Z Gastroenterol 2003; 41(10): 1035-1038
DOI: 10.1055/s-2003-42921
Kommentiertes Referat
© Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

PPAR-Liganden: ein klinisch wichtiges Regulationsprinzip mit vielfachen Einsatzmöglichkeiten bei Diabetes mellitus, entzündlichen Darmerkrankungen und in der Chemoprophylaxe von Kolonkarzinomen?

PPAR-Ligands: a Clinically Important Regulatory System with Multiple Options in the Treatment of Diabetes Mellitus, Inflammatory Bowel Disease and in the Chemoprevention of Colon Cancer?H. Allgayer1 , W. Kruis1
  • 1Evangelisches Krankenhaus Kalk, Köln
Further Information

Publication History

Publication Date:
16 October 2003 (online)

Shimada T, Kojima K, Yoshiura K et al. Characteristics of peroxisome proliferator activated receptor y (PPAR-y) ligand induced apoptosis in colon cancer cells. Gut 2002; 50: 658-664

Osawa E, Nakajima A, Wada K et al. Peroxisome proliferator-activated receptor gamma ligands suppress colon carcinogenesis induced by azoxymethane in mice. Gastroenterology 2003; 124: 361-367

Katayama K, Wada K, Nakajiama A et al. A novel PPARγ-gene therapy to control inflammation associated with inflammatory bowel disease in a murine model. Gastroenterology 2003; 124: 1315-1324

Die Peroxisomen-Proliferator-aktivierten Rezeptoren (PPAR) gehören zu einer Superfamilie von nukleären Faktoren (PPARα, PPARβ, PPARγ, PPARδ), die je nach Organlokalisation unterschiedliche regulatorische Aufgaben wahrnehmen. Sie werden meist durch endogene oder exogene, überwiegend lipohile Liganden aktiviert und wirken nach Bildung von Heterodimeren mit dem Retinoid-X-Rezeptor und Bindung an spezifische PPAR-Responseelemente als Transkriptionsfaktoren für Gene, die im Fettgewebe und in den Muskelzellen mit dem Lipid- und Kohlehydratstoffwechsel, in Darmepithelien mit Entzündungs-, Proliferations- und Apoptoseprozessen, verknüpft sind (Schoojans et al. Curr Opin Lipidol 1997; 8: 159-166, Anderson et al. Diabetologia 2001; 44: 2220-2226, Su et al. J Clin Invest 1999; 104: 383-389, Corton et al. Ann Rev Pharmacol Toxicol 2000; 40: 491-518, Tanaka et al. Cancer Res 2001; 61: 2424-2428, Ikezoe et al. Cancer Res. 2001; 61: 5307-5310, Berger et al. Annu Rev Med 2002; 53: 409-435; 61: 5307-5310, Auwerx. Am J Physiol 2002; 282: G581-585, Wu. Gastroenterology 2003; 124: 1538-1542). In Fett- und Muskelzellen führt eine Stimulation von PPARγ durch Liganden vom Thiazolidindion-Typ (Glitazone) wie Troglitazon (TGZ), Rosiglitazon (ROS) und Pioglitazon (PIO) zu einer Verbesserung der Glukoseaufnahme und der peripheren Insulinsensitivität mit Senkung der Blutglukose (Vazquez et al. Meth Find Exp Clin Pharmacol 2002; 24: 515-523, Virtanen et al. Diabetes 2003; 52: 283-290, Parhofer, Göke. Diabetes und Stoffwechsel 2001; 10: 277-280). ROS und PIO können daher als sinnvolle Ergänzung in der Behandlung von Diabetes eingesetzt werden (Vamecq et al. Lancet 1999; 354: 141-148, Häring et al. Diabetes und Stoffwechsel 2003; 12 [Suppl. 2]: 11-31), sind allerdings derzeit nur in Kombination mit anderen oralen Antidiabetika zugelassen.

