In der Behandlung bipolarer affektiver Erkrankungen dominieren noch immer pharmakologische
Behandlungsstrategien. Auf der Basis einer hypothetisierten Ätiopathogenese, für die
biologische Determinanten entscheidend sind, wurde das Auftreten von Rezidiven ursächlich
in erster Linie auf medikamentöse Noncompliance des Betroffenen zurückgeführt. Studienergebnisse
zu Beginn der 90er-Jahre, die aufzeigten, dass trotz complianter Einnahme der rezidivprophylaktischen
Medikation bei ca. 75 % der Betroffenen im 5-Jahresintervall ein Rezidiv auftrat,
führten zu einer Modifikation der Ätiologievorstellungen in Richtung eines adäquater
erscheinenden biopsychosozialen Erkrankungsmodells. Dieses Modell trägt dabei vor
allem der Beobachtung Rechnung, dass soziale bzw. interpersonelle Faktoren - als Stressoren
wirkende Lebensereignisse - bei der erneuten Exazerbation der Symptomatik eine wichtige
Rolle spielen.
Die ursprüngliche Favorisierung biologischer Komponenten bei Krankheitsgenese und
-verlauf, hatte zur Folge, dass relativ spät, eigentlich erst mit Integration der
psychosozialen Betrachtungsweise, intensive Bemühungen gestartet wurden, psychotherapeutische
Behandlungsverfahren für die bipolare Erkrankung zu entwickeln. Vielversprechend erscheinen
dabei die Familienfokussierte Therapie [7], die Interpersonelle und Soziale Rhythmustherapie [6], kognitiv-verhaltenstherapeutische Verfahren [1]
[9] sowie vorwiegend psychoedukativ orientierte Ansätze [16].
Alle Interventionsformen, so unterschiedlich sie auch sein mögen, basieren dabei mit
unterschiedlicher Gewichtung auf Psychoedukation. In Abhängigkeit von der psychoedukativen
Schwerpunktlegung fließen zusätzlich weitere Behandlungselemente mit ein, die sich
an den von den jeweiligen Autoren favorisierten Einflussfaktoren auf Krankheitsentstehung
und -verlauf orientieren.
So ist in der Familienfokussierten Therapie [7] bipolarer Erkrankungen neben psychoedukativen Elementen das familiäre Interaktionsverhalten
ein zentrales Therapieziel. Untersuchungen zufolge sehen die Autoren ein familiäres
Klima, in dem stark affektbesetzte Ausdrucks- und Verhaltensweisen vorherrschen und
wenig Verständnis im täglichen Miteinander entgegengebracht wird, mit einem ungünstigen
Krankheits- und Behandlungsverlauf assoziiert. Die Interpersonelle und Soziale Rhythmustherapie
[6] hingegen hypothetisiert die Implikation interpersoneller Konflikte sowie die Derhythmisierung
biologischer Zyklen als krankheitsauslösend bzw. -aufrechterhaltend. Demgegenüber
sehen kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze [1]
[9] dysfunktionale Kognitionen in enger Verbindung mit der erneuten Symptomexazerbation.
Bevor wir uns im Weiteren auf die psychoedukativen Aspekte dieser Ansätze konzentrieren,
muss jedoch betont werden, dass entsprechend des derzeitigen Forschungsstandes nach
wie vor im Rahmen einer wirkungsvollen Therapie bipolarer Erkrankungen die medikamentöse
Behandlung als unbedingt erforderlich anzusehen ist. Psychotherapeutische bzw. psychoedukative
Interventionen können nur als zusätzliche, unterstützende Behandlungsmaßnahmen gelten.
Psychoedukation: Was ist das?
Psychoedukation: Was ist das?
Allgemein wird mit „Psychoedukation” die Informationsvermittlung über die Erkrankung
und ihre Behandlungsmöglichkeiten bezeichnet, wobei psychologische Betrachtungsweisen
Berücksichtigung finden. Alternativ könnte „Psychoedukation” auch so definiert werden,
dass es sich hierbei um eine Informationsvermittlung über die Erkrankung handelt,
die dazu dient, die psychische Befindlichkeit zu verbessern bzw. zu stabilisieren.
Ziel ist es, Selbsthilfemöglichkeiten im Umgang mit der Erkrankung zu aktivieren,
die Behandlungscompliance zu erhöhen und damit das Wiedererkrankungsrisiko abzusenken.
