Notfall Medizin 2003; 29(3): 86-87
DOI: 10.1055/s-2003-38524
Praxis

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Plötzliche Hörminderung - Differenzierung zwischen Innenohrschädigung und Schallleitungsschwerhörigkeit

J. Müller1 , L.-U. Scholtz1
  • 1Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen- und Ohrenkranke der Universität Würzburg (Direktor: Prof. Dr. med. J. Helms)
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Anschrift für die Verfasser

PD Dr. med. Joachim Müller

Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen- und Ohrenkranke der Universität Würzburg

Josef-Schneider-Straße 11

97080 Würzburg

URL: http://www.hno.uni-wuerzburg.de

Publication History

Publication Date:
11 April 2003 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Einer Schwerhörigkeit können sehr verschiedene Krankheiten zugrunde liegen. Als Notfall beschäftigen sie den Arzt in der Regel nur, wenn die Schwerhörigkeit plötzlich auftritt. Der Patient ist dann sehr unruhig und sucht den Arzt unter Umständen noch mitten in der Nacht auf. Meist ist nur ein Ohr betroffen.

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Summary

Deafness may be caused by diseases of quite different aetiologies. As a rule, it confronts the physician in the form of an emergency only when it is of precipitous onset. In such a case, the patient is very anxious and may call in the physician in the middle of the night. In most cases, only one ear is affected.

Zahlreiche Erkrankungen gehen mit einer sich langsam entwickelnden Innenohrschwerhörigkeit einher. Da diese aber oft schubweise auftreten, kann es auch bei diesen Patienten zu einer akuten Innenohrverschlechterung kommen. Differentialdiagnostisch müssen als Ursache einer plötzlichen Hörminderung unter anderem folgende Krankheitsbilder in Betracht gezogen werden:

  • der Ohrschmalzpfropf (Cerumen),

  • ein akuter Tubenmittelohr-katarrh,

  • Erkrankungen des Innenohres, wie z. B. „Hörsturz”,

  • Morbus Menière,

  • Akustikusneurinom

  • Schalltrauma oder

  • psychogene Schwerhörigkeit.

Die mikroskopische Untersuchung des Ohres liefert typische Befunde bei Cerumen obturans und Tubenmittelohrkatarrh. Hingegen ergibt sich beim Hörsturz und beim Morbus Menière sowie beim akuten Schalltrauma ein völlig normaler otoskopischer Befund. Die Stimmgabelprüfung nach Weber und Rinne hilft bei der Differenzierung zwischen Innenohrschädigung und Schallleitungsschwerhörigkeit. Beim Stimmgabelversuch nach Weber wird eine angeschlagene Stimmgabel auf die Stirnmitte aufgesetzt. Der Ton wird normalerweise in der Mitte lokalisiert. Beim erkrankten Innenohr wird der Ton auf der gesunden Seite lauter gehört, bei einer Schallleitungsschwerhörigkeit wird er auf dem betroffenen, erkrankten Ohr lauter wahrgenommen.

Beim Stimmgabelversuch nach Rinne wird die angeschlagene Stimmgabel hinter dem Ohr auf dem Warzenfortsatz aufgesetzt. Wird der Ton der angeschlagenen Stimmgabel hinter dem Ohr lauter und länger gehört als vor dem Ohr, so spricht dies für eine Schallleitungsschwerhörigkeit auf dem betroffenen Ohr.

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Cerumen

Cerumen im Gehörgang bleibt lange unbemerkt, solange noch ein kleiner Luftspalt offen ist. Wird auch dieser verschlossen, entsteht eine beträchtliche Schallleitungsschwerhörigkeit. Häufig geschieht dies durch Eindringen von Wasser, so dass die Schwerhörigkeit plötzlich auftritt.

Die Otoskopie bringt die schwarzbraunen Massen des Cerumens zur Darstellung. Es kann durch Spülung mit körperwarmem Wasser entfernt oder aber manuell unter optischer Kontrolle mit geeigneten Instrumenten von Geübten extrahiert werden. Ist nicht klar, ob eine Trommelfellperforation vorliegt, sollte die Ohrspülung unterbleiben und die instrumentelle Entfernung durch den Facharzt erfolgen.

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Akuter Tubenmittelohrkatarrh

In Begleitung zu einem Infekt der oberen Luftwege entwickelt sich ein Tubenmittelohrkatarrh meist innerhalb weniger Stunden. Er äußert sich durch Druck im Ohr, Ohrensausen, Schwerhörigkeit und gelegentlich Schwindel. Mit der mikroskopischen Ohruntersuchung und der Stimmgabelprüfung ergibt sich die Diagnose.

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„Hörsturz”

Aus völligem Wohlbefinden heraus schwindet plötzlich innerhalb kurzer Zeit das Hörvermögen auf einem Ohr [Abb. 1]. Ohrensausen und Schwindelgefühle können den Hörverlust begleiten. Die ohrmikroskopische Untersuchung erbringt einen Normalbefund. Die Stimmgabelprüfung nach Weber wird in das gesunde Ohr lateralisiert, die Stimmgabelprüfung nach Rinne wird auf beiden Seiten positiv angegeben. Bei einseitiger Taubheit kann sie auf das gesunde Ohr überhört werden.

Therapeutisch sollte so früh wie möglich mit vasoaktiven Infusionen begonnen werden. Diese werden in der Regel im Rahmen eines stationären Aufenthaltes über zehn Tage nach dem sogenannten Stennert-Schema (Pentoxifyllin in aufsteigender Dosierung, Kortison in absteigender Dosierung) verabreicht. Da eine plötzliche Hörminderung Erstsymptom eines Akustikusneurinoms sein kann, muss eine diesbezügliche weitere Abklärung mit Hörprüfungen, Ableitung der akustisch evozierten Hirnstammpotentiale und gegebenenfalls Kernspintomographie erfolgen.

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Morbus Menière

Der akute Menièreanfall ist durch das charakteristische Auftreten von Drehschwindel, einseitiger Hörstörung mit Tinnitus, Übelkeit und Erbrechen gekennzeichnet. Die Untersuchung mit der Frenzelbrille zeigt einen Nystagmus. Im Vordergrund stehen Schwindel und Übelkeit. Differentialdiagnostisch abzugrenzen sind unter anderem: Die Neuropathie des N. vestibularis und neurologische Krankheitsbilder wie z.B. eine Hirnstammischämie.

Therapeutisch wird im akuten Anfall Vomex A® Supp. nach Bedarf appliziert, Glukokortikoide in absteigender Dosierung und Pentoxifyllin in aufsteigender Dosierung wie beim „Hörsturz”.

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Abb. 1

0 Für eine differenzierte Untersuchung des Ohres reicht das Otoskop zur Beurteilung des Gehörganges und des Trommelfells oft nicht aus, hier muss ein Mikroskop zu Hilfe genommen werden.

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Anschrift für die Verfasser

PD Dr. med. Joachim Müller

Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen- und Ohrenkranke der Universität Würzburg

Josef-Schneider-Straße 11

97080 Würzburg

URL: http://www.hno.uni-wuerzburg.de

0 Für eine differenzierte Untersuchung des Ohres reicht das Otoskop zur Beurteilung des Gehörganges und des Trommelfells oft nicht aus, hier muss ein Mikroskop zu Hilfe genommen werden.

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Anschrift für die Verfasser

PD Dr. med. Joachim Müller

Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen- und Ohrenkranke der Universität Würzburg

Josef-Schneider-Straße 11

97080 Würzburg

URL: http://www.hno.uni-wuerzburg.de

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Abb. 1