Wesentliches Ziel der Notfallversorgung muss es sein, in möglichst kurzer Zeit effektive
medizinische Hilfe zu leisten. In Deutschland existiert die Maßgabe, dass innerhalb
von 15 Minuten nach der Alarmierung der Rettungsleitstelle ein Rettungswagen, beziehungsweise
ein Notarzt am Ort des Geschehens eintreffen sollte. In akut lebensbedrohlichen Situationen
kann dies jedoch bereits eine entscheidende Zeitverzögerung bedeuten. Denn leider
ist nicht jeder in der Lage, suffizient Erste Hilfe zu leisten und die Zeit bis zum
Eintreffen des Rettungsdienstes zu überbrücken. Um bei der Bevölkerung möglichst frühzeitig
die Hürden zu überwinden, bei einem Unfall oder sonstigen gesundheitlichen Notfällen
aktiv zu werden, erscheint es sinnvoll, bereits Kinder mit dem richtigen Verhalten
in einer Notsituation vertraut zu machen.
Im Notfall das Richtige tun
Im Notfall das Richtige tun
Zunächst einmal spielt es keine Rolle, wie alt die Kinder sind und welche Schule sie
besuchen, um ihnen die Grundlagen der Notfallversorgung zu vermitteln. Bereits im
Kindergarten können Kinder lernen, wie kleine Verletzungen behandelt werden können
oder wie man schnellstmöglich Hilfe herbeiruft. Diesen Grundgedanken greifen Schulsanitätsdienste
auf, die nun mehr und mehr in Schulen aller Art ins Leben gerufen werden. Dabei lernen
Kinder und Jugendliche, ihre eigenen Hemmungen zu überwinden und im Notfall das Richtige
zu tun.
Strukturelle Voraussetzungen
Strukturelle Voraussetzungen
Grundsätzlich hat jede Schule einen ebenerdigen Sanitätsraum bereitzuhalten, um während
des Schulbetriebs auftretende gesundheitliche Probleme auffangen zu können. Als Minimalausstattung
muss dieser Sanitätsraum über folgende Einrichtungsgegenstände verfügen:
Diese Utensilien erlauben jedoch lediglich, einfachste Verletzungen oder Erkrankungen
zu behandeln. Soll der Schulsanitätsdienst wirklich zu einer wesentlichen Verbesserung
der Notfallversorgung beitragen, reicht die oben genannte Einrichtung bei weitem nicht
aus. So empfehlen die Rettungsdienstorganisationen eine wesentlich umfangreichere
Ausstattung [Tab. 1], mit der die Schulsanitäter effektiv Hilfe leisten können.
Was ist ein Schulsanitätsdienst?
Was ist ein Schulsanitätsdienst?
Ein Schulsanitätsdienst hat das Ziel, im Notfall rasch und kompetent medizinische
Hilfe zu gewährleisten. Um an einer Schule einen Schulsanitätsdienst einrichten zu
können, muss zunächst ein Lehrer gefunden werden, der sich bereit erklärt, die Organisation,
Betreuung und vor allem Verantwortung für das Projekt zu übernehmen. Die Schüler,
die am Schulsanitätsdienst teilnehmen, sollten als Grundlage - je nach Alter des Schülers
- mindestens einen Junior-Helfer-Kurs bzw. Erste-Hilfe -Kurs absolviert haben, damit
sie über Basiswissen der Notfallversorgung verfügen. Darüber hinaus macht es Sinn,
wenn ältere Kinder und Jugendliche an einer erweiterten Ersthelfer-Ausbildung teilnehmen.
Wichtige Voraussetzung für den reibungslosen Einsatz im Ernstfall sind regelmäßige
Übungen in der Schule, bei denen Verbände, stabile Seitenlage oder auch Mund-zu-Mund-Beatmung
und Herzdruckmassage trainiert werden. Zudem sollten die Mitglieder eines Schulsanitätsdienstes
regelmäßig an Auffrischungskursen teilnehmen. Solche Seminare bieten die örtlichen
Abteilungen der Rettungsdienstorganisationen an, die nicht selten auch einen Mitarbeiter
als externen Berater oder Betreuer für den Schulsanitätsdienst zur Verfügung stellen.
Synergieeffekte nutzen
Synergieeffekte nutzen
Eine Kooperation mit diesen Verbänden kann außerdem zu Synergieeffekten führen, da
möglicherweise interessierte Jugendliche für eine aktive Mitarbeit in den Jugendabteilungen
der Organisationen gewonnen werden können. Auf der anderen Seite kann ein Schulsanitätsdienst
auch davon profitieren, wenn sich Schüler darin engagieren, die durch ihre Mitgliedschaft
in Rettungsdienstorganisationen bereits über Erfahrungen in der Notfallversorgung
verfügen.
Verletzungsspektrum in der Schule
Verletzungsspektrum in der Schule
Häufige Erkrankungen in Schulen und Kindergärten sind in aller Regel kleine Verletzungen
wie Platz- und Schürfwunden sowie Verstauchungen. Unfallschwerpunkte sind in diesen
Fällen vor allem Werk- und Sportunterricht. Hinzu kommen internistische Krankheitsbilder
wie Gastroenteritis, ein entgleister Diabetes mellitus Typ I oder ein akuter Asthmaanfall.
