psychoneuro 2003; 29(4): 175-178
DOI: 10.1055/s-2003-39185
Schwerpunkt

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Genetik der Alzheimer Demenz

Reinhard Heun1 , Heike Kölsch1
  • 1Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Bonn
Further Information
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Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. med. Reinhard Heun
Dr. rer. nat. Heike Kölsch

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Bonn

Sigmund-Freud-Strasse 25

53105 Bonn

Publication History

Publication Date:
09 May 2003 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Die Alzheimer Demenz (AD) ist eine multifaktorielle Erkrankung bei deren Ätiologie und Pathogenese sowohl genetische als auch exogene, umweltbedingte Faktoren wirksam sind. Zwillings- und Familienstudien belegen den Einfluss von genetischen Faktoren für die AD. Kopplungsuntersuchungen haben für die früh beginnende AD Risikogene auf den Chomosomen 1, 14 und 21 identifiziert, die für Presenilin 2 und 1 und das Amyloid-Precursor-Protein kodieren. Diese Proteine spielen bei der Pathogenese der AD eine wichtige Rolle. Für die sporadische spät beginnende Form der AD wurde das Apolipoprotein E4-Allel als Risikofaktor identifiziert, weiterhin weisen Kopplungsuntersuchungen auf Risikogene auf den Chromosomen 9, 10 und 12 hin. Zahlreiche positive Assoziationbefunde belegen die multifaktorielle Genese dieser Erkrankung. Der vorliegende Artikel beschreibt die wichtigsten Befunde dieser Studien für die AD.

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Summary

Alzheimer's Disease (AD) is a multifactorial disorder. Genetic and environmental factors are involved in the ethiology and pathogenesis of AD. Twin and family studies showed that genetic factors contribute to AD. Linkage and association studies revealed risk genes for early onset AD on the chromosomes 1, 14 and 21, encoding for the genes of presenilin 2, 1 and the amyloid precursor protein, respectively. These proteins are involved in AD pathology. The apolipoprotein E4 allele is the only confirmed risk factor for late onset AD. Linkage analyses revealed further additional AD risk genes on chromosomes 9, 10 and 12. Positive association studies indicate that AD presents with a multifactorial genesis. The present article gives insight in the most relevant findings on genetic epidemiological studies on AD.

Die Alzheimer Demenz (AD) ist eine multifaktorielle Erkrankung, bei deren Ätiologie und Pathogenese sowohl unterschiedliche genetische als auch exogene, umweltbedingte Faktoren wirksam sind. Wegen der Komplexität der Vererbung und aufgrund des teils unklaren Pathomechanismus wurden genetische epidemiologische Methoden eingesetzt, die der Abschätzung der Bedeutung von genetischen Faktoren für die Entwicklung einer Krankheit, einer Störung oder eines anderen Merkmals dienen. Klassische Studiendesigns ohne den Einsatz genetischer Marker sind Zwillingsstudien, Familienstudien und Adoptionsstudien. Assoziations- und Kopplungsuntersuchungen hingegen nutzen genetische Marker, um den Zusammenhang zwischen dem Auftreten einer Erkrankung und einem genetischen Marker in Populationen bzw. Stammbäumen festzustellen und so die krankheitsrelevanten Gene zu identifizieren. Im Folgenden werden die Befunde dieser Studientypen für die AD beschrieben. Adoptionsstudien zur AD wurden bisher nicht publiziert, da sie aufgrund des späten Erkrankungsalters bei der AD kaum durchführbar sind.

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Zwillingsuntersuchungen zur AD

Zwillingsuntersuchungen vergleichen die Konkordanzraten als Maß der diagnostischen Übereinstimmung zwischen Zwillingen bei monozygoten und dizygoten Zwillingspaaren. Eine höhere Konkordanz bei monozygoten Zwillingen im Vergleich zu dizygoten Zwillingspaaren spricht für die Relevanz genetischer Faktoren. Liegen die Konkordanzen beider Gruppen nahe beieinander, spricht dies für eine Bedeutung von Umweltfaktoren für die Krankheitsentwicklung. Nur wenige methodisch suffiziente Zwillingsuntersuchungen zur Abschätzung des Ausmaßes genetischer und nicht genetischer Ursachen bei der AD wurden bisher publiziert. Einer der wesentlichen Gründe hierfür ist, dass erst in einem hohen Alter von über 80 Jahren eine ausreichende Konkordanz erwartet werden kann. Die Mehrzahl der Zwillingsstudien sind selektierte Einzelfallsammlungen von konkordanten oder diskordanten Zwillingen, bei denen unerwarteterweise monozygote gegenüber dizygoten Zwillingspaaren überwiegen.

