Ultraschall Med 2003; 24(1): 17-20
DOI: 10.1055/s-2003-37417
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Haftung für übersehene Fehlbildung

Drei neue Entscheidungen zu den Folgen fehlerhafter pränataler US-DiagnostikLiability for Overlooked MalformationsThree Recent Rulings Concerning False Ultrasound DiagnosisH.  Franzki1
  • 1Präsident des OLG Celle a. D.
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eingereicht: 4. Oktober 2002

angenommen: 22. November 2002

Publication Date:
24 February 2003 (online)

Zusammenfassung

Schwer lastet auf jedem Pränatalmediziner das Risiko, für eine schuldhaft nicht erkannte Schädigung des Kindes, die nach § 218 a Abs. 2 StGB eine Abtreibung gerechtfertigt hätte, zu haften und den Eltern des behindert geborenen Kindes den gesamten Unterhalts- und Pflegeaufwand ersetzen zu müssen. Drei höchstrichterliche Urteile aus jüngerer Zeit, in denen es um die Haftung für übersehene Fehlbildungen (Amelien) ging, haben dies erneut deutlich gemacht, aber auch gezeigt, wie sorgfältig die Gerichte prüfen, ob die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruch gegeben gewesen wären. In zwei Fällen wurde das verneint, wobei es sich in einem Fall um eine eineiige Zwillingsschwangerschaft handelte. Da hier der Abort nahezu zwangsläufig auch den gesunden Fetus erfasst hätte, stellte der Bundesgerichtshof an den Grad der Behinderung des geschädigten Fetus und die Belastbarkeit der Mutter besonders hohe Anforderungen, die hier verneint wurden. Anders beurteilte er den dritten Fall, bei dem alle vier Gliedmaßen in schwerster Weise von Fehlbildungen betroffen waren und von einer psychisch labilen Konstitution der Mutter mit Suizidgefahr ausgegangen werden musste. Hier wurde die Haftung der Frauenärztin für ihre schuldhafte fehlerhafte US-Diagnostik (SSW 20/5) bejaht, wobei das Urteil bemerkenswerte Ausführungen zur Verteilung der Beweislast und zur Zulässigkeit einer Spätabtreibung enthält. Obwohl dieses Urteil ganz auf der bisherigen Linie der Rechtsprechung lag, hat es ein überraschend kritisches Echo ausgelöst. Die Kritik sollte sich jedoch nicht an die Gerichte, sondern an den Gesetzgeber wenden, der mit der Ausgestaltung des rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruchs aus medizinisch (-sozialer) Indikation die Verantwortung für diese Folgen trägt.

Abstract

It is a grave risk for any physician working in prenatal medicine to be liable for an undiagnosed foetal malformation which would have justified an abortion according to § 218 a Abs. 2 StGB, making him responsible for compensation for the complete cost of upkeep and nursing of a handicapped child. Three recent high court rulings concerning the liability for overlooked malformations (amelia) have again emphasised this problem and have also demonstrated how carefully the courts determine whether a legal abortion would have been justified. In two cases this was denied, one of these cases representing a monozygotic twin pregnancy. Since an abortion would have almost certainly terminated the life of the healthy fetus, the „Bundesgerichtshof“ specified stringent requirements as to the degree of handicap of the malformed fetus and the degree of additional stress for the mother, both of which were denied. A third case was judged differently because all four limbs were severely malformed and the mother was seen to be in a very unstable psychological state with the possible danger of suicide. Therefore the gynaecologist was judged to be liable for an incorrect ultrasound diagnosis (20/5 gestional week). This court ruling contains remarkable comments regarding the burden of proof and the permission for a late abortion. Although this ruling is in line with recent jurisdiction, it has yielded a surprisingly critical response. this criticism should be levelled not towards the courts, but to the legislative body responsible for the consequences of legalising abortion on (socio-) medical grounds.

Literatur

Dr. Harald Franzki

Präsident des OLG a. D.

Leberstraße 47 · 29223 Celle

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