Aber auch andere Probleme wie Ohrenschmerzen, Augenverletzungen oder Dysmenorrhoe
fallen in das Spektrum der Erkrankungen, die in einer Schule auftreten können.
Sicherlich sind nicht alle Verletzungen oder Erkrankungen, die sich in einer Schule
oder Kindergarten ereignen, so schwer wiegend, dass der Rettungsdienst oder Notarzt
verständigt werden muss. Aber auch bei schweren Unfällen lernen die Kinder und Jugendlichen,
wie man in solchen Situationen adäquat reagiert.
Verschiedene Alarmierungsmöglichkeiten
Verschiedene Alarmierungsmöglichkeiten
Tritt ein gesundheitlicher Notfall in der Schule auf, müssen die Schulsanitäter umgehend
alarmiert werden. Dies kann über verschiedene Alarmierungssysteme erfolgen, die folgende
Eigenschaften erfüllen müssen und je nach örtlichen Gegebenheiten Vor- und Nachteile
mit sich bringen:
-
Einfaches und schnelles System: Die Sanitäter müssen ohne großen Aufwand rasch erreichbar
sein;
-
Kostengünstiges System: Das System sollte in Anschaffung und Unterhaltung den Anforderungen
der jeweiligen Schule entsprechen;
-
Sicherheit: Das System muss garantieren, dass die Schulsanitäter auch tatsächlich
erreicht werden.
Eine Möglichkeit besteht darin, dass die Schulsanitäter durch so genannte Melder benachrichtigt
werden. Bei dieser Variante ist es Voraussetzung, dass in allen Klassenzimmern und
Fachräumen der Dienstplan des Schulsanitätsdienstes aushängt. Daraus ist ersichtlich,
welche Schüler Bereitschaftsdienst haben und wo sie in welcher Schulstunde und welcher
Pause zu finden sind. Werden in einer Klasse Sanitäter benötigt, laufen Mitschüler
(„Melder”) des verletzten Kindes los und holen die Sanitäter aus den entsprechenden
Räumen. Probleme können sich bei kurzfristigem Wechsel der Klassenräume und Erkrankung
eines Schulsanitäters ergeben.
Weitere Alternativen bieten unterschiedliche technische Einrichtungen wie Funkrufsysteme
(„Pieper”, z.B. Scall), schnurlose Telefonanlagen oder Funkgeräte. Welche dieser Möglichkeiten
zum Einsatz kommt, hängt von diversen Faktoren wie beispielsweise Größe der Schule,
Kosten der Anlage oder Erreichbarkeit der Empfänger ab. Eine kostengünstige Variante
stellt eine fest installierte Durchsageanlage dar, die jedoch den Nachteil mit sich
bringt, dass im Einsatzfall der Unterricht in allen Klassen gestört wird.
Altersabhängige Aufgaben
Altersabhängige Aufgaben
In Abhängigkeit vom Alter erhalten die Kinder bestimmte Einsatzgebiete zugewiesen.
So können Jugendliche zum Beispiel - nach entsprechender Einweisung - auch ohne direkte
Aufsicht kleine Wunden im Sinne der Ersten Hilfe versorgen oder bei einem verunfallten
Kameraden die Kreislaufüberwachung übernehmen [Abb. 1]. Kleinere Kinder können Pflaster kleben, Tränen abwischen und Hilfe herbeirufen.
Überhaupt ist die psychologische Betreuung ein wesentlicher Bestandteil der medizinischen
Versorgung von Kindern. Denn sehr häufig werden Kinder durch die Angst vor der außergewöhnlichen
Situation mehr beeinträchtigt als durch die Verletzung an sich. Beruhigende Worte
können daher oft Wunder bewirken.
Vorstellung beim D-Arzt
Vorstellung beim D-Arzt
Steht die Entscheidung an, ob der betroffene Schüler den Unterricht fortsetzen kann
oder ob dieser vom Unterricht befreit werden muss, oder liegt eine lebensgefährliche
Situation vor, ist auf alle Fälle der zuständige Lehrer zu informieren. Dieser entscheidet
über das weitere Vorgehen, nimmt mit den Eltern und - falls erforderlich - mit dem
medizinischen Fachpersonal außerhalb der Schule (Haus- oder Kinderarzt bzw. Rettungsdienst)
Kontakt auf und organisiert die weitere Versorgung des jungen Patienten.
Dabei ist zu beachten, dass die Schüler während des Unterrichts sowie auf dem Schulweg
über den Schulträger unfallversichert sind. Daher darf eine eventuell notwendige ärztliche
Erstbehandlung nur durch einen so genannten Durchgangsarzt (D-Arzt) erfolgen, der
gegenüber der jeweiligen Unfallversicherung behandlungsberechtigt ist. Dies sind in
erster Linie niedergelassene Chirurgen oder Orthopäden, chirurgische Notfallambulanzen
in den Krankenhäusern sowie Augen- und HNO-Ärzte oder Kliniken bei entsprechenden
Verletzungen. Ausgenommen von dieser Regelung ist die erforderliche Erstbehandlung
durch den Notarzt.