Trotz dieses Selektionsbias deuten die konsistent höheren Konkordanzraten bei monozygoten Zwillingen auf eine Relevanz genetischer Faktoren für die Krankheitsentstehung der AD hin. Gemäß der neuesten und umfangreichsten Zwillingsstudie von Petersen et al. [6] erklären genetische Faktoren 57-78 % der Varianz im Auftreten einer AD.

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Familienstudien zur AD

Familienstudien sind einfacher als Zwillingsstudien durchzuführen. Bei diesen Studien werden Angehörige von Erkrankten mit Angehörigen von nicht-Erkrankten verglichen. Bei Vorliegen genetischer Ursachen einer Krankheit sollten Angehörige eines Erkrankten auch umso eher betroffen sein, je höher der Verwandtschaftsgrad mit dem Erkrankten ist. Nur wenige Familienstudien zur AD sind ausreichend hinsichtlich Stratifikations- und Informationsartefakten durch systematische Probandenrekrutierung, Vorliegen einer Kontrollgruppe, standardisierte Diagnostik und Blindheit der Untersucher kontrolliert. Auch wurde bisher in kaum einer Familienstudie der Versuch unternommen, die Angehörigen ersten Grades persönlich zu untersuchen. Trotzdem kann aufgrund der übereinstimmenden Ergebnisse aus zahlreichen Familienstudien mit hoher Sicherheit angenommen werden, dass Angehörige ersten Grades von Patienten mit AD ein erhöhtes Demenzrisiko im Vergleich zu Angehörigen von Kontrollen haben. Das Risiko von Angehörigen ersten Grades an einer Demenz zu erkranken, lag in den Untersuchungen meistens zwei- bis dreifach über dem Risiko der Angehörigen von Kontrollprobanden [3]. Offensichtlich gibt es sogar eine Spezifität des Erkrankungsalters bei der AD; so haben erkrankte Angehörige von Patienten mit früh beginnender AD (Ersterkrankungsalter <65 Jahre) ein früheres Erkrankungsalter als Angehörige von Patienten mit spätem Erkrankungsbeginn [1].

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Kopplungsuntersuchungen bei früh beginnender AD

Kopplungsstudien untersuchen das gemeinsame Auftreten der Erkrankung (z.B. AD) und eines spezifischen Markers, z.B. eines Allels, in Stammbäumen und schließen aufgrund eines überzufällig häufigen, gemeinsamen Auftretens von Krankheit und Marker auf eine Bedeutung dieses genetischen Faktors für die Erkrankung. Kopplungsuntersuchungen waren zunächst nur in den seltenen hochbelasteten Familien mit einem autosomal-dominanten Vererbungsmodus der AD und frühem Erkrankungsbeginn (Ersterkrankungsalter vor dem 65. Lebensjahr) erfolgreich.

Die ersten signifikanten Kopplungsbefunde wurden für das Chromosom 21 in der Region, die für das Amyloid-Precursor-Protein (APP) kodiert, berichtet [10]. Diese Kopplungsbefunde wurden in verschiedenen Familien mit früh beginnender AD bestätigt. In verschiedenen Familien konnten Punktmutationen im APP-Gen festgestellt werden, die ausschließlich bei Erkrankten aber nicht bei Kontrollprobanden vorlagen.

APP wird durch die Aktivität von b- und g-Sekretasen gespalten. Das bei diesem Prozess gebildete b-Amyloid aggregiert zu den für die AD typischen Plaques im Gehirn der Patienten. Das APP-Gen weist vor allem in den Bereichen relevante Mutationen auf, die für die Spaltung durch b- und g-Sekretasen relevant sind.

