem 25-jährigen türkischen Mann.

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Abb. 2 Stabiler und zufriedenstellender Hautbefund mit vereinzelten Pusteln 4œ Monate nach Therapieende.