Handchir Mikrochir Plast Chir 2002; 34(6): 397-398
DOI: 10.1055/s-2002-37474
Schlusswort

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Schlusswort zum Kommentar von H. Assmus zur Arbeit von P. Gruber und H. Towfigh: Lipome als seltene Ursachen für Nervenkompressionssyndrome an der Hand und am Unterarm. Bericht über drei Patienten

Handchir Mikrochir Plast Chir 2002; 34: 17 - 21Author's Remark to the Commentary of H. Assmus: Lipomas as a Rare Cause of Nerve Compression Syndrome in the Hand and ForearmHandchir Mikrochir Plast Chir 2002; 34: 17 - 21H. Towfigh 1 , P. Gruber 1
  • 1Abteilung für Unfall-, Hand- und Plastische Wiederherstellungschirurgie (Chefarzt: Prof. Dr. med. H. Towfigh), Malteser Krankenhaus, Hamm
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Publication History

Eingang des Manuskriptes: 7. Oktober 2002

Angenommen: 7. Oktober 2002

Publication Date:
25 February 2003 (online)

Die Diskussion, die hier von Herrn Assmus geführt wird, setzt sich nahtlos fort, wie sie in dem Kommentar zur Arbeit: „Die Wertigkeit der klinischen Diagnostik beim Karpaltunnelsyndrom“ (Handchir Mikrochir Plast Chir 1999; 31: 377) und wie sie in seinen „Kritischen Bemerkungen zur Behandlung neurologischer Krankheitsbilder in einer handchirurgischen Zeitschrift“ (Handchir Mikrochir Plast Chir 2000; 32: 353 - 354) zum Ausdruck gekommen ist. Von den Stellungnahmen zu seinen bisherigen Kommentaren (Handchir Mikrochir Plast Chir 2000; 32: 354 - 362) zeigt sich Herr Assmus wenig beeindruckt. Er stellt nach wie vor elektroneurographische Messwerte über klinische Angaben und Befunde von Patienten. Um es deutlich zu sagen, unsere Sicht der Dinge ist eine prinzipiell andere. Wir operieren die Symptome des Patienten und nicht deren elektroneurographische Messwerte.

Um nicht missverstanden zu werden, auch wir halten die in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie publizierten Inhalte für absolut richtig und notwendig (Handchir Mikrochir Plast Chir 2000; 32: 207 - 215). Es wird bei uns kein Patient an einem peripheren Nervenkompressionssyndrom operiert, bei dem nicht zuvor eine neurologische Untersuchung mit Messung der sensiblen Nervenleitgeschwindigkeit und motorischen distalen Latenz durchgeführt wurde.

Die exemplarische Vorstellung der genannten klinischen Fälle, bei denen periphere Nerven an der oberen Extremität beteiligt waren, erhebt in keiner Weise den Anspruch, neue wissenschaftliche Erkenntnisse kundzutun. Der Wert dieser Arbeiten besteht im Wesentlichen in der fotografischen Dokumentation der Krankheitsbilder und deren imposanter Befunde.

Wir stimmen mit Herrn Assmus insoweit überein, dass aus mehreren Gründen bei Operationen unter Mitbeteiligung peripherer Nerven nicht auf eine elektrophysiologische Diagnostik verzichtet werden kann, gerade auch wegen forensischer Folgen. Für die Objektivierung einer Nervenläsion sind elektrophysiologische Parameter sinnvoll, da sie eine objektive Einschätzung des Schweregrades und eine Verlaufsbeobachtung ermöglichen. Wesentlich erscheint uns auch die differenzialdiagnostische Abgrenzung radikulärer und polyneuritischer Krankheitsbilder.

Herr Assmus weist selbst auf die Schwierigkeit einer neurologischen Befunderhebung hin, die sowohl falsch positive als auch falsch negative Resultate durch mangelnde Untersuchungstechnik oder falsche Interpretation entstehen lassen.