Trotz dieser initial positiven Kopplungsbefunde waren die Ergebnisse langfristig ernüchternd, da für die überwiegende Zahl der hochbelasteten Familien eine Kopplung mit dem APP-Gen ausgeschlossen werden konnte und der Befund im APP-Gen, der in wenigen Familien mit früh beginnender Erkrankung repliziert werden konnte, höchstens 5 % der früh beginnenden familiären AD erklärt [2]. Deshalb haben unterschiedliche Arbeitsgruppen systematisch auf dem gesamten Genom nach DNA-Markern gesucht, die mit der früh beginnenden AD (Ersterkrankungsalter <65 Jahre) gekoppelt sind. 1992 berichtete eine Arbeitsgruppe über einen positiven Kopplungsbefund zu einem Marker auf dem langen Arm von Chromosom 14 [9]. Dieser positive Befund wurde in anderen multipel belasteten Stammbäumen von Patienten mit früh beginnender Demenz bestätigt [10]. In einer Stichprobe multipel belasteter Familien mit Ersterkrankungsalter zwischen 60 und 70 Jahren konnten Kopplungen zu Markern in der kritischen Region des Chromosoms 14 nachgewiesen werden, deren Größenordnung aber deutlich geringer war als bei der früh beginnenden AD; für andere multipel belastete Familien mit spät beginnender AD konnte eine Kopplung zu Markern auf dem Chromosom 14 ausgeschlossen werden. Das relevante Gen in der Region 14q24.3 wurde als Presenilin-1-Gen (PS1) bezeichnet.

Durch Vergleich der Nucleotid-Sequenz des Presenilin-1-Genes mit anderen bekannten Nukleotid-Sequenzen ließ sich eine Homologie zu einem weiteren Genlokus auf dem Chromosom 1 feststellen. Auch dieser Genort (1q31-42) zeigte eine Kopplung in fünf von sieben Wolga-deutschen Familien mit frühem Erkrankungsbeginn der AD. Das entsprechende Gen wurde als Presenilin-2-Gen (PS2) bezeichnet. Die Preseniline sind offensichtlich bei der pathologischen Spaltung des APP beteiligt. Mutationen in den APP-, PS1- und PS2-Genen führen dazu, dass die Bildung von b-Amyloid-Fragmenten, die zu den neurotoxischen Plaques im Gehirn aggregieren, erhöht wird. Diese Mutationen sind für 30-50 % der autosomal dominant vererbten Alzheimer Fälle verantwortlich, aber nur für ca. 5 % aller Alzheimer Demenzen.

Es ließen sich also drei für die AD relevante Gene identifizieren: das Gen für das Amyloid-Precursor-Protein (APP) auf Chromosom 21, das Presenilin-1-Gen (PS1) auf Chromosom 14 und das Presenilin-2-Gen (PS2) auf Chromosom 1. In diesen Genen gibt es unterschiedlich zahlreiche Varianten, für das PS1 wurden bisher über 80 Mutationen beschrieben, die mit einer früh beginnenden AD gekoppelt sind und deren Zahl kontinuierlich steigt (11). Diese Mutationen werden derzeit ausführlich auf ihre möglichen biochemischen Effekte untersucht, um Anhaltspunkte für die bei der Alzheimer Demenz relevanten pathophysiologischen Prozesse zu erhalten.

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Kopplungs- und Assoziations-untersuchungen bei spät beginnender AD

Die spät beginnende Form der AD ist im Vergleich zu der früh beginnenden wesentlich häufiger. Die Chance hoch belastete Familien mit spätem Erkrankungsbeginn zu finden und genügend lebende erkrankte Probanden untersuchen zu können, ist jedoch naturgemäß gering. Trotzdem gibt es auch bei Patienten mit spätem Erkrankungsbeginn eine erhöhte familiäre Belastung, d.h. ein erhöhtes Erkrankungsrisiko für Angehörige ersten Grades. Bei Kopplungsstudien zur spät beginnenden AD wurden auf unterschiedlichen Chromosomen Regionen gefunden, die offensichtlich mit der AD gekoppelt sind (Chromosom: 5, 6, 9, 10, 12, 19, 21 und x, [8] [5]). Die Befunde für die Chromosomen 9, 10 und 12 erscheinen am viel versprechendsten für weitere Studien zur AD, da hier die höchsten LOD-Scores als Maß der Enge der Kopplung von bestimmten Varianten eines Genortes und dem Auftreten einer Erkrankung gefunden wurden.

