Z Gastroenterol 2003; 41(1): 24-26
DOI: 10.1055/s-2003-36663
Leitlinien der DGVS
© Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Pathologische Diagnostik

Pathologic DiagnosticsA. von Herbay1
  • 1Pathologisches Institut, Universitätsklinikum Heidelberg
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Publication Date:
16 January 2003 (online)

Konsens

Im Rahmen der Diagnostik bilden histologische Untersuchungen von Mukosabiopsien einen wichtigen Baustein. Dafür sind Biopsien aus makroskopisch auffälligen und unauffälligen Arealen zu entnehmen. Um die Möglichkeiten der histopathologischen Differenzialdiagnostik effizient nutzen zu können, sind erforderlich:

  1. Biopsien aus mindestens fünf verschiedenen anatomischen Segmenten des gesamten Kolons einschließlich des Rektums (B)

  2. Biopsien aus dem terminalen Ileum (C),

  3. Biopsien aus dem oberen Magen-Darm-Trakt (B).

Erläuterung

Die Diagnose eines Morbus Crohn (MC) orientiert sich am Phänotyp der Erkrankung. Dabei ist aber kein morphologischer Einzelbefund - weder makroskopisch, noch mikroskopisch - ausreichend, um die Diagnose zu etablieren [111]. Erst anhand einer charakteristischen Konstellation von Befunden ist dies möglich. Manche der charakteristischen Veränderungen beim MC sind tiefer in der Darmwand ausgebildet, als mittels Mukosabiopsien erfassbar [12] [13]. Es ist aber möglich, anhand von Mukosabiopsien die Diagnose eines MC zu stellen [10] [11] [14] [15]. Wenn stufenweise entnommene Biopsien aus allen anatomischen Segmenten des Dickdarms (Zäkum, Aszendens, Transversum, Deszendens, Sigma, Rektum) untersucht werden, ist die histopathologische Diagnosestellung eines MC mit einer Sensitivität und Spezifität bis zu 86 % möglich [11].

Leitbefunde für die bioptische Diagnostik sind dabei:

  • diskontinuierliche Störung der Kryptenarchitektur, in Kombination mit

  • diskontinuierlicher Infiltration der Mukosa durch Lymphozyten und Plasmazellen [11].

Um die Verteilung von entzündlichen Läsionen („kontinuierlich” vs. „diskontinuierlich”) beurteilen zu können, sind Segmentbiopsien erforderlich [11]. Diese Biopsien sollten entsprechend auch segmentbezogen befundet werden. Eine zusätzliche Durchführung von immunhistologischen Untersuchungen ist hierfür nicht erforderlich (Konsens).

Um eine isolierte MC-Ileitis zu erfassen, sind Biopsien aus dem Ileum erforderlich. Für die Beurteilung der Ileumbiopsien gelten ähnliche Kriterien wie im Kolon (Konsens).

Eine Beteiligung des oberen Magen-Darm-Traktes ist histopathologisch, ebenso wie im Ileum und Kolon, durch eine diskontinuierliche bzw. fokal-aktive Entzündung im Magen oder Duodenum charakterisiert. Diese wird bei bis zu 70 % der gezielt untersuchten MC-Patienten beobachtet, sie kommt oftmals in endoskopisch/makroskopisch unauffälliger Mukosa vor [1619].

Anders als in den 1970er- und 1980er-Jahren sind heute viele Formen einer Kolitis bekannt, deren Ätiologie definierbar ist. Manche Kolitiden mit einer definierten Ätiologie (z. B. medikamentös induzierte Kolitis, Yersiniose) sind phänotypisch ähnlich wie eine MC-Kolitis und sind erst epikritisch abzugrenzen. Als Konsequenz des heute bekannten Pluralismus von Kolitiden sind die differenzialdiagnostischen Kriterien aus den 1970er- und 1980er-Jahren, welche sich noch an einem Dualismus von Colitis ulcerosa und Morbus Crohn orientierten, konzeptionell überholt (z. B. Mount-Sinai-Kriterien, St.-Marks-Kriterien; [2022]), auch wenn Einzelaspekte noch heute gültig sind. Die Johns-Hopkins-Kriterien sind zwar aktuell, entbehren jedoch ebenfalls einer Evidenzbasis [12].

