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DOI: 10.1055/s-2003-40930
Die neuen Leitlinien zur Osteoporose
Empfehlung des Dachverbandes der deutschsprachigen osteologischen FachgesellschaftenEvidence-based clinical practice guidelines for diagnosis and treatment of osteoporosisPublication History
eingereicht: 21.5.2003
akzeptiert: 10.7.2003
Publication Date:
28 July 2003 (online)

„Osteoporose” wurde lange Zeit mit physiologischem Knochenabbau im Alter gleichgesetzt [8]. Dieses Konzept ist heute nicht mehr haltbar. Sowohl auf der Grundlage pathophysiologischer als auch klinischer und epidemiologischer Studien wird Osteoporose gegenwärtig als systemische Skeletterkrankung verstanden, die sich in einer verminderten Bruchfestigkeit des Knochens und erhöhtem Frakturrisiko äußert. Zugrunde liegen eine kritisch reduzierte Knochenmasse und eine Auflösung der knöchernen Mikroarchitektur.
Epidemiologische Studien belegen, dass „Osteoporose” eine entscheidende Ursache für die exponentielle Zunahme von Fragilitätsfrakturen beim älteren Menschen ist. Darunter zu verstehen sind Frakturen ohne Unfalltrauma, die in der Regel schon durch alltägliche Belastungen ausgelöst werden, z.B. Drehen, Bücken, Heben oder durch einen Sturz aus Stehhöhe. Akzentuiert wird dieses Gesundheitsproblem durch das Hinzutreten der Sturzkrankheit im Alter, die wiederum eine Folge altersassoziierter Multimorbidität ist [9].
Osteoporotische Frakturen sind mit erheblichen medizinischen, psychosozialen und ökonomischen Folgen belastet. Für die Betroffenen resultieren in einem hohen Maße Einbußen an Lebensqualität, Folgemorbidität, Pflegebedürftigkeit und erhöhte Mortalität. Für die industrialisierten Gesellschaften erwächst aus den Folgekosten osteoporotischer Frakturen im Zuge der Überalterung eine zunehmende sozioökonomische Belastung. Die direkten Kosten (überwiegend Kosten zur stationären und unmittelbar post-stationären Versorgung von hüftgelenksnahen Frakturen) werden in Deutschland konservativ auf 2,5-3 Mio. Euro eingeschätzt ([6], [9]). Eine exakte Einschätzung der gesamtgesellschaftlichen Belastung ist derzeit nicht möglich, da in Deutschland keine Frakturregister geführt werden, und nur die Schenkelhalsfraktur eine weitgehend komplette Erfassung über die Krankenhausentlass-Statistik gestattet. Hinzu kommt, dass verfügbare Daten der offiziellen Versorgungsstatistik (z.B. Arbeitsunfähigkeit, vorzeitige Berentung) dem vorwiegend beim älteren Menschen auftretenden Krankheitsbild nicht gerecht werden, Versorgungsdaten in relevanten Bereichen (z.B. Pflege) fehlen und Einbußen an Lebensqualität nicht berücksichtigt werden. Eckpunkte zur sozialmedizinischen Bedeutung des Krankheitsbildes „Osteoporose” sind in der Tab. [1] zusammengefasst.
Tab. 1 Klinische Problemstellung. Osteoporose Klinisch stumm bis zum Auftreten von Frakturen Kein geeigneter Screening-Test Krankheitsfolgen sozialmedizinisch bedeutsam Frakturen ohne Hochenergietrauma häufig beim älteren Menschen hohe Folgemorbidität, Invalidität, Pflegebedürftigkeit Multifaktorielle Pathogenese Überlagerung durch Sturzproblematik DVO-Leitlinienempfehlungen zur Postmenopausalen Osteoporose März 2003
Repräsentative Untersuchungen zur Versorgungssituation von Patienten mit osteoporotischen Frakturen bzw. hohem Frakturrisiko existieren bislang kaum [1]. Auf der Basis von klinischen Fallserien ([3], [10],[11]), Verordnungsanalysen [1] sowie einer jüngsten Auswertung von Krankenkassendaten in Nordrhein-Westfalen [2] zeichnet sich jedoch das Bild einer mangelnden diagnostischen Abklärung und Therapie von Patienten mit osteoporotischen Frakturen ab. Auf der anderen Seite hat sich ein zum Teil innerhalb, zum Teil auch außerhalb der kassenärztlichen Versorgung stattfindender wachsender „Markt” unterschiedlicher diagnostischer Maßnahmen zur Früherkennung der Osteoporose entwickelt, die bezüglich Qualität und Aussagekraft oft problematisch sind [5].
Nach der Definition des Sachverständigen-Rates für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (SVR KAiG, Gutachten 2000/2001, Band III) muss somit von erheblicher Fehl- und Unterversorgung im Bereich der Osteoporose ausgegangen werden [7]. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Neben strukturellen Ursachen (mangelnde Vergütung; unzureichende Definition von Zuständigkeiten und Schnittstellen zwischen Hausärzten und Fachärzten sowie zwischen ambulanter und stationärer Versorgung) und mangelndem Verständnis für ein interdisziplinär anzugehendes Gesundheitsproblem, spielt offenbar unzureichende Information und Verwirrung angesichts widersprüchlicher Experten-Empfehlungen eine Hauptrolle. In Deutschland standen bislang keine evidenzbasierten Handlungsleitlinien zur Diagnostik, Behandlung oder gar Prophylaxe der Osteoporose zur Verfügung.
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Priv.-Doz. Dr. med. Walter Josef Faßbender
Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Medizinische
Klinik I, Endokrinologie
Theodor-Stern-Kai 7
60590 Frankfurt am Main