Wird der erkrankte Schüler nach Hause entlassen, sollte dieser niemals ohne Begleitung
den Heimweg antreten. Können die Eltern ihn nicht von der Schule abholen, sollte immer
eine weitere Begleitperson für den Heimweg vom Unterricht freigestellt werden.
Wer darf was?
Wer darf was?
Die Aufgaben und Tätigkeiten der Schulsanitäter beschränken sich keineswegs nur auf
Basismaßnahmen der Ersten Hilfe („Basic life support”) wie zum Beispiel Schocklagerung,
stabile Seitenlage, Wundverbände [Abb. 2] oder Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzdruckmassage. Nach entsprechenden Schulungen
dürfen Schulsanitäter auch erweiterte Maßnahmen („advanced cardial life support”)
ergreifen.
So können unter anderem bei einem Herzkreislaufstillstand auch Automatisierte Externe
Defibrillatoren (AED) zum Einsatz kommen. Dabei müssen jedoch Empfehlungen der Bundesärztekammer
eingehalten werden, wonach nur Personen einen AED anwenden sollen, die eine entsprechende
Einweisung erhalten haben (www.bundesaerztekammer.de/30/Richtlinien/Empfidx/NotfallD.html).
Keine selbstständige Verordnung von Medikamenten
Keine selbstständige Verordnung von Medikamenten
Schulsanitäter dürfen Kreislaufkontrollen mit Blutdruck- und Pulsmessungen durchführen
oder den Blutzucker bestimmen. Außerdem können sie einem Mitschüler Medikamente verabreichen,
die dieser wegen seiner Grunderkrankung bereits von einem Arzt verordnet bekam und
ständig bei sich trägt. Typische Beispiele sind die Applikation eines Dosieraerosols
bei einem Asthmaanfall oder die Gabe von Glukose bei einem Typ-I-Diabetiker im Unterzucker.
Nicht erlaubt ist jedoch das selbstständige Verordnen von Medikamenten. Dies ist und
bleibt Aufgabe des behandelnden Arztes. Darüber hinaus findet auch die für professionelle
Rettungsassistenten gültige „Notkompetenz” bei den Schülern keine Anwendung.
Nachbesprechung ist wichtig
Nachbesprechung ist wichtig
Jeder Einsatz des Schulsanitätsdienstes muss sorgfältig protokolliert werden. Die
verwendeten Formulare [Abb. 3] ähneln denjenigen des professionellen Rettungsdienstes. So wird gewährleistet, dass
auch im Nachhinein der Einsatz noch nachvollzogen werden kann.
Jedem Einsatz sollte auch eine - dem Ereignis angemessene - Nachbesprechung folgen.
Auf diese Weise können die beteiligten Schüler Fehler aufdecken, Probleme besprechen
und möglicherweise auftretenden Traumatisierungen durch den Einsatz vorbeugen.
Wichtiges Bindeglied
Wichtiges Bindeglied
Grundsätzlich ersetzt der Schulsanitätsdienst nicht den Einsatz des öffentlichen Rettungsdienstes.
Insbesondere wenn der Verdacht besteht, dass sich der verletzte Schüler ernstere oder
gar lebensbedrohliche Verletzungen zugezogen hat, darf nicht gezögert werden, nach
Rücksprache mit dem verantwortlichen Lehrer umgehend den Rettungsdienst zu alarmieren.
Während professionelle Hilfe unterwegs ist, können die Schulsanitäter jedoch bereits
mit den erforderlichen Maßnahmen beginnen. So kann wertvolle Zeit eingespart werden,
die unter Umständen lebensrettend sein kann. Schulsanitätsdienste können auf diese
Weise ein wichtiges Bindeglied zwischen Erster Hilfe und professionellem Rettungsdienst
sein.
Abb.1
Abb.2
Abb.3
Tab. 1 Empfehlung zur Ausstattung vonSchulsanitätsdiensten
-
Tisch und Stühle
-
Abschließbarer Schrank
-
Abfalleimer
-
Kühlschrank mit Gefrierfach
-
Rettungsdecken
-
Untersuchungshandschuhe in verschiedenen Größen
-
Nierenschalen
-
Flüssigseife und Handcreme im Spender
-
Hände- und Wunddesinfektionsmittel
-
Einmalhandtücher
-
Würfelzucker, Traubenzucker
-
Kühl-Packs
-
Stethoskop
-
Blutdruckmanschette
-
Verbandsscheren
-
Diagnostikleuchten
-
Thermometer
-
Pinzetten
-
Taschenbeatmungsmasken
-
Zahnrettungsbox
-
Guedel-Tuben in verschiedenen Größen
-
Augenklappen
-
Heftpflaster
-
Wundschnellverbände
-
Kompressenvorrat (10x10 cm)
-
Verbandspäckchen in verschiedenen Größen
-
Mundspatel
-
Wärmflasche
-
Sicherheitsnadeln
-
Warnwesten
-
Notfalltasche/-koffer
-
Artikel der Monatshygiene
|