Aufgrund der Seltenheit und der Besonderheit von hochbelasteten Familen mit mehreren erkrankten Angehörigen mit spät beginnender AD sind Assoziationsstudien notwendig, um genetische Risikofaktoren bei den häufigsten oft sporadisch auftretenden Demenzen zu identifizieren. Bei diesen wird das Auftreten eines Markers oder eines bestimmten Allels zwischen Erkrankten und nicht erkrankten Kontrollprobanden verglichen. Unterschiede der Häufigkeit bestimmter Allele zwischen diesen Gruppen sprechen dafür, dass ein untersuchter Faktor krankheitsrelevant ist. Zahlreiche Gene wurden auf ihre Assoziation zur AD hin untersucht. Dabei konzentrierte man sich bisher auf folgende Genorte:

  • Gene, deren Produkte aufgrund ihrer physiologischen Rolle bei der Pathogenese der AD involviert sein könnten und

  • Gene die in Regionen lokalisiert sind, die positive Kopplungsbefunde zur AD gezeigt haben.

Die Ergebnisse dieser Studien zu Kandidatengenen sind zum größten Teil sehr kontrovers, bis dato gilt ausschließlich die Assoziation zwischen dem Apolipoprotein E (ApoE)-Genotyp und dem Auftreten einer späten AD als gesichert.

Eine Studie, in der Patienten mit einer familiären AD und vergleichbare Kontrollprobanden untersucht wurden, zeigte einen positiven Befund auf dem Chromosom 19 [8]. Der Bereich wurde später als das ApoE-Gen eingegrenzt. Von den drei Allelen des ApoE-Gens kommt das ApoE3-Allel am häufigsten vor (ca. 70-80 % in Populationen kaukasischen Ursprungs); ApoE4 tritt bei 12-14 % und ApoE2 bei 6-10 % auf; offenbar variiert die Allelhäufigkeit über verschiedene Populationen. Die erhöhte Frequenz des ApoE4-

Allels bei AD-Patienten wurde in einer Serie von Untersuchungen bei familiären und sporadischen Fällen bestätigt. Der Befund konnte auch bei neuropathologisch gesicherten Fällen repliziert werden und keiner der bisher zahlreichen Replikationsversuche stellte die Assoziation zwischen dem ApoE4-Allel und der AD infrage. Es ließ sich sogar ein Gendosiseffekt nachweisen. So wiesen Träger zweier ApoE4-Allele (Homozygote) im Vergleich zu allen anderen Genotypen das maximale Erkrankungsrisiko auf. Träger von nur einem ApoE4-Allel haben ein erhöhtes Risiko im Vergleich zu altersgematchten Probanden ohne ApoE4-Allel.

Obwohl die Assoziation zwischen dem ApoE4-Allel und dem Auftreten einer AD konsistent repliziert werden konnte, ist der Beitrag, den dieses Allel für das Auftreten der AD in verschiedenen Populationen erbringt, strittig. In klinischen Populationen ist die Assoziation zwischen dem ApoE4-Allel und einer AD stärker ausgeprägt als in der Allgemeinbevölkerung. Unklar ist die Gültigkeit der Assoziation zwischen dem ApoE-Allel und der AD in verschiedenen ethnischen Gruppen. Bei farbigen Amerikanern wurde die Assoziation zwischen dem ApoE4-Allel und der AD nachgewiesen, aber nicht in allen afrikanischen Populationen.