Zu beachten ist, dass unter dem Begriff „Psychoedukation” ganz unterschiedliche Arten
der Wissensvermittlung zusammengefasst werden. So zählen hierzu Informationsbroschüren,
Bücher, Videobänder, Fernsehsendungen, Internetseiten bzw. -foren bis zu elaborierten
Gruppenprogrammen, die von mindestens einem ausgebildeten Therapeuten (Arzt, Psychotherapeut
oder Psychologe) durchgeführt werden.
Da von allen psychoedukativen Interventionsformen der therapeutengeleiteten Form in
der Behandlung bipolarer Erkrankungen eine besondere Bedeutung zukommt, werden wir
uns im Folgenden nur auf diese Variante der Psychoedukation beziehen.
Entwicklung von psycho-edukativen Ansätzen in der Behandlung bipolarer Erkrankungen
Entwicklung von psycho-edukativen Ansätzen in der Behandlung bipolarer Erkrankungen
Die Idee der Psychoedukation ist nicht neu. Erste Ansätze wurden im Rahmen der Behandlung
somatischer Erkrankungen, wie z.B. Diabetes oder kardio-vaskuläre Symptomatiken, entwickelt
und konzentrierten sich hauptsächlich auf das Training der korrekten Einnahme von
Medikamenten. Wegweisend waren hier Beobachtungen, die ungünstige Behandlungsverläufe
in Zusammenhang mit der nicht ordnungsgemäßen Einnahme der Medikation sahen. Das so
genannte Medikamententraining, d.h. die Einnahme der Medikation unter Aufsicht des
Pflegepersonals, war zentraler Bestandteil der ersten Psychoedukationsformen.
Angewandt auf psychische Symptomatiken bewährte sich der psychoedukative Ansatz schon
relativ frühzeitig in der Schizophreniebehandlung und gilt hier heute als grundlegendes
therapeutisches Element.
Während erste psychotherapeutische Behandlungsversuche bipolarer Erkrankungen am familiären
Unterstützungssystem anknüpften, wobei aus heutiger Sicht unklar bleibt, inwieweit
hierbei psychoedukative Elemente eingebunden waren, wurde in der Folge gemäß der vorherrschenden
biologisch orientierten Ätiologiehypothese in psychoedukativer Weise an der Erhöhung
der medikamentösen Compliance gearbeitet. Praktisch sind daher erste psychoedukative
Bemühungen in der Behandlung bipolarer Erkrankungen ebenfalls gleichbedeutend mit
Medikamententraining [4]. Neue Impulse in der Entwicklung psychotherapeutischer Interventionen resultierten
dann zu Beginn der 90er-Jahre, basierend auf Befunden von Evaluationsstudien. Der
neue psychotherapeutische Akzent bestand in einer Ausweitung der Perspektive hinsichtlich
syndromauslösender bzw. -aufrechterhaltender Faktoren. Psychoedukation, ureigenstes
Element kognitiv-verhaltenstherapeutischen Arbeitens, entstanden aus der praktischen
Umsetzung des verhaltenstherapeutischen Axioms der Transparenz, erlangte inzwischen
aufgrund ihres zeitökonomischen Charakteristikums und vielversprechender empirischer
Evaluationsbemühungen eine Art Autonomie. Die oftmals getroffene Differenzierung zwischen
Psychoedukation und Kognitiver Verhaltenstherapie bleibt allerdings aufgrund der Teil-Ganzes-Relation
in gewisser Weise artifiziell, erscheint aber angesichts der Forderung moderner Forschungsstandards,
nach kontrollierten empirischen Analysen therapeutischer Wirkfaktoren, hilfreich und
sinnvoll. Festzuhalten bleibt, dass Psychoedukation im Zuge einer modernen Psychotherapieperspektive
integrativer Bestandteil unterschiedlicher therapeutischer Richtungen ist. Das Ausmaß
der Einbeziehung psychoedukativer Elemente variiert dabei, wie schon erwähnt, zwischen
den therapeutischen Ansätzen.
Rahmenbedingungen von Psychoedukation
Rahmenbedingungen von Psychoedukation
Therapeutengeleitete Psychoedukationsformen können nach Setting und Zielgruppe differenziert
werden:
So gibt es zum einen Psychoedukation sowohl im stationären, tagesklinischen als auch
ambulanten Rahmen. Zum anderen wird Psychoedukation in Abhängigkeit von der Teilnehmerzusammensetzung
als Psychoedukation für Betroffene, für Angehörige oder für beide Teilnehmergruppen
gemeinsam angeboten. Weiterhin kann unterschieden werden zwischen Psychoedukation
in Einzel- oder Gruppenform.
