Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(3): 103-104
DOI: 10.1055/s-2003-36655-2
Leserbriefe
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Erwiderung: Behandlungsgebot und Behandlungsbegrenzung:

- Einflussfaktoren klinischer Entscheidungsprozesse- Einfluss des Patientenwillens und Prioritäten in der palliativen Versorgung
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Publication Date:
29 April 2004 (online)

Kritisiert wird an unseren Ergebnissen [1] [2] zum einen das methodische Vorgehen mit dem Verteilen und Rücksenden der Fragebogen über den Klinikleiter/ärztlichen Direktor. Dieses Vorgehen erfolgte aus zwei Gründen: zum einen, weil die aktive Beteiligung der Leitung von Abteilungen und Kliniken Voraussetzung war und wir nicht „hinter dem Rücken“ der Leitung abhängige Ärzte aus unnötiger „Rücksichtnahme auf den Chef’“ zu unkritischer Antwort order Nichtteilnahme motivieren wollten, und zum anderen, weil dies die uns bekannte und von uns akzeptierte Form der Kommunikation in der Institution Krankenhaus ist. Wie beschrieben war jedem Fragebogen ein neutraler Rückumschlag beigelegt, ein Anschreiben wies auf die Anonymität und „Intimität“ des verschlossenen Umschlags hin. Alle zurückgesendeten Umschläge waren ungeöffnet.

Der zweite Kritikpunkt des Leserbriefes war die mögliche Diskrepanz zwischen Denken und Handeln. In der Diskussion der von uns ermittelten Ergebnisse haben wir deutlich gemacht, dass wir nicht die faktische Praxis abgefragt oder überprüft haben, wozu auch eine andere Methodik erforderlich gewesen wäre, sondern dass wir nach dem Einstellungsverhalten und der Kompetenz von Klinikern gefragt haben, sich zu klinisch-ethischen Konflikten und Alternativen kompetent zu äußern.

Auch wir waren überrascht, dass die Antworten ein so hohes Maß an ethischer Kompetenz und eine Fähigkeit zur Differenzierung enthielten, die wir nicht erwartet hatten. Diese erfreulichen Antworten decken sich nicht unbedingt mit einer oft eher paternalistischen Praxis, die wir aus dem klinischen Alltag zur Genüge kennen. Wir waren ebenfalls erstaunt, dass der Publikations- und Kostendruck in der Verbalisierung der Prioritäten einen so geringen Stellenwert einnahmen.

Die Konsequenz, die wir aus unserer Umfrage vorläufig ziehen müssen, ist die, dass in Korrelation mit dem Status und dem Umfang der klinischen Verantwortung ethische Fragestellungen gesehen und fast lehrbuchmäßig korrekt beantwortet werden. Wenn die Erfahrungen aus der Praxis auf manchen Stationen dem widersprechen, dann stellen sich für uns zwei Fragen:

Wie viel an Änderungen der tatsächlichen Praxis der Berücksichtigung des Patientenwillens wird durch die nunmehr mögliche und in unseren Augen auch dringend erforderliche Einführung und Stärkung des medizinethischen Unterrichts entsprechend der neuen Approbationsordnung beitragen? Inwieweit würde das auch uns bekannte und von uns geteilte Missbehagen über manche Entscheidungsprozesse auf Stationen dadurch geändert, dass das Rollenvorbild der „Chefs“ sich ändert?

Diese Fragen sind bisher ungeklärt.

Literatur

  • 1 Baberg H T, Kielstein R, de Zeeuw J, Sass, H-M. Behandlungsgebot und Behandlungsbegrenzung: Einflussfaktoren klinischer Entscheidungsprozesse.  Dtsch Med Wochenschr. 2002;  127 1633-1637
  • 2 Baberg H T, Kielstein R, de Zeeuw J, Sass H -M. Behandlungsgebot und Behandlungsbegrenzung: Einfluss des Patientenwillens und Prioritäten in der palliativen Versorgung.  Dtsch Med Wochenschr. 2002;  127 1690-1694

Autoren

H. T. Baberg
R. Kielstein
J. de Zeeuw
H.-M. Sass

Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannsheil, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum, Medizinische Klinik und Poliklinik

Bürkle-de-la-Camp-Platz 1

44789 Bochum

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