Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(18): 994-998
DOI: 10.1055/s-2003-38951
CME
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Tiefe Beinvenenthrombose - Diagnostik

Deep venous thrombosis - diagnosticR. Fries1 , M. Böhm1
  • 1Medizinische Klinik und Poliklinik, Innere Medizin III (Kardiologie/Angiologie), Universitätskliniken des Saarlandes, Homburg/Saar
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Priv.-Doz. Dr. med. R. Fries

Medizinische Klinik, Innere Medizin III, Universitätskliniken des Saarlandes

66421 Homburg

Phone: 06841/162 3016

Fax: 06841/162 3369

Email: fries@med-in.uni-saarland.de

Publication History

eingereicht: 28.2.2003

akzeptiert: 11.4.2003

Publication Date:
30 April 2003 (online)

Table of Contents #

Epidemiologie und Risikofaktoren

Eine tiefe Beinvenenthrombose (TVT) wird im unselektionierten Obduktionsgut in etwa 17 % der Fälle gefunden [2]. Die jährliche Inzidenz in Deutschland wird auf 1-3 Neuerkrankungen pro 1000 Einwohner geschätzt. Es handelt sich also um eine relativ häufige Erkrankung.

Die Entstehung einer TVT wird durch Risikofaktoren begünstigt, die unter die klassische Virchow-Trias subsumiert werden können. Es handelt sich hierbei um pathologische Veränderungen der Gefäßwand, der Zusammensetzung des Blutes selbst bzw. um einen pathologisch verlangsamten Blutfluss. TVT-begünstigende Gefäßwandveränderungen können bedingt sein durch Trauma, Infektion (Phlebitis), toxisch (Infusion), degenerativ (Alter) oder auch durch Überanstrengung („Thrombose par effort”). Ein pathologisch verlangsamter venöser Blutfluss entsteht häufig im Zusammenhang mit einer vorbestehenden Varikose und wird insbesondere durch Immobilisation (Reise oder Krankheit) aber auch eine Rechtsherzinsuffizienz oder lokale Kompression begünstigt. Letztere kann z. B. auftreten im Zuge einer Tumorerkrankung, bei Gravidität, Adipositas, einem Gipsverband oder bei Ausbildung eines so genannten Venensporns (eine flussbehindernde Intimahyperplasie in der Vena iliaca communis sinistra, die durch mechanischen Druck in dem Bereich entstehen kann, in dem die Vene von der Arteria iliaca communis dextra überkreuzt wird).

Pathologische Veränderungen der Blutzusammensetzung, die eine Hyperkoagulabilität verursachen, werden als Thrombophilie bezeichnet. Hierbei sind hereditäre von erworbenen Störungen zu unterscheiden. Zu den wichtigsten hereditären Thrombophilien zählen die Resistenz gegen aktiviertes Protein C durch Mutation des Faktor V Leiden, die Prothrombin Mutation (Faktor II), der Protein C- und Protein S-Mangel sowie der Antithrombin (AT) III-Mangel. Wie in Tab. [1] dargestellt gehen die häufiger vorkommenden hereditären Thrombophilien mit einer nur moderaten Erhöhung des relativen Thromboserisikos einher, während die Thrombophilien mit erheblicher Steigerung des Thromboserisikos sehr selten sind [1] [15] [18]. Bei der Interpretation der angegebenen relativen Risikowerte ist zu bedenken, dass das absolute jährliche TVT-Risiko, wie oben erwähnt, nur im Promillebereich liegt.

Thrombophilien können auf verschiedene Weise auch erworben werden. Beim Auftreten von Lupus-Antikoagulans oder Anti-Cardiolipin-Antikörpern und venösen und/oder arteriellen Thrombosen spricht man vom Antiphospholipid-Antikörpersyndrom. Aber auch im Zuge von operativen Eingriffen oder Traumata kann ein thrombophiles Milieu entstehen. Weitere prokoagulatorische Risikofaktoren sind die Gravidität, eine Hormonersatztherapie (insbesondere in Verbindung mit Nikotin-abusus) und das Vorliegen einer aktiven malignen Erkrankung. Bei Auftreten einer TVT ohne erkennbare Risikofaktoren kann in etwa 10 % der Fälle ein bis dahin nicht bekanntes Malignom diagnostiziert werden [11].

