Krankenhauspsychiatrie 2004; 15(S 1): 1-2
DOI: 10.1055/s-2003-812477
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Rehabilitative Behandlung und Langzeittherapie schizophrener und affektiver Störungen

Rehabilitative Treatment and Long-Term Treatment of Schizophrenic and Affective DisordersM.  Wolfersdorf, A.  Rubel, M.  Moos
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Publication Date:
19 April 2004 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste,

ich darf Sie herzlich im Namen der Veranstalter dieses Workshops begrüßen und damit auch die Grüße der Krankenhausleitung und des Bezirkstagspräsidenten, Herrn Edgar Sitzmann, aus Urlaubsgründen hier vertreten durch Herrn Burger, Direktor der Hauptverwaltung des Bezirkes Oberfranken, zu unserem Workshop zur „Rehabilitativen Behandlung und Langzeittherapie schizophrener und affektiver Störungen” verbinden.

Die Gestimmtheit des Tages ist Wetter bezogen eher gut, ansonsten - betrachtet man unter psychiatrisch-psychotherapeutischen Aspekten die gesundheitspolitische Situation, die Trägerebene unserer Krankenhäuser, die Diskussionen und Auseinandersetzungen im Kostenträgerbereich oder auch die standespolitische Situation - ist eher von einer lebhaften, fast aufgeregt zu nennenden Zeit zu sprechen. Obwohl die Verführung groß wäre, will ich darauf verzichten, auf einzelne Aspekte, z. B. die Gesundheitspolitik und ihre Auswirkungen auf psychisch Kranke und hier auf solche mit der Notwendigkeit von Langzeitbehandlung, auf die Konsequenzen des Gesundheitsreformgesetzes für Fachkrankenhäuser und Abteilungen für Psychiatrie und Psychotherapie, z. B. hinsichtlich der Zugangserschwernis für ambulante Tätigkeiten, eingehen.

Unser Thema der rehabilitativen Behandlung und der Langzeittherapie psychisch kranker Menschen ist für sich selbst brisant genug, ist es doch Thema der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR), die die Rahmenvereinbarung aus den 80er-Jahren zur Einrichtung von RPK derzeit neu überdenkt, und auch Thema der Überlegungen zur rehabilitativen Behandlung psychisch kranker Menschen, wie sie die Arbeitsgemeinschaft zur Weiterentwicklung der Psychiatrie, die AG Psychiatrie des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS), derzeit anstellt. Das Thema „Rehabilitative Behandlung/Rehabilitation” beschäftigt die deutsche Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik nun intensiv seit über 2 Jahren. Dabei geht es um die Schnittstellen von Rehabilitation zur psychiatrisch-psychotherapeutischen Krankenhausbehandlung sowie zur ambulanten psychiatrisch-psychotherapeutischen Therapie. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Rehabilitation (BAR) hat 1984 Rehabilitation definiert als „. . . die Gesamtheit der Bemühungen, einen durch Krankheit, angeborenes Leiden oder äußere Schädigungen körperlich, geistig oder seelisch behinderten Menschen über die Akutbehandlung hinaus durch umfassende Maßnahmen auf medizinischem, schulischem, beruflichem und allgemein sozialem Gebiet in die Lage zu versetzen, eine Lebensform und -stellung, die ihm entspricht und seiner würdig ist, im Alltag, in der Gesellschaft und im Beruf zu finden bzw. wieder zu erlangen”. Dabei grenzt sich Rehabilitation, so die Arbeitsgruppe „Rehabilitation” im Arbeitskreis Psychiatrie des BMGS, im engeren Sinne ab zum einen von der auch längerfristigen stationären, teilstationären oder ambulanten Akutbehandlung, bei der die unmittelbare Beeinflussung von Krankheitssymptomen im Vordergrund steht, und andererseits von den, vor allem für schwerer beeinträchtigte Menschen erforderlichen, evtl. lebenslangen Hilfen zur Integration in die alltägliche Lebenswelt einschließlich einer angemessenen Tätigkeit. Hinzu kommt weiterhin das Problem der rehabilitativen Bestandteile der psychiatrisch-psychotherapeutischen Krankenhausbehandlung, mit der Gefahr, Akutbehandlung z. B. von psychosekranken Menschen auf „Notfall-Psychopharmakotherapie” zu reduzieren und alles andere bereits dem Bereich „Rehabilitation” und damit einem anderen Kostenträger - von den Krankenkassen zu den Rentenversicherern - zuzuweisen.

Behandlung und medizinische Rehabilitation können nicht scharf getrennt werden, rehabilitative Bestandteile sind bereits in der Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) definiert und integriert. Dabei wird es wichtig werden, Module der Rehabilitation zu definieren. Die DGPPN-AG Rehabilitation beschäftigt sich derzeit mit diesen Fragestellungen. Rehabilitation im engeren Sinne ist für solche psychisch kranke Menschen, bei denen nach Abklingen der akuten Krankheitssymptome Funktionsbeeinträchtigungen und Störungen der Teilhabe am Leben vorliegen, gedacht und anzustreben.

Wir werden heute versuchen, einiges zusammenzufassen und zu klären, insbesondere was die Frage „rehabilitative Anteile der Akuttherapie versus Rehabilitation” im engeren Sinne anbelangt, und wie auch die verschiedenen Elemente/Module jeweils eingeordnet werden können.

Noch ein Wort zum Thema „Langzeittherapie”. Längerfristige Therapien sind heutzutage kaum erforscht, sieht man von Lithium ab. Dabei ist „Langzeittherapie” das übliche, geht man davon aus, dass die meisten psychischen Störungen im Grunde genommen Langzeiterkrankungen sind. Unser Wissen insbesondere um psychosoziale Faktoren, um die Effekte von langfristiger Psychopharmakotherapie, um die Notwendigkeit und Effekte von langfristiger Psychoedukation ist gering.

Rehabilitation und rehabilitative Akutbehandlung, Langzeittherapie und Entwicklung von Langzeitkonzepten sind zwei Facetten einer gemeinsamen Perspektive, langfristige biografische Entwicklungen zu ermöglichen.

Für die Autoren
Prof. Dr. M. Wolfersdorf, Bayreuth
Januar 2004

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