Im Vergleich zur Psychoedukation im Einzelsetting scheinen Gruppenprogramme nicht
nur aus ökonomischer Sicht einige Vorteile zu bieten.
Denn, auch wenn Gruppenprozesse bei psychoedukativen Gruppenprogrammen nicht primär
im Vordergrund stehen, ist der Einfluss von Gruppenwirkfaktoren nicht zu unterschätzen
und sollte unbedingt genutzt werden [17].
Denkt man insbesondere an krankheitsbedingtes Fehlverhalten, wie es während manischer
Episoden auftritt, scheint doch die nur im Gruppensetting zu machende Erfahrung, anderen
geht es genauso, den Betroffenen von der im Nachhinein oftmals schambesetzten Bewertung
der Verhaltensexzesse enorm zu entlasten und damit zu helfen. Darüber hinaus sind
die Möglichkeit der gegenseitigen Unterstützung und die Chance, aus den Erfahrungen
anderer Betroffener zu lernen sowie generell das Gefühl, unter Mitbetroffenen eher
verstanden zu werden, eindeutig positiv einzustufen.
Anzumerken ist, dass im Zuge der geforderten empirischen Evaluation von Psychoedukation
als eigenständige Interventionsform in der Behandlung bipolarer Erkrankungen die Implikation
von Gruppenwirkfaktoren allerdings konfundierend zu werten und gleichzeitig in entsprechenden
Forschungsdesigns zu berücksichtigen ist.
Inhalte psychoedukativer Ansätze
Inhalte psychoedukativer Ansätze
Entsprechend den unterschiedlichen Bedürfnissen der Teilnehmergruppen unterliegen
die Inhalte und Zielsetzungen geringfügigen Modifikationen. So muss in der psychoedukativen
Arbeit mit Betroffenen der Umfang und die Art der Informationsvermittlung dem jeweiligen
Erkrankungsstatus angepasst werden, um nicht Gefahr zu laufen, zu überfordern. Im
Rahmen der Psychoedukation mit Angehörigen sollte der andere Blickwinkel auf die Erkrankung
und ihre Folgen Berücksichtigung finden und damit der veränderten Bedürfnislage Rechnung
getragen werden.
Aufgrund der im vorangegangenen Abschnitt angedeuteten Vorteile psychoedukativer Gruppenprogramme
haben wir stellvertretend für alle psychoedukativen Ansätze deren Zielsetzungen in
Tabelle 1 aufgeführt.
Übergeordnetes Ziel bleibt für alle Formen der Psychoedukation, das Wiedererkrankungsrisiko
abzusenken und den Umgang mit der Erkrankung zu erleichtern.
Hieraus ergeben sich für psychoedukative Behandlungsansätze folgende zentrale Themenschwerpunkte:
-
Informationsvermittlung über die Erkrankung (Epidemiologie, Symptomatik, phänotypische
Varianz, Ätiologie, Verlauf) und die Behandlungsmöglichkeiten
-
Vermittlung von Copingstrategien, d.h. Hilfen, die den Umgang mit der Erkrankung erleichtern
-
Rückfallprophylaxe.
Vergleichbar einem Baukastensystem werden in modernen Psychoedukationsprogrammen diese
inhaltlichen Schwerpunkte in Form von sitzungsbezogenen „Themenbausteinen” bzw. Modulen
strukturiert und bearbeitet. [Tabelle 2] gibt einen Überblick möglicher Module psychoedukativer Behandlungsprogramme. Die
einzelnen Themenbausteine sollten dabei weniger in traditioneller Lehrermanier abgehandelt
werden, als vielmehr gemäß moderner Unterrichtsdidaktik unter Einsatz ansprechender
Materialien und technischer Hilfsmittel (Polylux, Flipchart) gemeinsam erarbeitet
werden.