Weitere, weniger gut untersuchte hämostaseologische Konstellationen, die mit einem erhöhten TVT-Risiko einherzugehen scheinen, sind die Erhöhung von Faktor VIII, IX und XI und Fi-brinogen sowie eine Hyperhomocysteinämie (erworben oder hereditär).


kurzgefasst: Das Auftreten einer tiefen Beinvenenthrombose wird durch Risikofaktoren begünstigt. Dies sind Faktoren, die mit einer pathologischen Veränderung der Gefäßwand (Endothel), des Blutes (hereditäre oder erworbene Thrombophilie) oder einer verlangsamten venösen Flussgeschwindigkeit einhergehen (Virchow- Trias).

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Symptomatik und klinische Befunde

Die akute oder subakute TVT ist im typischen Fall durch eine Zunahme des Beinumfangs mit eindrückbarem Ödem im Bereich des Unterschenkels (Tibiakante) und Knöchels gekennzeichnet. Die betroffene Extremität ist vor allem distal livide verfärbt und es können sich oberflächliche Venen abzeichnen, die als Umgehungskreislauf der tiefen Leitvenen fungieren. Die Patienten berichten über ein Spannungsgefühl und Druckschmerzen im betroffenen Bein. Die Vorstellung bei einem Arzt erfolgt oft erst bei bereits länger bestehender und damit ausgedehnterer Thrombose, da geringere Schwellungsbeschwerden insbesondere von älteren Patienten häufig zunächst toleriert und abwartend zur Kenntnis genommen werden.

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Klinische Testverfahren

Verschiedene klinische Zeichen können bei Vorliegen einer TVT positiv sein. Dies gilt für die manuelle Druckschmerzhaftigkeit des Adduktorenkanals und medial der Tibiakante (Meyer-Druckpunkte), den Wadendruckschmerz (Lowenberg-Test), den Klopfschmerz der Fußsohle (Payr-Zeichen) und den Schmerz bei Dorsalflexion des Fußes (Hohman-Zeichen). Die Sensitivität und Spezifität dieser Untersuchungen ist jedoch gering, so dass sie im klinischen Alltag zur Diagnosefindung nur wenig hilfreich sind.

Nach Wells [17] kann durch Ermittlung eines Punktescores die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer TVT abgeschätzt werden (Tab. [2] ). Unter Berücksichtigung potenzieller Alternativdiagnosen kann demnach eine Zuordnung der Patienten in Gruppen mit hoher (ca. 80 %), mittlerer (ca. 30 %) und niedriger (ca. 5 %) Wahrscheinlichkeit für die Bestätigung der Verdachtsdiagnose TVT vorgenommen werden. Der klinische Nutzen dieses Systems ist jedoch, abgesehen von dem komplizierten und unübersichtlichen Aufbau, dadurch limitiert, dass sich in der klinischen Praxis nur eine Minderheit der Patienten in der Gruppe mit hoher Diagnosewahrscheinlichkeit befindet (in der zitierten Studie 16 %).

Tab. 1 Prävalenz und relatives Thromboserisiko bei hereditärer Thrombophilie. (APC = Aktiviertes Protein C, AT III = Antithrombin III)

Hereditäre Thrombophilien

Prävalenz Normal- bevölkerung

Relatives TVT-Risiko

APC-Resistenz (heterozygot)

3-7 %

x 3-8

Prothrombin Mutation (Faktor II)

1,2-2,7 %

x 2-3

Hyperhomocysteinämie

-

x 2-3

Protein C-Mangel (heterozygot)

0,2 %

x 3-5

Protein S-Mangel (heterozygot)

-

x 3-9

AT III-Mangel (heterozygot)

0,02 %

50 % TVT vor 25. Lebensjahr

AT III-Mangel (homozygot)

schwerste thrombotische Komplikationen im Säuglingsalter

APC-Resistenz (homozygot)

0,02 %

x 80

Tab. 2 Checkliste zur Abschätzung der Thrombosewahrscheinlichkeit nach Wells [17] .

Hauptkriterien

  • Aktive Tumorerkrankung

  • Vorausgehende Immobilisation der Beine

  • Bettlägerigkeit > 3d, OP ≤ 4 Wochen

  • Schmerzen im Verlauf der tiefen Venen

  • Schwellung des gesamten Beines

  • Umfangsdifferenz > 3 cm auf Wadenhöhe

  • Familiäre Disposition (≥ 2 Verwandte ersten Grades)

Nebenkriterien

  • Verletzung (≤ 2 Monate)

  • Seitendifferentes eindrückbares Ödem

  • Dilatierte oberflächliche Venen (keine Varizen)

  • Krankenhausaufenthalt (≤ 6 Monate)