In entzündeten Darmepithelien wurde eine verminderte Expression und Aktivität von PPARγ gefunden, umgekehrt führte eine Aktivierung von PPARγ mit Glitazonen zur Abschwächung der intestinalen Entzündungsantwort (Su et al. J Clin Invest 1999; 104: 383-389, Nakajiama et al. Gastroenterology 2001; 120: 460-469, Saubermann et al. Inflamm Bowel Dis 2002; 8: 330-339). Darüber hinaus konnten für diese Substanzen eine Inhibition des Zellwachstums und Steigerung der Apoptose beobachtet werden, die überwiegend nach Aktivierung von PPARγ auftraten. Nach Heterodimerisation mit dem Retinoid-X-Rezeptor wird ein Teil der Wirkungen durch eine verstärkte Hemmung von Cyclooxygease-2 (COX-2) vermittelt, wie in isolierten Kolonkarzinomzellen (HT-29) gezeigt werden konnte (Yang et al. Carcinogenesis 2001; 22: 1379-1383). Eine weitere in dieser Hinsicht wichtige Folgereaktion scheint die Beeinflussung von Bcl-2 und NF-κB zu sein (Chen et al. Life Sciences 2002; 70: 2631-2646). PPARγ kann daher als Tumorsuppressorgen betrachtet werden (Ikezoe et al. Cancer Res 2001; 61: 5307-5310), dessen Aktivierung durch Liganden wie Glitazone als wichtiger Mechanismus in der Chemoprävention des Kolonkarzinoms diskutiert wird (Sarraf et al. Nature Med 1998; 4: 1046-1052, Girnun et al. Proc Natl Acad Sci USA 2002; 99: 13 771-13 776, Chen et al. Life Sci 2002; 70: 2631-2646). In der Regulation der intestinalen Zellproliferation/-apoptose spielen neben PPARγ weitere PPARs, vor allem PPARδ, eine Rolle. Im Gegensatz zu PPARγ führt hier eine Bindung von aktivierenden Liganden wie Eikosanoiden zur vermehrten Transkription von Genen, die mit Zellwachstum und Verminderung der Apoptose gekoppelt sind. Die Ansicht gegensätzlicher Effekte der Aktivierung von PPARγ und PPARδ auf Proliferation und Apoptose wird durch genetische Experimente unterstützt, die zeigen, dass die Ausschaltung des PPARγ-Gens zu einer Verstärkung, die Ausschaltung des PPARδ-Gens dagegen zu einer Verminderung der Proliferation in Darmepithelzellen führt (Ikezoe et al. Cancer Res 2001; 61: 5307-5310, Park et al. Proc Natl Acad Sci USA 2001; 98: 2598-2603). Ein Teil der wachstumshemmenden Eigenschaften nicht steroidaler Antiphlogistika (NSAID) und 5-Aminosalicylsäure (5-ASA), die in der Chemoprävention von Kolonkarzinomen diskutiert werden (Vainio et al. Scand J Med 1998; 33: 785-789, Herfarth, Schölmerich. Z Gastroenterol 2000; 38: 923-925, Bernstein et al. Inflammatory Bowel Dis 2002; 8: 356-361, Allgayer, Kruis. Scand J Gastroenterol 2002; 37: 125-131), wird mit einer Inhibition von PPARδ in Verbindung gebracht (He et al. Cell 1999; 99: 125-131, Robert-Thompson Immunology and Cell Biol 2000; 78: 436-441, Wu. N Engl J Med 2000; 342: 651-653, Allgayer, Kruis. Scand J Gastroenterol 2002; 37: 125-131).

In der Arbeit von Shimada et al. wurde der Effekt verschiedener PPARγ-Liganden wie 15-deoxy-(D-12,14)-Prostaglandin J2 (15d-PG) und TGZ auf die DNA-Synthese (Bromdesoxyuridineinbau; BrdU), die Zellvitalität (modifizierte Tetrazolium-Formazanmethode), Apoptose (DNA-Fragmentierung) sowie die Expression PPARγ-abhängiger Gene (c-myc als Onkogen, c-jun und gadd 153 als apoptosebezogene Gene) in HAT-29-Kolonkarzinomzellen untersucht. Die PPARs wurden mittels Western Blot charakterisiert, die Genexpression mittels cDNA array und Real Time Quantitative Reverse Transcription Polymerase Chain Reaction (RT-PCR). 15d-PG und TGZ verminderten dosis- bzw. konzentrationsabhängig den BrdU-Einbau und die Viabilität, während die DNA-Fragmentierung um das 8- bis 10fache gesteigert wurde. 15d-PG (10uM) und TGZ (30uM) hemmten die Expression von c-myc mRNA (90 bzw. 50 %) während die Produktion von c-jun und gadd 153 mRNA stimuliert wurde (17- bzw. 14fach). PPARα- und PPARδ-Liganden zeigten keine Effekte.