Unterstützung in der didaktischen Vorgehensweise erhalten Therapeuten durch entsprechende
elaborierte Behandlungsmanuale, die sowohl für einzel- als auch gruppentherapeutische
Maßnahmen vorliegen. Einen Überblick gibt hierzu Tabelle 3. Die Sitzungsfrequenz variiert
zwischen 5-20 Stunden, die in der Regel im wöchentlichen Turnus stattfinden. Während
einige Interventionsformen bereits in der akuten Phase einsetzen [6], scheint aus unserer Erfahrung die Indikation zur Psychoedukation erst in der subakuten
Phase sinnvoll. In der Akutbehandlung erweisen sich aus unserer Einschätzung supportive
Maßnahmen eher geeignet als psychoedukative.
Hinsichtlich Psychoedukation mit Angehörigen von bipolar Erkrankten liegt derzeit
lediglich ein Programm in manualisierter Form vor [7]. Sehr interessant, aber leider nicht manualisiert, erscheint diesbezüglich die Vorgehensweise
von van Gent & Zwart [15], deren fünf Sitzungen umfassendes Gruppenprogramm sich ausschließlich an Angehörige
bipolar erkrankter Menschen richtet. Zentral sind neben der Vermittlung von Erkrankungswissen
und Unterstützungsstrategien die Wahrnehmung eigener Bedürfnisse, die oftmals von
Partnern psychisch erkrankter Menschen vernachlässigt wird. Letztgenannter Aspekt
scheint dabei besonders wichtig, da hierdurch Frustrationen und Konflikte entstehen
können, was sich wiederum ungünstig auf die Symptomatik des Betroffenen auswirken
kann.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass weitere Anregungen aus der Angehörigenarbeit
im Rahmen der Schizophreniebehandlung entnommen werden können[3].
Empirische Evaluation psychoedukativer Ansätze
Empirische Evaluation psychoedukativer Ansätze
Generell basieren vergleichende Evaluationsstudien im Rahmen einer psychotherapeutischen
Behandlung bipolarer Erkrankungen auf einer „Add-on-Strategie”, d. h. zusätzlich zur
medizinischen Standardversorgung erfolgen psychoedukative Interventionen. Problematisch
erscheint dabei, dass unter „Standardversorgung” einige Studienautoren eine vorwiegend
medikamentöse Behandlung verstehen, andere wiederum niederfrequente therapeutische
Kontakte mit einschließen, wodurch natürlich die Generalisierbarkeit der Ergebnisse
sowie insgesamt die Erbringung eines Effektivitätsnachweises erschwert wird.
Die ersten empirischen Evaluationsbemühungen blieben in der Regel auf Prä-Post-Vergleiche,
teilweise ohne Einbeziehung einer adäquaten Kontrollgruppe, reduziert. Selbst das
Gros der Experimentalgruppen war hinsichtlich der applizierten Medikation oder des
Status der Symptomatik äußerst heterogen, oftmals nicht nach Erkrankungssubtypen spezifiziert;
die Stichprobenwahl auf anfallende Stichproben von geringer Größe begrenzt.
Während somit Effektivitätsuntersuchungen in Form von prospektiven randomisierten
Studien, die angemessene Katamnesezeiträume einschließen, in der Vergangenheit die
große Ausnahme bildeten, um nicht zu sagen, fehlten, ist neuerdings ein Trend erkennbar,
psychotherapeutische Interventionen in der Behandlung bipolarer Erkrankungen, und
hier vor allem psychoedukative Ansätze im Rahmen kognitiv-verhaltenstherapeutischen
Arbeitens, den modernen Forschungsstandards zu unterziehen [5]
[10]. Als Erfolgskriterien werden dabei hauptsächlich das Zeitintervall bis zur Wiedererkrankung,
die medikamentöse Compliance, operationalisiert über Laborparameter, der Verlauf der
Symptomatik, erfasst insbesondere über Selbstratings, die Hospitalisierungsrate bzw.
-dauer und das psychosoziale Funktionsniveau gewählt.
Für psychoedukative Ansätze im Rahmen therapeutischen Arbeitens mit Betroffenen werden
dabei in erster Linie günstige Ergebnisse berichtet. So wird für Teilnehmer an psychoedukativen
Programmen eine geringere Rückfallrate [5]
[10]
[14], ein längeres Zeitintervall bis zum Auftreten eines Rezidivs ([5]
[10] [Abb 1] u. [Abb 2]), eine geringere Rehospitalisierungsrate [4]
[5]
[10]
[14] sowie eine geringere Hospitalsisierungsdauer [5] festgestellt. Auch bezüglich des Erkennens und Einleitens geeigneter Maßnahmen im
Zusammenhang mit Prodromen scheinen Betroffene von bipolaren Erkrankungen durch Informationsvermittlung
zu profitieren [10]. Darüber hinaus wird bei Psychoedukationsteilnehmern eine bessere medikamentöse
Compliance [4]
[10] und ein höheres psychosoziales Funktionsniveau [12]
[13]
[14] gefunden. Hinsichtlich der allgemeinen Akzeptanz psychoedukativer Maßnahmen werden
ebenfalls positive Ergebnisse berichtet.