  • Erythem

Diagnosewahrscheinlichkeit

  • Hoch (ca. 80 %)unwahrscheinliche Alternativdiagnose und
    ≥ 3 Hauptkriterien

oder

  • ≥2 Haupt- und≥ 2 Nebenkriterien

  • Mittel (ca. 30 %)
    bei möglicher Alternativdiagnose:
    1 Hauptkriterium und ≥ 2 Nebenkriterien

oder

  • kein Hauptkriterium und ≥ 3 Nebenkriterien
    bei unwahrscheinlicher Alternativdiagnose:
    1 Haupt- und Nebenkriterium

oder

  • kein Hauptkriterium und ≥ 2 Nebenkriterien

  • Niedrig (ca. 5 %)
    Alle übrigen Kombinationen

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Apparative Diagnostik

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D-Dimere

Ein weiteres Hilfsmittel bei einem Verdacht auf TVT ist die Bestimmung der D-Dimere. D-Dimere sind Spaltprodukte von quervernetztem Fibrin. Sie sind in frischen und im Abbau befindlichen Blutgerinnseln nachweisbar. Ein erhöhter D-Dimer-Spiegel im Plasma findet sich bei Vorliegen einer TVT nahezu regelhaft. Die Sensitivität der ELISA-Tests (die auch als Schnelltests angeboten werden) liegt demnach bei 97-98 % [10]. Ältere Vollblut-Tests und der klassische Latex-Test erreichen hingegen nur eine Sensitivität von 80-85 % und sollten daher nicht mehr angewendet werden (Tab. [3]).

Tab. 3 Sensitivität, Spezifität und negativ prädiktiver Wert verschiedener Testverfahren zur Bestimmung der D-Dimere [10].

Sensitivität

Spezifität

Negativer prädiktiver Wert

Klassischer ELISA-Test

97 %

35 %

96 %

ELISA Schnelltest

98 %

41 %

98 %

Klassischer Latex-Test

83 %

68 %

92 %

Simplired (Vollblut)

84 %

71 %

92 %

Es ist jedoch zu bedenken, dass D-Dimere auch unter zahlreichen anderen Bedingungen erhöht nachweisbar sind. So z. B. nach einer Operation, bei einer Infektion, einer Blutung, einer Verletzung oder einem Malignom. Die Spezifität der D-Dimer-Bestimmung ist daher niedrig und liegt im ELISA-Test unter 50 %. Die D-Dimer-Bestimmung ist also für stationäre Patienten nicht geeignet, da bei diesen in der überwiegenden Zahl der Fälle mit einer der oben genannten Begleitumstände zu rechnen ist. Unter ambulanten Bedingungen ist der D-Dimer-Test zur Abschätzung der Vortestwahrscheinlichkeit hilfreich, kann bei negativem Ergebnis jedoch eine TVT auch in Kombination mit dem Wells-Score nicht sicher ausschließen [7] [14]. Andere molekulare Marker zur Bestimmung der Gerinnungsaktivierung sind in der klinischen Praxis allgemein nicht etabliert.


kurzgefasst: Durch eine sorgfältige klinische Untersuchung unter Berücksichtigung bekannter Testverfahren kann eine tiefe Beinvenenthrombose weder verlässlich diagnostiziert noch ausgeschlossen werden. Der laborchemische Nachweis erhöhter D-Dimere im Plasma stellt ein sensitives, jedoch sehr unspezifisches Verfahren dar und ist für stationäre Patienten nicht geeignet. Eine Thrombose kann alleine durch einen negativen D-Dimer-Test nicht sicher ausgeschlossen werden.

