Z Gastroenterol 2003; 41(1): 50-51
DOI: 10.1055/s-2003-36668
Leitlinien der DGVS
© Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Psychosomatik

PsychosomaticsG. Moser1
  • 1Universitätsklinik für Innere Medizin IV, Wien
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Publication Date:
16 January 2003 (online)

Konsens

Psychosoziale Faktoren und die Lebensqualität der Betroffenen sind in der Betreuung zu berücksichtigen (B).

Erläuterung

Der Einfluss psychosozialer Faktoren auf die Entstehung des Morbus Crohn scheint zwar gering zu sein [1], allerdings ist ein Einfluss psychosozialer Faktoren auf die Symptommanifestation und den Verlauf des Morbus Crohn nachgewiesen [2]. Die Mehrheit der Expert(inn)en berücksichtigt psychosoziale Faktoren bei der Diagnostik und Therapie.

Konsens

Das erhöhte Risiko für psychische Störungen bei früher Erstmanifestation muss bei der Behandlungsplanung besonders beachtet werden (B).

Erläuterung

Bei früher Erstmanifestation in der Kindheit ist das Risiko für die Entwicklung einer späteren psychischen Störung erhöht [3]. Es gibt keine spezifischen Persönlichkeitsmerkmale bei Patient(inn)en mit Morbus Crohn, auffällige Persönlichkeitsmerkmale werden als sekundäre, krankheitsbedingte Veränderungen oder als komorbide psychische Störungen interpretiert. Diese finden sich bei Patient(inn)en mit Morbus Crohn häufiger als bei Patient(inn)en mit Colitis ulcerosa [4] [5].

Konsens

Die modulierende Rolle von subjektiv empfundenen chronischen Stressbelastungen und sozialer Unterstützung soll in die diagnostischen und therapeutischen Überlegungen Eingang finden (B).

Erläuterung

Stressbelastungen können zu einer Krankheitsaktivierung führen [6]. Allerdings scheinen weniger einzelne (objektivierbare) belastende Lebensereignisse (life events), sondern mehr subjektiv empfundene chronische Stressbelastungen die Krankheit zu aktivieren [7] [8]. Die Mehrheit der Patient(inn)en empfindet psychischen Stress als krankheitsmodulierend [9].

Konsens

Bewältigungsstrategien haben einen Einfluss auf den Krankheitsverlauf, deshalb sollte bei maladaptivem Coping eine entsprechende psychosoziale und psychotherapeutische Unterstützung (siehe unten) angeboten werden (B).

Erläuterung

Ein Einfluss von psychischen Störungen und maladaptiven Bewältigungsstrategien auf die Lebensqualität und auf den Verlauf des M. Crohn ist bewiesen [1012]. Ebenso wichtig scheint eine soziale Unterstützung zu sein [13].

Konsens

Auf eine patientengerechte Information über die Krankheit ist zu achten (B).

Zur Unterstützung der Krankheitsbewältigung können auch Schulungsprogramme empfohlen werden (C).

Erläuterung

Das Gefühl der Betroffenen, gut über die Erkrankung aufgeklärt zu sein, hat Einfluss auf das subjektive Befinden und die krankheitsbezogene Lebensqualität [14] [15]. Der objektive Informationsstand der Patien(inn)en (tatsächliches Wissen über die Erkrankung) scheint aber keinen Einfluss auf die Lebensqualität zu haben [16]. Die Wertigkeit von Schulungsprogrammen muss aufgrund der Daten offen bleiben [17]. Expert(inn)en der Konsensuskonferenz meinen, dass diese einen mäßigen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung haben. Größer wird dieser Einfluss auf die psychische Situation der Betroffenen eingeschätzt.

Konsens

Psychotherapie kann einen Benefit für die Krankheitsbewältigung, die Lebensqualität und das psychische Befinden der Betroffenen bringen und ist bei folgenden Indikationen zu empfehlen (B):

  • ungünstige Krankheitsverarbeitung,

  • Partnerschaftliche oder familiäre Konflikte,

  • soziale Belastungssituationen (Arbeitsplatz oder Schule),

  • sozialer Rückzug,

  • psychische Komorbidität wie depressive Störungen, Angst oder Persönlichkeitsstörungen.

Erläuterung

Ein genereller Einfluss von Psychotherapie auf den Krankheitsverlauf ist in den wenigen bisherigen Studien nicht belegt [1821]. Ein Benefit für die Krankheitsbewältigung, die Lebensqualität und das psychische Befinden der Betroffenen konnte in diesen Studien zum Teil nachgewiesen werden. Bisher wurden noch keine prospektiv randomisiert-kontrollierten Studien zum Erfolg von Psychotherapie bei Subgruppen von Patienten mit komorbiden psychischen Störungen wie z. B. Depression oder maladaptiver Krankheitsverarbeitung durchgeführt. Es ist zu vermuten, dass in diesen Fällen Psychotherapie auch einen positiven Effekt auf den Verlauf der M.-Crohn-Erkrankung hat.

Konsens

Die Art der psychotherapeutischen Behandlung soll je nach der vorhandenen Störung bzw. der individuellen Situation nach Einholung einer Fachmeinung gewählt werden (C).

Erläuterung

Es können verschiedenste psychotherapeutische Methoden je nach Indikation und Verfügbarkeit empfohlen werden.

Konsens

Die betreuenden Ärzte/Ärztinnen sollten sich in der Lage fühlen, in einem Gespräch selbst die Indikation zur Psychotherapie zu stellen und über eine entsprechende psychosomatische Basiskompetenz verfügen. In Schwerpunktzentren für die Betreuung von CED soll die Möglichkeit einer integrierten medizinisch-psychosomatischen Diagnostik und Betreuung der Patient(inn)en bestehen. In Schwerpunktpraxen ist eine entsprechende Kooperation zu fordern. Darüber hinaus sollte auf Möglichkeiten der Unterstützung durch Selbsthilfegruppen hingewiesen werden (C).

Erläuterung

Die Mehrheit der Expert(inn)en der Konsensuskonferenz fühlt sich in der Lage, die Indikation für eine psychotherapeutische Intervention zu stellen. Psychosoziale Belastungen der Patient(inn)en sind auch ein Prädiktor für die Häufigkeit von Arztbesuchen bei den Gastroenterologen [22]. Eine integrierte Form der psychosomatisch-psychotherapeutischen Betreuung ist daher erforderlich [23].

Literatur

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