Allerdings werden vereinzelt auch weniger eindeutige Effekte ausgemacht [11], insbesondere auf subsyndromaler Störungsebene [10].
Die empirische Befundlage zu psychoedukativen Ansätzen, die Angehörige einbeziehen
bzw. sich speziell an Angehörige richten, zeigt ähnlich günstige Untersuchungsergebnisse.
Generell wird Psychoedukation von Angehörigen sehr positiv bewertet, Verständnisgewinn
für den Betroffenen und Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch werden dabei besonders
hervorgehoben [15]. Eine geringere Rückfallrate, ein längeres symptomfreies Intervall bis zum erneuten
Auftreten eines Rezidivs [8], Verbesserungen hinsichtlich des psychosozialen Funktionsniveaus und der familiären
Interaktion werden aufgefunden. Aber auch weniger eindeutige Effekte hinsichtlich
diverser Krankheitsverlaufsparameter werden verortet, wobei das Informieren der Angehörigen
über die Erkrankung bei Betroffenen zunächst auch Ängste auslösen kann [15].
Fazit
Fazit
Psychoedukation adjuvant zur medikamentösen Behandlung bipolarer Erkrankungen scheint
mit deutlich günstigeren Effekten hinsichtlich Behandlungscompliance, Symptommanagement,
der allgemeinen Befindlichkeit und Leistungsfähigkeit assoziiert zu sein als eine
rein pharmakologisch orientierte Behandlung der Erkrankung.
Der Indikationsbereich, welche Variante (Einzel, Gruppen, Einbeziehung von Angehörigen)
für welchen Patienten zu welchem Zeitpunkt geeignet erscheint, bedarf noch weiterer
empirischer Untersuchung. Interessante Konzepte, wie „extend of expressed emotions”
[7] könnten dabei als wichtige Kriterien fungieren.
Leider liegen im Rahmen der Evaluation psychoedukativer Ansätze Prozess-Outcome-Analysen,
die z.B. das Ausmaß des Erkrankungswissens oder die Implikation von Zuwendungs- oder
Gruppeneffekten kontrollieren, noch nicht vor. Langzeitkatamnesen fehlen bislang.
Auch erscheint zum gegenwärtigen Zeitpunkt die definitorische Expansion und damit
die Subsumierung noch so unterschiedlicher psychotherapeutischer Interventionsformen
mit mehr oder weniger elaborierten psychoedukativen Behandlungselementen unter den
Psychoedukationsbegriff ungünstig. Die notwendige Systematisierung von Evaluationsversuchen
sowie die Generalisierbarkeit der Ergebnisse werden hierdurch unnötig erschwert.
Forschungsbedarf besteht ferner hinsichtlich der Wirkprinzipien von Psychoedukation.
Generell wäre denkbar, dass Zuwachs des Erkrankungswissens nicht nur mit einer verstärkten
Selbst- bzw. Fremdbeobachtung verbunden ist, sondern auch bei dem Betroffenen behandlungsförderliche
Einstellungen generiert, wie z.B. der Erkrankung nicht mehr hilflos ausgeliefert zu
sein und deshalb aktiv zum Wohlbefinden beitragen zu können. Diese Steigerung des
Selbstwirksamkeitserlebens im Rahmen einer in der watzlawickschen Terminologie als
„symmetrisch” bezeichneten Interaktionsbeziehung zwischen Arzt und Betroffenem, die
beide zu gleichberechtigten Partnern in der therapeutischen Beziehung macht, dürfte
Behandlungscompliance, Krankheitsverlauf und Krankheitsbewältigung sicherlich positiv
beeinflussen. Entsprechende empirische Überprüfungen der potenziellen theoretischen
Wirkprinzipien, insbesondere auch im Hinblick psychoedukativen Arbeitens mit Angehörigen,
wären wünschenswert.