Nach dem derzeitigen Stand der Forschung erscheint es wahrscheinlich, dass der ApoE-Genotyp am ehesten das Ersterkrankungsalter für die AD modifiziert und weniger das allgemeine Erkrankungsrisiko. Das relative Risiko für eine AD bei Trägern des ApoE4-Allels scheint altersabhängig, so tragen jüngere Alterskohorten ein höheres Erkrankungsrisiko. Bei Kohorten über 80 Jahren lag das relative Risiko zwischen 2,0 und 3,0, in jüngeren Kollektiven deutlich höher. Der Befund, dass das Vorhandensein eines ApoE4-Allels das Ersterkrankungsalter reduziert und dass der Einfluss dieses Allels einen maximalen Effekt bis zum 70. Lebensjahr besitzt, konnte kürzlich in einem großen Kollektiv bestätigt werden. Eine gute Übersicht über die Rolle des ApoE-Polymorphismus als Risikofaktor für die Entwicklung einer AD gibt Kamboh [4].

Weitere Loci des ApoE-Gens wurden im Hinblick auf eine mögliche Modulation des AD-Risikos untersucht. So ist ein Polymorphismus (-491A/T) in der regulatorischen Regionen des ApoE-Gens mit der AD assoziiert. Diese Assoziation galt für die homozygote Variante und war unabhängig vom ApoE4-Status. Ein intronischer Polymorphismus in der Enhancer Gene Region des ApoE-Gens zeigte ebenfalls eine Assoziation mit einer AD. Allerdings könnte diese Assoziation auch die Folge einer Kopplung (Linkage Disequilibrium) zwischen dem untersuchten und dem ApoE-Genlokus sein.

Weitere wichtige Kandidaten für Gene, die die Suszeptiblität für die AD zu beeinflussen scheinen, bei denen jedoch erste positive Assoziationsergebnisse nicht immer repliziert werden konnten, sind das Cathepsin-D-Gen, das Interleukin-1-Gen, das Interleukin-6-Gen, das Very Low-density Lipoprotein-Rezeptor (VLDL-R)-Gen, die chromosomale Region D10S1423, das FAS-Rezeptor Gen (TNFRSF6), das Insulin-degradierende Enzym (IDE)-Gen, das Low-density Lipoprotein Receptor-related Protein (LRP)-Gen, das Alpha-2-Makroglobulin (A2M)-Gen und das Cholesterin 24S-Hydroxylase (Cyp46)-Gen.

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Gen-Gen-Interaktionen und klinische Relevanz

Die Komplexität der Pathophysiologie der AD lässt eine Interaktion zwischen unterschiedlichen Genen als sehr wahrscheinlich erscheinen, am ehesten kommen Interaktionen mit dem ApoE4-Allel und anderen Kandidatengenen in Frage. Aufgrund der biologischen Relevanz sollten Interaktionen des ApoE4-Allels mit den ApoE-Rezeptoren LRP und VLDL-Rezeptor erwartet werden. Aber nicht nur Interaktionen zwischen dem ApoE4-Allel und anderen Genen, sondern auch Interaktionen mit Umweltfaktoren sind bei der Pathogenese der AD denkbar und wahrscheinlich.

Ein diskutierter Umweltfaktor, der das AD-Risiko erhöhen soll, ist eine Hirnschädigung durch ein früheres Schädel-Hirn-Trauma mit begleitendem Bewusstseinsverlust. Befunde unterschiedlicher Studien deuten darauf hin, dass bei ApoE4-Allel-Trägern der Verlauf eines Schädel-Hirn-Traumas ungünstiger ist als bei Nicht-Trägern.

Trotz des doch recht großen Umfangs genetischer Studien zur AD ist die klinische Relevanz der beschriebenen Befunde noch sehr gering. Es kann jedoch als gesichert gelten, dass Probanden mit einem ApoE4-Allel einen früheren Erkrankungsbeginn haben. Auch die Progression der Erkrankung scheint bei den Trägern dieses Allels beschleunigt zu sein. Allerdings reicht die prädiktive Wertigkeit, aufgrund der hohen Prävalenz von gesunden ApoE4-Allel-Trägern nicht aus, um den Genotyp als Prädiktor oder diagnostischen Marker für die individuelle Diagnose oder Verlaufsprädiktion zu verwenden.

Über den Zusammenhang zwischen Therapieerfolg und ApoE4-Allel ist nur wenig bekannt. ApoE4-Allel-Träger, die mit einem Cholinesteraseinhibitor (Tacrine) behandelt wurden, hatten offenbar einen deutlich schlechteren Therapieverlauf, als ApoE4-Allel Nicht-Träger. Aussagekräftige Ergebnisse werden erst in den nächsten Jahren erwartet, wenn größere Therapiestudien, die genetische Informationen berücksichtigt haben, abgeschlossen und publiziert sind.