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Sonographie

Die Untersuchung der Wahl bei Verdacht auf TVT ist die Sonographie. Es handelt sich um ein nicht-invasives und für den Patienten unbelastendes Verfahren, bei dem die tiefen Leitvenen und wichtigsten Muskelvenen im Quer- und gegebenenfalls auch Längsschnitt dargestellt werden (B-Bild) und ihre Komprimierbarkeit untersucht wird. Das Lumen einer freien Vene ist voll komprimierbar (Abb. [1]), wohingegen eine thrombosierte Vene nur teilweise oder gar nicht komprimierbar ist. Im Bereich der proximalen Venen (Leiste) ist unter tiefer In- und Exspiration das Venenlumen atemvariabel, sofern die Beckenstrombahn frei ist. Die zusätzliche farbkodierte Darstellung (Duplexsonographie) kann insbesondere in der Unterschenkelregion das Auffinden der kaliberschwächeren kruralen Venengruppen erleichtern und liefert dynamische Informationen bei Augmentation des Venenflusses durch manuelle Kompression der Weichteile. Eine Überlegenheit der Duplexsonographie im Vergleich mit der reinen B-Bild-Sonographie ist jedoch nicht belegt. Im Bereich des Abdomens und des Beckens ist die Sonographie nur begrenzt aussagekräftig, da hier Weichteile (Adipositas) und Luftüberlagerungen das Schallfenster limitieren können. Die Sensitivität der sonographischen TVT-Diagnostik wird bei symptomatischen Patienten mit proximaler TVT (Oberschenkel/Becken) metaanalytisch mit 97 % angegeben und bei distaler TVT (Unterschenkel) mit nur 73 % [4] [8] . Die Erfolgsrate im Unterschenkelbereich ist jedoch stark geräte- und untersucherabhängig. In einzelnen, phlebographisch kontrollierten Untersuchungen konnten daher TVT im Unterschenkelbereich mit vergleichbarer Sensitivität wie im Oberschenkelbereich diagnostiziert werden [13].

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Abb. 1 Sonographischer Querschnitt (B-Bild) der Vena femoralis communis (Pfeilspitze) und Arteria femoralis communis (Pfeil). Ohne Kompression ist das Lumen der Vene voll entfaltet (links) bei Kompression mit dem Schallkopf (rechts) kollabiert das freie Venenlumen vollständig während das Arterienlumen erhalten bleibt [6].

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Phlebographie

Die aszendierende Phlebographie galt früher als „Goldstandard“ der TVT-Diagnostik, ist jedoch inzwischen als „golden back-up” in den Hintergrund getreten (Abb. [2]). Es handelt sich im Gegensatz zur Sonographie um ein invasives Verfahren, bei dem Kontrastmittel über eine Fußrückenvene appliziert und das Venensystem von distal nach proximal röntgenologisch dargestellt wird. Entsprechende Risiken (Kontrastmittel) und Belastungen (Strahlung) sind vom Patienten in Kauf zu nehmen. In 10-20 % der Fälle gelingt keine technisch befriedigende Darstellung aller Venensegmente [6]. Insbesondere nach proximal nimmt die Sensitivität der phlebographischen TVT-Diagnostik mit der auslaufenden Kontrastmittelmenge ab. Außerdem gelten als problematisch Muskelvenen, die sich der Darstellung entziehen können, und gedoppelt angelegte Venen mit fehlender Darstellung eines thrombosierten Schenkels, so dass die Darstellung des offenen Schenkels einen Normalbefund vorspiegeln kann. Die Vorteile der Phlebographie liegen in der Möglichkeit einer übersichtlichen und archivierbaren Darstellung des gesamten Venensystems eines Beines.

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Abb. 2 Phlebographische Darstellung nicht thrombosierter Venenabschnitte (links) und umflossener Thrombusmassen (rechts).

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Computertomographie / Kernspintomographie

Diese teuren und aufwändigen Verfahren sind in der Routinediagnostik der TVT nicht regelhaft erforderlich. Sinnvoll anwendbar sind sie bei einer fehlenden sonographischen Abgrenzbarkeit des proximalen Thrombusendes und zum Ausschluss einer Raumforderung im Abdomen und/oder kleinen Becken bei deszendierender TVT.

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Sonstige Diagnoseverfahren

Venenthrombosen können auch durch Radionuklide (z. B. 99m TC) markiert werden. Diese aufwändige Methode ist jedoch in der Unterschenkelregion zu wenig sensitiv und insbesondere auf frische Thrombosen begrenzt. Außerhalb wissenschaftlicher Fragestellungen wird das Verfahren nicht angewendet.

Auch die venöse Verschlussplethysmographie wurde zur TVT-Diagnostik eingesetzt, ist jedoch den oben genannten Verfahren in ihrer diagnostischen Aussagekraft weit unterlegen und daher nur noch von historischer Bedeutung.

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Diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf TVT

Den aktuellen Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Angiologie zufolge [3] ist das Verfahren der Wahl bei Verdacht auf TVT die Sonographie der betroffenen Extremität. Bei unsicherem Befund und Verdacht auf distale TVT kann in Abhängigkeit von der Vortestwahrscheinlichkeit (siehe Wells-Score) eine Phlebographie erfolgen oder, gegebenenfalls unter subkutaner Heparingabe und Kompression, eine Verlaufssonographie terminiert werden (Abb. [3] ).

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Abb. 3 Flussdiagramm zum Vorgehen bei Verdacht auf tiefe Beinvenenthrombose.