Obwohl die derzeit angewandten Untersuchungsdesigns zur empirischen Evaluation psychoedukativer
Ansätze streng genommen noch nicht die Qualität von Efficacy- bzw. Effectiveness-Studien
erreicht haben, leisten sie doch einen wichtigen Beitrag zur wissenschaftlichen Fundierung
psychoedukativer Interventionen in der Behandlung bipolarer Erkrankungen.
Abb. 1
Abb. 2
Tab. 1 Ziele psychoedukativer Gruppenprogramme differenziert nach Teilnehmern
Psychoedukative Gruppen
|
Ziele
|
für Betroffene |
selbstverantwortlicher Umgang mit der Erkrankung
Aktivierung von Selbsthilfemöglichkeiten
über Erfahrungsaustausch Vermittlung des Gefühls, mit der Erkrankung nicht allein
zu sein, verstanden zu werden, Entlastung von Angst-, Schuld- und Minderwertigkeitsgefühlen
Erhöhung der Behandlungscompliance |
für Angehörige |
Schaffung von Verständnis für krankheitsbedingte Verhaltensweisen
Entlastung durch Erfahrungsaustausch
Angehörige/Bezugspersonen sozusagen zum „Behandlungsverbündeten” gewinnen, um hierdurch
den Betroffenen im Umgang mit der Erkrankung zu unterstützen |
für Betroffene und Angehörige |
Schaffung wechselseitigen Verständnisses
Aktivieren der Familie/des sozialen Netzes als natürliche Unterstützungsquelle |
Verminderung des Wiedererkrankungsrisikos; Erleichterung der Krankheitsbewältigung
|
Tab. 2 Synopsis von Modulen psychoedukativer Ansätze
Module
|
Kurzbeschreibung des Inhalts Modul
|
Einführung |
Allgemeine Informationsvermittlung über die Erkrankung, ihre Epidemiologie, Verlaufscharakteristika
und die Behandlungsmöglichkeiten |
Depression |
pathognomonische sowie individuelle Symptome, allgemeine bzw. individuelle Verlaufscharakteristika,
typische dysfunktionale Kognitionen |
Manie |
pathognomonische sowie individuelle Symptome, allgemeine bzw. individuelle Verlaufscharakteristika,
typische dysfunktionale Kognitionen |
Vermittlung eines Ätiologiemodells |
Präferiert wird in den manualisierten Programmen die Erläuterung des Diathese-Stress-
bzw. Vulnerabilitäts-Stress-Modells, wobei potenzielle individuelle Ätiologiefaktoren
in das Modell integriert werden |
Medikamentöse Behandlung |
Detaillierte Information zur medikamentösen Behandlung; wichtige Fachbegriffe werden
erklärt. Insbesondere der Umgang mit Nebenwirkungen, die häufig Auslöser medikamentöser
Noncompliance sind, wird thematisiert |
Stressmanagement |
Identifikation individueller Stressoren; Erlernen von Methoden zur Stressreduktion
bzw. Stressbewältigung |
Rückfallprophylaxe |
Erkennen individueller "Frühwarnzeichen"; Erlernen adäquater Reaktionsweisen auf Erstsymptome,
z.B.:
-
bei Depression: Tagesstrukturierung, Planung positiv erlebter Aktivitäten
-
bei Manie: Aktivitätenreduktion, Stabilisierung des Schlaf-Wach-Rhythmus
-
episodenübergreifend: Symptomchecklisten; Führen von Stimmungsprotokollen; Erstellen
eines Krisenplanes
|
Tab. 3 Übersicht psychoedukativer Ansätze
Psychoedukative Ansätze
|
Setting
|
|
Einzel
|
Gruppen
|
manualisiert |
Basco & Rush, 1996 [1]
Lam et al., 1999 [9]
Miklowitz & Goldstein, 1997 [7] [*]
|
Bauer & McBride, 1996 [2]
Wagner & Bräunig [16]
|
nicht manualisiert |
Cochran, 1984 [4]
Perry et al., 1999 [13]
Frank et al., 1997 [6]
|
Palmer et al., 1995 [11]
Patelis-Siotis et al., 2001 [12]
Scott et al., 2001 [14]
van Gent & Zwart [15]
[**]
|
1 Einbeziehung der Familie in das therapeutische Arbeiten
2 speziell für Angehörige von Betroffenen bipolarer Erkrankungen