Insgesamt ist jedoch anzunehmen, dass die beschriebenen und die zukünftigen, zunehmend zahlreicheren Befunde zur Genetik und auch Pharmakogenetik der AD, in den nächsten Jahren für die klinische Behandlung der AD-Patienten relevant sein werden.

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Literatur

  • 1 Breitner JC, Silverman JM, Mohs RC, Davis KL. Familial aggregation in Alzheimer's disease: comparison of risk among relatives of early-and late-onset cases, and among male and female relatives in successive generations.  Neurology. 1988;  38 207-212
  • 2 Clark F R, Goate M A. Molecular genetics of Alzheimer's disease.  Arch-Neurol. 1993;  50 1164-72
  • 3 Heun R, Papassotiropoulos A, Jessen F, Maier W, Breitner JC. A family study of Alzheimer disease and early- and late-onset depression in elderly patients.  Arch Gen Psychiatry.. 2001;  58 190-196
  • 4 Kamboh I M. Apolipoprotein E Polymorphism and Susceptibility to Alzheimer's Disease.  Human Biology. 1995;  67 195-215
  • 5 Myers A, Wavrant F De-Vrieze, Holmans P, Hamshere M, Crook R, Compton D, Marshall H, Meyer D, Shears S, Booth J, Ramic D, Knowles H, Morris JC, Williams N, Norton N, Abraham R, Kehoe P, Williams H, Rudrasingham V, Rice F, Giles P, Tunstall N, Jones L, Lovestone S, Williams J, Owen MJ, Hardy J, Goate A. Full genome screen for Alzheimer disease: Stage II analysis.  Am J Med Genet. 2002;  114 235-44
  • 6 Petersen NL, Posner SF, Gatz M. Multiple-threshold models for genetic influences on age of onset for Alzheimer disease findings in Swedish twins.  Am J Med Genet. 2001;  105 724-728
  • 7 Pericak-Vance MA, Bebout JL, Gaskell Jr PC, Yamaoka LH, Hung WY, Alberts MJ, Walker AP, Bartlett RJ, Haynes CA, Welsh KA, Earl NL, Heyman A, Clark CM, Roses AD. Linkage studies in familial Alzheimer disease: evidence for chromosome 19 linkage.  Am J Hum Genet. 1991;  48 1034-50
  • 8 Pericak-Vance MA, Grubber J, Bailey LR, Hedges D, West S, Santoro L, Kemmerer B, Hall JL, Saunders AM, Roses AD, Small GW, Scott WK, Conneally PM, Vance JM, Haines JL. Identification of novel genes in late-onset Alzheimer's disease.  Exp Gerontol. 2000;  35 1343-52
  • 9 Schellenberg GD, Bird TD, Wijsman EM. et al. . Genetic linkage evidence for a familial Alzheimer's disease locus on chromosome 14.  Science. 1992;  258 668-71
  • 10 St. George-Hyslop PHS, Tanzi RE, Polinsky RJ, Haines JL, Nee L, Watkins PC, Myers RH, Feldman RG, Pollen D, Drachman D. The genetic defect causing familial Alzheimer's disease maps on chromosome 21.  Science. 1987;  235 885-90
  • 12 www: molgen-www.uia.ac.be/ADMutations/Introduction.cfm (Quelle: Alzheimer Disease Mutation Database (ADMDB)).
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Dr. rer. nat. Heike Kölsch

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Sigmund-Freud-Strasse 25

53105 Bonn

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Literatur

  • 1 Breitner JC, Silverman JM, Mohs RC, Davis KL. Familial aggregation in Alzheimer's disease: comparison of risk among relatives of early-and late-onset cases, and among male and female relatives in successive generations.  Neurology. 1988;  38 207-212
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  • 12 www: molgen-www.uia.ac.be/ADMutations/Introduction.cfm (Quelle: Alzheimer Disease Mutation Database (ADMDB)).
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Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. med. Reinhard Heun
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53105 Bonn