In aktuellen Studien erzielten die Beschränkung der sonographischen Diagnostik auf Patienten mit positivem D-Dimer-Test und/oder hoher Vortestwahrscheinlichkeit und die routinemäßige vollständige Kompressionssonographie bezüglich der symptomatischen thromboembolischen Ereignisse in den folgenden Monaten vergleichbare Effektivitäten [5] [7] [12] [14] . Es gilt jedoch zu bedenken, dass die Patienten in den genannten Studien nur bei auffallender Anamnese (z. T. über Dritte und telefonisch erfragt) systematisch klinisch und sonographisch nachuntersucht wurden, so dass eine unbestimmte TVT-Dunkelziffer nicht ausgeschlossen werden kann.

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Thrombophiliediagnostik

Ein Thrombophiliescreening nach TVT ist nicht prinzipiell erforderlich. Sofern definierte Risikofaktoren das Auftreten der Thrombose hinreichend erklären, muss keine weitere Abklärung auf Thrombophilie erfolgen. Sinnvoll erscheint dies hingegen bei Diagnose einer TVT ohne erkennbare Risikofaktoren. Diese Thrombosen werden auch als idiopathisch oder kryptogen bezeichnet und stellen eine Minderzahl klinischer Ereignisse dar. Außerdem kann eine Thrombophiliediagnostik sinnvoll sein bei TVT mit ungewöhnlicher Lokalisation und/oder Ausdehnung, rezidivierenden Ereignissen, TVT unter Antikoagulation, wiederholten Fehl- oder Totgeburten oder vor Beginn einer Therapie mit einem Ovulationshemmer bei jungen Patientinnen mit familiärer Disposition.

Bezüglich des optimalen Zeitpunktes der Blutuntersuchung ist zu bedenken, dass Antithrombin bei einer frischen TVT und unter Heparintherapie ebenso wie Protein C und S unter Phenprocoumon erniedrigt sein kann. Unbeeinflusst durch das Akutereignis bleiben die globalen Gerinnungstests (partielle Thromboplastinzeit, Thrombinzeit und Thromboplastinzeit), die APC-Ratio (Nachweis der Resistenz gegen aktiviertes Protein C), Antiphospholipid-Antikörper und natürlich die Genmutationen. Zur Vermeidung unnötiger Fehl- oder Nachuntersuchungen empfiehlt es sich daher, die komplette Thrombophiliediagnostik frühestens 4 Wochen nach Absetzen der oralen Antikoagulation durchzuführen [9], bei besonders hohem Risiko gegebenenfalls unter Heparinschutz.

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Tumorsuche

Bei idiopathischen Thrombosen sollte eine begrenzte Tumorsuche vorgenommen werden. Neben einer gründlichen Anamnese und körperlichen Untersuchung sollten eine Basislaboruntersuchung und eine Röntgenuntersuchung des Thorax erfolgen. Außerdem sollten eine abdominelle Sonographie durchgeführt, der Stuhl auf okkultes Blut untersucht und die alters- und geschlechtsspezifischen Vorsorgeuntersuchungen aktualisiert werden. Der Nutzen einer ausgedehnteren Tumorsuche ist nicht evident [16].


kurzgefasst: Das Untersuchungsverfahren der ersten Wahl bei Verdacht auf tiefe Beinvenenthrombose ist die Sonographie. In Einzelfällen ist gegebenenfalls eine ergänzende computertomographische Untersuchung von Bauch und Becken sinnvoll. Eine Phlebographie der Beinvenen ist hingegen nur noch selten indiziert. Ein Thrombophiliescreening nach tiefer Beinvenenthrombose ist nur unter besonderen Umständen angezeigt.

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Priv.-Doz. Dr. med. R. Fries

Medizinische Klinik, Innere Medizin III, Universitätskliniken des Saarlandes

66421 Homburg

Phone: 06841/162 3016

Fax: 06841/162 3369

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Abb. 1 Sonographischer Querschnitt (B-Bild) der Vena femoralis communis (Pfeilspitze) und Arteria femoralis communis (Pfeil). Ohne Kompression ist das Lumen der Vene voll entfaltet (links) bei Kompression mit dem Schallkopf (rechts) kollabiert das freie Venenlumen vollständig während das Arterienlumen erhalten bleibt [6].

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Abb. 2 Phlebographische Darstellung nicht thrombosierter Venenabschnitte (links) und umflossener Thrombusmassen (rechts).

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Abb. 3 Flussdiagramm zum Vorgehen bei Verdacht auf tiefe Beinvenenthrombose.