Der Idealfall, dass der operativ tätige Chirurg selbst die Messungen vornimmt und so durch eine standardisierte Untersuchungsmethode die Befunde erheben und sie mit dem gefundenen klinischen und intraoperativen Befund korrelieren kann, ist in der Praxis leider nicht gegeben. In der Regel ist der Handchirurg auf die Befundmitteilung des neurologischen Fachkollegen angewiesen. Durch die Größe unseres Patienteneinzugsgebietes bedingt, führen sehr viele verschiedene Neurologen diese Messungen durch, die dann in manchen Fällen, so zeigt die Praxis, nicht vergleichbar, eher zum Teil widersprechend und gegensätzlich sind.

Auf unsere Arbeit bezogen, muss im Nachhinein festgestellt werden, dass wir von dem genannten Diagnoseschema (klinische, bildgebende und elektrophysiologische Untersuchung) nicht abgerückt sind. Nichtsdestoweniger hatte in den genannten drei Fällen die neurologische Befunderhebung keinen Einfluss auf die Operationsindikation. In allen drei Fällen war eine massive Raumforderung in unmittelbarer Umgebung der Nerven zu finden mit deutlicher klinischer Beschwerdesymptomatik. Im ersten Fall bestanden deutlich motorische Defizite im Bereich des N. radialis und, wie Herr Assmus richtig bemerkt, kann diese Läsion nur den R. profundus N. radialis betreffen, da von dem Patienten keine sensible Störung angegeben wurde.

Im zweiten klinischen Beispiel sind auch wir der Meinung, dass es sich aufgrund der geschilderten Beschwerdesymptomatik am ehesten um ein Krankheitsbild handelt, das mit dem Pronator-Syndrom vergleichbar ist. Der uns vorliegende neurologische Befundbericht gibt dazu leider keine aussagefähigen Erkenntnisse wieder. Das Lipom reichte nicht bis in den Karpalkanal, das Karpaldach wurde auch nicht gespalten.

Bei dem dritten Beispiel bestand die Weichteilschwellung in der Hohlhand schon seit mehreren Jahren. Die in den letzten Monaten zusätzlich aufgetretenen Sensibilitätsstörungen der ulnaren Finger der linken Hand veranlassten die Patientin, sich bei uns vorzustellen. Die elektrophysiologisch gemessenen Werte für den N. ulnaris lagen in dem oberen Normalbereich, ohne Hinweis auf das Vorliegen eines Sulcus ulnaris- oder Loge de Guyon-Syndroms. Nach Entfernung des Lipoms in der Hohlhand war die Patientin beschwerdefrei. Die geäußerten theoretischen Überlegungen von Herrn Assmus bezüglich der Raumforderungen außerhalb physiologischer Engpässe sind zwar ehrenwert, aber für die klinische Praxis von sekundärer Relevanz. Auf die Entscheidung zur Entfernung der Weichteiltumoren hatten die elektrophysiologischen Messwerte keinen Einfluss.

Den von Herrn Assmus geforderten operativen Konsequenzen kann unsererseits ebenfalls nicht uneingeschränkt zugestimmt werden. Bei den in unserem Krankengut meist traumatisch bedingten Kompartment-Syndromen an der oberen und unteren Extremität kann nur davor gewarnt werden, den betreffenden Nerv sorgfältig zu revidieren. Vielmehr ist die Kenntnis der verschiedenen Kompartimente entscheidend und deren komplette Spaltung. Wie Herr Assmus in seinem Kommentar zu den genannten Beiträgen zu der Auffassung gelangt, dass operative Eingriffe nur explorativen Charakter haben würden, ist uns gänzlich unverständlich und nicht nachvollziehbar.

Bei aller wohlmeinenden Kritik von Experten darf und sollte die klinische Realität dabei nicht aus den Augen verloren werden.

Prof. Dr. med. H. Towfigh

Abteilung für Unfall-, Hand- und Plastische Wiederherstellungschirurgie · Malteser Krankenhaus

Albert-Struck-Straße 1

59075 Hamm

Dr. med. P. Gruber

Abteilung für Unfall-, Hand- und Plastische Wiederherstellungschirurgie · Malteser Krankenhaus

Albert-Struck-Straße 1

59075 Hamm

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