Psychother Psychosom Med Psychol 2003; 53(6): 249
DOI: 10.1055/s-2003-40057
Editorial
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Der 106. Deutsche Ärztetag 2003 in Köln - Konsequenzen für die Weiterbildungsdiskussion

The 106th „Deutsche Ärztetag” in Cologne - Consequences for the Discussion About Continuing Medical EducationFritz  Hohagen
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Publication Date:
18 June 2003 (online)

Hauptthema des diesjährigen Ärztetages war die Novellierung der Weiterbildungsordnung, die unter Berücksichtigung neuer berufspolitischer Entwicklungen übersichtlicher gestaltet werden sollte. Zur Vorbereitung des Ärztetages war zunächst eine Arbeitsgruppe der ständigen Konferenz ärztlicher psychotherapeutischer Verbände (STÄKO) gebildet worden, die paritätisch besetzt ein Modell entwickelte, wie ein künftiger gemeinsamer Basisfacharzt mit Schwerpunkten aussehen könnte. Dieses von der Arbeitsgruppe der STÄKO vorgeschlagene Modell fand unter den psychotherapeutischen Medizinern keine Mehrheit.

In einer Anhörung vor der Bundesärztekammer wurde deshalb ein weiteres Modell des „Arztes für Psychosomatik und Psychotherapie” vorgestellt. Das Pflichtjahr in „Psychiatrie und Psychotherapie” sollte vollständig gestrichen und dafür zwei Jahre in der Inneren Medizin absolviert werden, was eine stärkere internistische Ausrichtung des Facharztes bedeutet hätte. Auch dieses Modell fand nicht die Mehrheit der psychotherapeutischen Mediziner, so dass das Ziel, zwei „Psychofachärzte” mit deutlich unterscheidbarem Profil zu definieren, die verschiedene Patientengruppen behandeln, verfehlt wurde. Weiter blieb eine große Überschneidungsmenge von Patienten mit neurotischen Störungen und Persönlichkeitsstörungen, für die sich beide Fachärzte zuständig fühlen, ohne dass eine verlässliche Abgrenzung nach Diagnosen - allenfalls nach dem Schweregrad - zu erkennen gewesen wäre. In einem intensiven Abstimmungsprozess bemühten sich Vertreter beider Fächer darum, eine Kompromisslösung zu finden, die den beiden Fachärzten zumindest annäherungsweise ein Gesicht geben sollte. Herausgekommen sind die beiden Weiterbildungsordnungen, wie sie in abgestimmter Form auf dem Deutschen Ärztetag verabschiedet wurden. Dass damit das Grundproblem nicht gelöst, sondern lediglich andiskutiert wurde, war allen Beteiligten klar.

Im Vorfeld zum Deutschen Ärztetag wurde ein zusätzlicher Antrag von allen psychiatrisch-psychotherapeutischen wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Berufsverbänden gestellt, den „Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie” optional und alternativ in „Arzt für psychische Erkrankungen” umzubenennen. Hintergrund dieser Initiative ist die zunehmende Stigmatisierung von Patienten, die im psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgungssystem behandelt werden, sowie deren behandelnde Institutionen. Durch den Aufbau paralleler Versorgungsstrukturen für dieselben psychischen Erkrankungen hat sich in Deutschland, wenn auch nicht so beabsichtigt - eine Art 2-Klassen-Situation ergeben, in der die „schwerer” psychisch Kranken in der Psychiatrie und die „leichter” psychisch Kranken in der Psychosomatik behandelt werden. Der „Imagevorteil” der Bezeichnung Psychosomatik gegenüber der eher stigmatisierten Bezeichnung „Psychiatrie” stellt ein zunehmendes Problem dar, weswegen der Antrag auf eine Alternativbezeichnung gestellt wurde. Selbstverständlich stellt die Alternativbezeichnung lediglich eine Maßnahme in einer Reihe von Antistigmaaktivitäten dar, die über Aufklärungsprogramme wie „Bündnis gegen Depression” über Presseaktivitäten bis hin zu Qualitätssicherung und lokaler Öffentlichkeitsarbeit reichen. Die Diskussionsteilnehmer auf dem Deutschen Ärztetag waren sich einig, dass es sich um ein bedeutsames Problem handelt, um das sich die deutsche Ärzteschaft in Zukunft kümmern muss. Der Antrag selbst wurde an den Vorstand der Bundesärztekammer zur weiteren Beratung verwiesen.

Die nächsten Jahre werden bestimmt werden von der Diskussion, ob beide Fachärzte sich kontinuierlich von einander trennen und jeder Facharzt ein erkennbares eigenständiges Profil in Patientenversorgung, Forschung und Lehre vorweisen kann, oder ob eine Wiederannäherung erfolgt, beispielsweise als ein Facharzt mit verschiedenen Schwerpunkten oder als Common-Trunk-Modell mit gemeinsamer Basisweiterbildung. Eines wurde deutlich - die Diskussion um die neue Weiterbildungsordnung und das Verhältnis der zwei Fachärzte zueinander wird in Zukunft die Stigmatisierungsdiskussion berücksichtigen müssen.

Prof. Dr. med. Fritz Hohagen

Medizinische Universität zu Lübeck · Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Ratzeburger Allee 160

23538 Lübeck

Email: hohagen.f@psychiatry.uni-luebeck.de

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