In der Arbeit von Osawa et al. wurden Effekte der PPARγ-Liganden PIO, ROS und TGZ auf die Bildung aberranter Mukosakrypten (Aberrant Crypt Foci; ACF) sowie die Entstehung voll ausgebildeter Karzinome in einem Mausmodell des Kolonkarzinoms untersucht. In einer Versuchsreihe wurde zur Erzeugung von ACFs neben der täglichen oralen Gabe von Azoxymethan (AOM) AOM zusätzlich zweimal in wöchentlichem Abstand i. p. gegeben (10 mg/kg). Die Behandlungsgruppen erhielten täglich PIO (200 ppm), ROS (200 ppm) oder TGZ (1000 ppm) oral über jeweils vier Wochen, die Vergleichsgruppen eine entsprechende Kontrolldiät. Zur Erzeugung eines Karzinoms wurde neben der oralen Zufuhr AOM zusätzlich sechsmal in wöchentlichen Abständen in gleicher Dosis i. p. appliziert. Die Analyse der ACF erfolgte histologisch, die Charakterisierung und Quantifizierung der Expression von PPARγ immunhistochemisch sowie mittels RT-PCR mit ß-Actin als Kontrolle. Nach Behandlung mit PIO, ROS und TGZ ging die Zahl der ACFs im Vergleich zu den Kontrollen von 14,8 ± 6,0 auf 2,5 ± 1,2, 2,7 ± 1,9 und 9,3 ± 3,9 ACF/Tier signifikant zurück (p < 0,001 bzw. 0,05), bezüglich der Entstehung von Karzinomen kam es ebenfalls zu einer signifikanten Verminderung der Tumorgröße und -anzahl in vergleichbarer Größenordnung. Die Expression von PPARγ war bei Kontrollen, ACF-Tieren und bei Karzinomen weitgehend identisch. PPARα oder δ wurden nicht untersucht.

In der Arbeit von Katayama et al. wurde die Rolle von PPARγ in der Pathogenese und Therapie einer experimentellen Kolitis untersucht. In einem dextraninduzierten Mausmodell der Kolitis wurden die Effekte einer PPARγ-Gentherapie untersucht im Hinblick auf den makro- und mikroskopischen Entzündungsverlauf sowie die Produktion pro- und antiinflammatorischer Zytokine. Die Applikation von PPARγ erfolgte mittels eines Adenoviruskonstruktes i. p. Das Versuchsprotokoll umfasste vier Gruppen, die erste diente als Kontrollgruppe und umfasste unbehandelte Tiere mit dextraninduzierter Kolitis, die zweite erhielt Adenovirusvektor ohne PPARγ, die dritte Adenovirusvektor mit PPARγ, jedoch ohne Aktivator, die vierte Adenovirusvektor mit PPARγ sowie zusätzlich ROS als PPARγ-aktivierende Liganden (30 mg/kg/d, p. o.). Nach einer Woche erfolgte die Evaluierung klinischer, makroskopischer und mikroskopischer Entzündungszeichen. Außerdem wurde PPARγ in Darmepithelien, intestinalen Lamina propria und peritonealen mononukleären Zellen sowie in mononukleären Zellen der Milz mittels Western Blots quantifiziert, die Expression von pro- und antiinflammatorischen Zytokinen (TNF-α und IL-10) erfolgte mittels quantitativer RT-PCR. Tiere, die PPARγ plus ROS erhalten hatten, zeigten signifikant geringere klinische, makroskopische und mikroskopische Zeichen einer intestinalen Entzündung, die TNF-α-Expression war deutlich erniedrigt, IL-10-Expression dagegen deutlich erhöht (p < 0,088), verglichen mit unbehandelten Tieren. Tiere mit unbehandelter Kolitis zeigten einen verminderten Gehalt an PPARγ im Vergleich zu gesunden Kontrolltieren. In den mit Adenovirusvektor plus PPARγ behandelten Tieren fanden sich Werte vergleichbar mit gesunden Kontrollen. Die Autoren schlossen aus ihren Ergebnissen, dass bei Entzündung des Darms die zelluläre Expression von PPARγ vermindert ist, durch externe Zugabe von PPARγ und ROS jedoch deutlich gebessert werden kann, außerdem wird durch die Applikation von aktiviertem PPARγ die Expression proinflammatorischer Zytokine vermindert, die Expression antientzündlicher Zytokine dagegen stimuliert.

Prof. Dr. W. Kruis

Innere Medizin Gastroenterologie, Evangelisches Krankenhaus Köln-Kalk

Buchforststr. 2

51103 Köln

Email: kruis@evkk.de

    >