Bei der differenzialdiagnostischen Beurteilung von Biopsien ist eine Berücksichtigung der Krankheitsdauer erforderlich, um Fehlbewertungen zu vermeiden. Bei kurzer Krankheitsdauer sind vor allem eine infektiöse Kolitis, ferner eine NSAID-induzierte Enterokolitis und ischämische Läsionen differenzialdiagnostisch abzugrenzen [11] [14] [15] [23]. Bei länger bestehender Erkrankung ist zu berücksichtigen, dass der morphologische Aspekt eines MC nicht stationär bleibt, sondern sich dynamisch wandeln kann. Dies macht im Einzelfall eine Zusammenschau von Anamnese, Verlauf und den morphologischen Befunden erforderlich (Konsens).

Konsens

Der histologische Nachweis von epitheloidzelligen Granulomen in Mukosabiopsien ist für die Diagnosestellung MC nicht notwendig (B).

Erläuterung

Das historisch begründete Verständnis des Morbus Crohn (MC) als eine granulomatöse Erkrankung hat mancherseits zur Vorstellung geführt, dass fast immer im erkrankten (Magen-)Darm-Abschnitt Granulome aufzufinden sein müssten. Sowohl frühere als auch jüngere Untersuchungen haben jedoch übereinstimmend aufgezeigt, dass mikroskopische Granulome nur bei einem Teil der MC-Patienten vorhanden sind (bis zu 66 % in Operationspräparaten) [14] [21]. Ein Fehlen von epitheloidzelligen Granulomen in Mukosabiopsien hat daher im Einzelfall keine eigenständige diagnostische Aussagekraft. Unterschiede bestehen allerdings hinsichtlich der Prävalenz von Granulomen bei MC-Patienten im Kindes- und Erwachsenenalter. Bei Kindern sind mikroskopische Granulome deutlich häufiger [24].

Beim Vorliegen von epitheloidzelligen Granulomen müssen differenzialdiagnostisch vor allem eine Yersiniose und Tuberkulose abgegrenzt werden [25].

Konsens

Die histopathologische Diagnostik schließt mikroskopische Untersuchungen zum Nachweis bzw. Ausschluss von Epitheldysplasien (intraepitheliale Neoplasien) mit ein (C).

Die Befundung erfolgt gemäß den Kriterien der WHO, basierend auf den Kriterien der IBD Dysplasia Study Group. Die Diagnose einer Epitheldysplasie (intraepitheliale Neoplasie) soll durch eine auswärtige Referenzbegutachtung bestätigt werden (C).

Erläuterung

Das erhöhte kolorektale Krebsrisiko von Patienten mit idiopathischer Kolitis ulzerosa (CU) ist inzwischen gesichert (vgl. DGVS-Leitlinie 2001). Die Abschätzung des Krebsrisikos für die MC-Patienten ist weniger gut dokumentiert. Eine Metaanalyse von mehreren retrospektiven Studien ergab ein 4,4faches relatives Risiko für ein kolorektales Karzinom bei den Subgruppen von MC-Patienten mit MC-Colitis oder MC-Ileokolitis [26].

Die erfassbare Vorläuferläsion von Kolitis-assoziierten Karzinomen sind Epitheldysplasien (glanduläre intraepitheliale Neoplasien) [27] [28]. In der Praxis werden sie allerdings oftmals als Mitläufer oder Ausläufer eines bereits manifesten Karzinoms diagnostiziert. Ein bioptischer Nachweis von Epitheldysplasien hat insofern mehr die praktische Bedeutung einer Indikatorläsion für das Krebsrisiko eines individuellen Patienten. MC-assoziierte Epitheldysplasien (intraepitheliale Neoplasien) kommen grundsätzlich in allen Abschnitten des Kolons und Rektums vor [28]. Daher sind immer Stufenbiopsien aus allen Abschnitten des Kolons und Rektums erforderlich, ohne dass eine sichere Ausschlussdiagnostik möglich ist.

Für die Befundung von Biopsien haben sich die (bereits im Jahre 1983 formulierten) Kriterien der IBD Dysplasia Study Group als gut praktikabel erwiesen (Konsens). Auf ihnen basiert auch die aktuelle WHO-Klassifikation [28]. Eine zweistufige Graduierung (low-grade vs. high-grade dysplasia) wird zwar empfohlen, ihre praktische Wertigkeit gilt heute aber als zweifelhaft (Konsens).

Da auch niegriggradige Dysplasien (intraepitheliale Neoplasien) operative Konsequenzen haben (siehe: „Chirurgie”), besteht Konsens, dass die histopathologische Diagnose aller Epitheldysplasien (low-grade und high-grade) durch Zweitbegutachtung bei einem einschlägig erfahrenen Referenzpathologen abgesichert werden soll.

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