Geburtshilfe Frauenheilkd 2004; 64(2): 140-146
DOI: 10.1055/s-2003-43566
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Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Körperliche Symptome und Inanspruchnahme ärztlicher Versorgung bei Frauen in Ost- und Westdeutschland

Physical Symptoms and the Demand for Medical Care of Women in East and West GermanyK. Weidner 1 , E. Brähler 2
  • 1Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Universitätsklinikum C. G.Carus an der TU Dresden
  • 2Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universität Leipzig
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Publication History

Eingang Manuskript: 12. August 2002 Eingang revidiertes Manuskript: 19. August 2003

Akzeptiert: 1. September 2003

Publication Date:
09 February 2004 (online)

Zusammenfassung

Fragestellung

Es wird der Frage nachgegangen, ob es Unterschiede in der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen bei deutschen Frauen im Vergleich zwischen alten und neuen Bundesländern sowie in Abhängigkeit von wesentlichen soziodemografischen Faktoren wie Alter, Bildungsstand, Berufstätigkeit und finanzieller Absicherung gibt.

Material und Methodik

Im November/Dezember 1998 wurden in einer bevölkerungsrepräsentativen Befragung 1122 Frauen ab 18 Jahren befragt. Neben verschiedenen Beschwerdefragebogen kam ein neu entwickelter Fragebogen zum Arztaufsucheverhalten zum Einsatz, in welchem erfragt wird, wegen welcher Beschwerden ein Arzt aufgesucht werden würde.

Ergebnisse

Das Inanspruchnahmeverhalten ärztlicher Leistungen ist vorrangig von der Zugehörigkeit zu den alten oder neuen Bundesländern und in zweiter Linie vom Qualifikationsniveau abhängig. Es zeigt sich, dass Frauen der neuen Bundesländer häufiger über körperliche Symptome sowie somatoforme u. a. psychosomatische Beschwerden klagen, aber signifikant seltener eine Ärztin/einen Arzt aufsuchen würden, unabhängig davon, ob es sich um somatische oder psychosomatische Beschwerden handelt. Auch Frauen mit höherem Qualifikationsniveau würden seltener ärztliche Leistungen in Anspruch nehmen als Frauen mit geringerem Qualifikationsniveau.

Schlussfolgerung

Die Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen ist wesentlich von der unterschiedlichen sozialen Situation der Frauen in Ost und West abhängig. Finanzielle Absicherung, Lebenszufriedenheit, Bildung und Aufklärung über somatische und psychische Zusammenhänge von Erkrankungen beeinflussen das Arztinanspruchnahmeverhalten von Frauen wesentlich.

Abstract

Purpose

The aim of this paper is to investigate differences in the demand for medical care in German women. We compared West and East Germany and the influence of important sociodemographic factors such as age, education, employment and financial background.

Material and Methods

In November and December 1998 1122 women were questioned in a representative survey. We used several established health questionnaires and a recently developed new questionnaire about the demand for medical care, which investigated the kind of complaints which lead people to consult a physician.

Results

The demand for medical care strongly depends on the patient's affiliation to either the Western or Eastern part of Germany and on the educational level. Women living in the Eastern part complained more frequently about physical symptoms and somatoform or psychosomatic complaints. On the other hand, in cases of physical or mental complaints they consulted a physician less frequently. Women with a higher educational level demanded medical care less frequently than women with a lower educational level.

Conclusions

The demand for medical care strongly depends on the different social situation of women in East and West Germany. Financial background, satisfaction with life, education and information about the physical and mental basis for diseases have a strong influence on the women's demand for medical care.

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Dr. med. Kerstin Weidner

Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie
Universitätsklinikum C. G. Carus an der TU Dresden

Fetscherstraße 74

01307 Dresden

Email: Kerstin.Weidner@mailbox.tu-dresden.de

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